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Cäcilia

Nun sollte sich der heil'ge Sang
Mit Orgelton und Harfenklang
Zum Himmelsdom entschwingen,
Cäcilien zu besingen!
Er wagt es nicht; doch giebt er schlicht
Von ihr den rührenden Bericht.

Cäcilia, die Jungfrau zart,
Eine Römerin von edler Art,
War schon von ihrer Jugend
Beflissen hoher Tugend.
Sie bekam vom Pabst Urban
Den rechten Glauben. Der heilige Mann
Entwich dann der Verfolgungsnot.
Er floh aus Rom, nicht vor dem Tod,
Doch um der Kirche sich zu erhalten.
Seine Getreuen besuchten den Alten
In einer Höhle von Rom nicht fern.

Cäcilia folgte also gern
Der reinen Lehre, daß sie Gott
Ihre Keuschheit zu eigen bot.
Doch heimlich that sie das vor allen.

So kam es, daß sie mit Freudeschallen
Einem Jüngling Valerian
Verlobt ward. Bald kam auch heran
Der Tag der Hochzeit. Das holde Weib
Ward reich gekleidet, doch an ihrem Leib
Trug sie heimlich ein hären Gewand.
Spielleute kamen mit lautem Tand.
Jedoch der Jungfrau Herz und Sinn
War nicht auf irdische Klänge hin
Gerichtet, nein, ihr war's, sie höre
Der Engel und der Heiligen Chöre.
In ihren unsichtbaren Reih'n
Stimmte sie oft mit Gesange ein.
Sie trug allzeit in ihrer Brust
Gottes Wort mit großer Lust;
Eine Orgel ihr im Herzen stund,
So sang sie Gott mit Herz und Mund.
Sie hat die Welt mit aller Pracht,
Sich selbst mit Geld und Gut veracht't.
Die Jungfrauschaft, das Kleinod teuer,
Hat sie erprobt wie Gold im Feuer.

Als nun die Lust ein Ende nahm
Und die stille Brautnacht kam,
Da sprach Cäcilia also
Zu ihrem Bräutigam stolz und froh:
»Mein lieber Bräutigam, vernimm!
Mir steht ein Engel bei; nur ihm
Bin ich in Liebe ganz ergeben.
Willst du nach gleicher Liebe streben,
So wird der Engel dich auch minnen
Und dich die Kraft lassen gewinnen,
Daß du magst seine Klarheit sehen.
Wenn nicht, so ist's um dich geschehen!«

Durch solche Rede ward der gute
Valerian von hohem Mute
Erfüllt und sprach zur schönen Frau:
»So mach', daß ich den Engel schau'!
Doch hast du nur deinen Spott daran,
Und willst mir weisen einen Mann,
Den du hast lieber noch als mich,
So wisse, schlag' ich ihn und dich
Mit meinem Schwerte völlig tot,
Auf daß du mich in keiner Not
Mehr wagest zu betrügen
Durch Laster und durch Lügen!«
Durch diese Rede ward also
Cäcilia unmaßen froh
Und sprach zu ihm: »O lieber Freund,
Willst du im Glauben mit mir vereint
Dich kehren zu dem wahren Gott
Und dich taufen durch sein Gebot,
So wisse, daß sein Engel dir
Erscheinen wird nach deiner Begier!
Folg' meinem Rat, geh' zu Urban,
Dem alten; sprich ihn darum an!«

Valerianus that also.
Da wurde Papst Urbanus froh
Und that zu Gott hin sein Gebet.
Während dieser Zeit, o seht,
Sah der gute Valerian
Einen alten schönen Mann.
Dies war ein Engel, herabgesandt,
Der trug ein Buch in seiner Hand,
Drauf las er in der Schrift Verlaufe:
»Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe!«
Er las, der alte Mann verschwand.
Drauf taufte ihn mit eig'ner Hand
Bischof Urban. Valerian
Eilte zu Cäcilia dann,
Die ihn mit großen Freuden empfing.

