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Papst Clemens

Clemens, der große Bischof,
Der den päpstlichen Hof
Nach Sankt Petrus besaß,
Lauter wie ein reines Glas
Unserem Herrn erkoren,
Der war von Rom geboren
Von altem Stamm edel und klar.
Faustinianus sein Vater war,
Seine Mutter Matidiana.
Zwei Brüder hatte er noch da,
Der eine hieß Faustinus
Und der andere Faustus.
Faustinianus' edles Weib
War noch jung, von schönem Leib.
D'rum legte ihrer Tugend Stricke
Mit mannigem holden Blicke
Des Gatten Bruder. Guter Rat
War ihr da teuer. Ueble That
Zu hindern, fand sie diesen Plan;
Sie sprach also zu ihrem Mann:
»Höre mich, lieber Herre mein,
Wovon ich muß bekümmert sein!
Ich habe einen Traum gesehen,
Der gab mir deutlich zu verstehen,
Daß ich mit zwei von meinen Kindern,
Um größ'res Uebel zu verhindern,
Muß fliehen in ein fremdes Land.«
Als dies dem Gatten ward bekannt,
Hieß er in Sorge um dies Wort
So Weib wie Kinder alsofort
Zu Schiffe nach Athen hinfahren,
Um dort ihr Leben zu bewahren.
Das dritte Kind, das jüngste, blieb
Beim Vater, ihm vor allem lieb,
Fünf Jahre alt, in seiner Hut,
Dies war Clemens hold und gut.

Matidiana fuhr also
Und war der Flucht unmaßen froh,
Da sie dem Unflat so entkam.
Doch eh' die Fahrt ein Ende nahm,
Ward ihr Schiff vom Sturm zerspellt,
An einer Klippe ganz zerschellt.
Mit Mühe rettete sich die Frau
Auf eine nahe Inselau,
Doch nur zu ihrem größten Leide;
Denn ach, die lieben Söhne beide
Waren ihr verloren gar.
Da sie dem Wahnsinn nahe war,
Gab ihr noch Tröstung allgemach
Ein armes Weib, das also sprach:
»Verzweifle nicht, o Frau!
Sieh mich nur an und schau',
Welch ein Leid auch ich gewann!
Ich hatte einen lieben Mann,
Der mir auch in dem Meer ertrank.
Doch sieh', das schwere Leid bezwang
Ich dennoch, und nur ihm zuliebe
Geschieht es, daß ich von mir schiebe
Alles Mannes Umgang je.
Mit Arbeit büß' ich so mein Weh.
Willst du meine Gesellin sein?«
Matidiana ging darauf ein.
Doch ungewohnt der Arbeit war
Die Edle, und als endlich gar
Die Freundin krank ward, ach, da bot
Sich ihnen erst zweifältige Not,
Den beiden Frauen lobesam:
Diese war siech, jene ward lahm.
In Bettlerweise mußten sich
Die beiden fristen kümmerlich.

Faustinianus unterdessen
Hatte der Fernen nicht vergessen.
Manche Boten sandt' er über Meer,
Doch keiner brachte Kunde her
Von seinen Kindern, seinem Weib.
In Angst gab er des Clemens Leib
In seiner Freunde treue Hand
Und suchte über Meer und Land
Nach den Verlor'nen. Doch die Wogen
Des ungestümen Meeres zogen
Ihn selbst dahin in fremdes Land,
Daß er nicht mehr den Rückweg fand.

Indes ward Clemens in den Lehren
Der Heidenweisheit, jener hehren,
Unterrichtet immerdar.
So kam er in das zwanzigste Jahr.
Er ward ein Philosoph, beflissen
Auf alles weltkundige Wissen,
Nur hielt er treulich ohne Fehle
An der Unsterblichkeit der Seele.