Da er zu ihrer Kammer ging,
Sieh', da war schon ihm zum Frommen
Ein schöner Gottesengel gekommen,
Der bei Cäcilien stand,
Zwei Rosenkränze in seiner Hand,
Und sprach: »Aus Gottes Paradies
Hab' ich sie hergetragen. Dies
Ist für Cäcilia, dies für dich!
Die Blumen dauern ewiglich
Und werden nie verwelken traun!
Nur jene Menschen können sie schau'n,
Die die Keuschheit minnen.«

Da sprach der Jüngling: »Könnt' ich gewinnen
Für meinen Bruder Tiburtius
Den gleichen himmlischen Genuß?«
Und sieh', seine Bitte wurde erhört.
Tiburtius war heimgekehrt
Zu dieser Zeit und empfand den Duft
Der Himmelsrosen in der Luft.
Sie riefen ihn herein; er roch
Die Blumen, ihm unsichtbar doch.
Da rief er aus: »Träume ich schier,
Daß ich zur Winterszeit allhier
Rosen und Lilien glaube nah'?«

Valerianus sprach allda:
»Ja wahrlich, Bruder, unser Leben
War uns bisher als Traum gegeben!
Ich bin soeben erst erwacht.
Ein Engel hat mir Licht gebracht.
Willst du unserem Rate trauen,
Sollst du auch Engel und Rosen schauen.
Geh' zu Urban! Der wird dich taufen;
Dann komme wieder hergelaufen.«

Da sprach aber Tiburtius:
»Wollt Ihr mich töten noch zum Schluß?
Urbanus ist dem Tode geweiht,
Wie jeder, der zu dieser Zeit
Mit ihm verkehrt.« – Cäcilia sprach:
»Du strebst mit Recht dem Leben nach,
Wenn uns nur wär' dies eine Leben
Auf dieser Erde zu eigen gegeben.
Doch was du Leben nennst, ist nicht!
Das wahre Leben strahlt im Licht
Der Lehre Christi; diesem droht
In aller Ewigkeit kein Tod.
Das ist das Leben, damit du es weißt,
Beim Vater des Herrn mit dem heiligen Geist.«

Da sprach Tiburtius wieder zu ihr:
»Von einem Gotte sagst du mir
Und machest ihrer dennoch drei.
Mach' mich von diesem Zweifel frei!«

Da sprach Cäcilia: »Dreifaltig
Ist Gott der Eine allgewaltig,
So wie dein Geist ist mannigfaltig:
Er hat Gedächtnis, Wille, Vernunft.«

Nun sprach sie von Christi Wiederkunft,
Bis Gott auch an Tiburtius
Die Gnade wirkte, daß er zum Schluß
Mit seinem Bruder zu Papst Urban
Hin ging und dort die Taufe gewann.
Nun sah er Gottes Engel auch.

Die Hochzeit war nach ihrem Brauch
Ergangen und Cäcilia
Lebte mit ihrem Bräutigam da
In keuscher Minne; als der dritte
Weilte der Bruder in ihrer Mitte.

Sie nahmen sich der Christen an,
Begruben die Märtyrer, pflegten dann
Die Witwen, Waisen, Armen
Mit innigem Erbarmen.

Der hohe Vogt Almachius
Hörte von des Tiburtius
Und Valerianus Werken,
Die so die Christen suchten zu stärken.
Er lud sie vor sein Tribunal
Und drohte ihnen mit Tod und Qual.

Tiburtius aber sprach also:
»Wir fürchten nicht, was uns auch droh'
Von dieser Welt! Sie ist nur Schein,
Verglichen mit dem wahren Sein
In Gottes Licht. Hier säen wir
Nur unsere Frucht, doch nicht für hier;
Sie muß uns reiche Ernte geben
Für das wahre, das ewige Leben.
Was hier erscheint als Thorensinn,
Ist dort zu ewigem Gewinn.
Was hier ist Leid, ist dorten Freud'.
Hier sucht man, was man dorten scheut.
Wer hier der Richter ist, wird dort
Gerichtet nach dem ewigen Wort.«

Almachius rief: »Mag es gescheh'n!
Doch hier müßt ihr zum Opfer geh'n!«

Da sprachen jene: »Es ist recht,
Daß alle Tage jeder Knecht
Opfere dem wahren Gotte,
Doch nicht den Falschen, ihnen zum Spotte.
Jupiter ist eines Bösen Nam',
Der einst hier lebte ohne Scham
Mit Schanden und mit Sünden,
Wie eure Dichter künden.«

Almachius befahl die beiden
Dem Maximus, einem edlen Heiden.
Der fühlte Mitleid mit ihrer Jugend
Und sprach: »Mich wundert eure Tugend,
Daß ihr in euren besten Tagen
Zum Tode hingeht ohne Klagen.«
Valerianus aber sprach:
»Wir jagen ewiger Jugend nach.
Nur weil wir das Leben wollen erwerben,
Sehnen wir uns so stark zu sterben.
Sieh', des zum Zeugnis sollst du morgen,
Wenn wir sterben, unverborgen
Unsere Seelen sehen,
Wie sie zum Himmel gehen!«

Durch dies und manches andere Wort
Gelüstete Maximus nach dem Hort
Des Glaubens. Er bekehrte sich
Mit andern Heiden eiferlich.

Der Vogt befahl am andern Tage,
Daß man den beiden das Haupt abschlage.
Da sah denn Maximus fürwahr
Die beiden Seelen licht und klar
In jungfräulicher Gestalt
Zum Himmel ziehen, ringsumwallt
Von Gottesengeln im weißen Kleid.
Da bekannte er todesbereit
Laut und froh, er sei ein Christ.
Almachius ließ ihm keine Frist;
Er ward mit Bleikeulen geschlagen
Und tot von hinnen getragen.

Cäcilia, die gute, pflag
Der Treue, die ihr am Herzen lag.
Sie begrub die Brüder und Maximus auch.
Ihres Gebetes Weiherauch
Brannte hoch vor Gott allhier.

Nun stund des üblen Vogtes Gier
Nach der edlen Brüder Gut.
Er rief daher mit argem Mut
Cäcilia die schöne
Vor sein Gericht, daß er sie höhne,
Wie ihrem Gatten war gescheh'n.
Sie aber wollte nimmer geh'n,
Den Göttern Opfer darzubringen.
Mitleidig sah man sie umringen
Männer und Frauen, denn sie war schön,
Jung und reich und angeseh'n.

Sie aber sprach: »O weinet nicht!
Ich wandle mich von Licht zu Licht,
Von dieser Jugend zu and'rer Jugend,
Da niemand altert. Gottes Tugend
Und Gnade wirket so an mir.«

Durch solche Reden bekehrte sie hier
Wohl vierhundert und noch mehr;
Die trugen all nach der Taufe Begehr.

Aus Furcht vor ihrer Freunde Schar,
Und weil ihr Stamm so edel war,
Wagte es Almachius nicht,
Sie offen zu töten vor Gericht.
Er ließ sie schaffen in ihr Haus,
Trieb ihre Freunde all hinaus
Und ließ ihr heizen ein solches Bad,
Drin sie nach seinem argen Rat
Ersticken sollte. Aber Gott
Verzögerte noch ihren Tod.
Sie lebte noch den andern Tag.

Ein Henker sollte mit einem Schlag
Ihr Haupt vom Rumpfe scheiden;
Jedoch sein groß Mitleiden
Schwächte seine Kraft also,
Daß er nach dem dritten Schlage floh,
Ohne sie getötet zu haben.
Das war nach dem Recht, das die Alten gaben,
Daß niemand einen vierten Schlag
Geben durft'. Bis zum dritten Tag
Lebte noch Cäcilia.

Urban, der Papst, kam zu ihr da.
Sie übergab ihm all ihr Gut
Zum Trost der Armen mit mildem Mut
Und befahl ihm, ihr Haus zu weih'n
Zum Gottesdienst heilig und rein,
Darin allzeit das Lob erklinge
Des Chors zum Herren aller Dinge.

Und so geschah's. Die Christen haben
Alldort Cäcilien begraben
Mit nassen Augen und doch froh.
Zur Kirche ward ihr Haus also.

Sie selber hört im Himmel droben
Die Engel singen und Gott loben,
Wonach ihr Herz allzeiten rang.

O, daß von diesem Engelsang
Ein Abglanz schon auf dieser Erde
Von allen Guten vernommen werde,
Als Vorspiel jener Reigen nur,
Die auf der ewigen Himmelsflur
Die Engel, mit den Sphärenklängen
Wetteifernd, üben in seligen Sängen!

Cäcilia, 22. Nov. 230. Passional II. S. 629. G. B. de Rossi versetzt ihr Martyrium in das 2. Jahrh.


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