In dieser selben Zeit geschah's,
Daß Christi Jünger Barnabas
Nach Rom hinkam und lehrte
Und manchen Mann bekehrte.
Doch wenig gaben auf ihn hie
Die Jünger der Philosophie.
Sie spotteten der Lehre,
Denn Gott, der große, hehre,
Und des Geistes Unsterblichkeit
Galt ihnen nur für Thörigkeit.
Nur Clemens war unmaßen froh,
Als er in seinen Zweifeln so
Einen Lehrer endlich fand,
Der ihm wahrlich machte bekannt
Von einem Gotte solche Kraft,
Daß seine hohe Meisterschaft
Kann nach dem Tod ein ander Leben
Ewiglich den Seelen geben;
Denn darauf stund sein Hoffen.
Als ihm dies ward offen,
Wie gerne er ihm glaubte
Und Christo, seinem Haupte!
Seiner Freunde und seiner Hab'
That er sich gänzlich ab
Und kam hin nach dem Judenland,
Wo er Petrum selber fand,
Jesu Statthalter auf Erden;
Er wollte dessen Jünger werden.
Der lehrte ihm vom ewigen Leben,
Bis er ihn eben
Allem Zweifel entzog,
Daß Clemens' Mut zur Höhe flog,
Da er ihm glauben mußte
Und seine Seele unsterblich wußte.
Da klagte Clemens an Petri Brust
Seiner Verwandten schweren Verlust.
Dies ging dem guten Petrus nah'.
Er hatte noch zwei Jünger da,
Die, einst von Simons Zaubertrug
Geblendet, nun für Höllenlug
Die Himmelswahrheit tauschten ein.
Mit Petrus und den Jüngern sein,
Nicetas und Aquila,
Fuhr Clemens in die Lande da,
Des Evangeliums treu zu warten.

So kamen sie nach manchen Fahrten
Auch auf die ferne Insel dar,
Wo Frau Matidiana war.
Ein Heidentempel war am Orte
Mit gläsernen Säulen vor der Pforte.
Dort trat dem Petrus sie entgegen,
Demütig, wie die Armen pflegen,
Des Clemens Mutter, eine Gabe
Von ihm erheischend, ihr zur Labe.

Da sagte Petrus: »Ei, du Weib,
Du scheinst fürwahr von starkem Leib
Zur Arbeit, dir zum Frommen;
Was mußt du betteln kommen
Und das Almosen nehmen?«
Seht, da begann sie sich zu schämen
In ihrem großen Ungemach,
Daß sie weinete und sprach:
»Herre, lieber Herre mein,
Ich hab' nur der Gesundheit Schein,
Doch dulde ich der Lahmheit Qual.
O wehe, hätt' ich dazumal
Gehabt so viele Weisheit,
Da mir geschah dies Herzeleid,
Daß ich mich in meinem Weh
Ertränkt hätte auf der See,
So wär' ich ledig dieser Klage,
In der ich nun mein Leben trage!«

Da sagte Petrus eiferlich:
»Wie thöricht sprichst du wider mich!
Verstehst du nicht die große Not,
Die dir schafft so übler Tod?«
Die Frau sprach wieder gegen ihn:
»O wüßte ich den wahren Sinn,
Daß es nach dem Tode möchte geben
Für meine Seele ein ander Leben;
Und hätt' ich solcher Rede ein Pfand,
Ich wollte mich töten allzuhand,
Damit ich nur auf eine Stunde
Die Kinder säh', die ohne Kunde
Der Tod hinnahm vor langer Zeit.
Mein Leben ist seitdem nur Leid.«

Da sagte sie ihm all die Märe,
Die ihr zuvor geschehen wäre,
Auch von Clemens und ihrem Mann.
Mit Staunen hört es Petrus an
Und spricht: »O Frau, vertraue mir;
Der Söhne einen kann ich dir
Heut' schenken, Clemens, er ist hier.
Dort kommt er her; erkennst du ihn?«

Als plötzlich so ihr Sohn erschien,
Stürzte die Frau mit Weinen
Entgegen ihm, dem reinen,
Umarmt ihn, küßt ihn auf den Mund.
Doch unserm Jüngling war nicht kund,
Was dies Gebaren solle;
Er stieß von sich die Freudenvolle.

Doch Petrus sprach: »Mein liebes Kind,
Laß deine Scheu und sei nicht blind!
Stoß' deine Mutter nicht von dir;
Sie ist es selber, glaube mir!«
Wie halsten sich da beide
Nun freundlich sonder Leide;
Sie küßten sich einander so
Und waren allzusammen froh
Der Zeit, die ihnen Heil gewann.
Petrus, der viel gute Mann,
Machte die Mutter auch gesund
Und ihre Wirtin zur selben Stund'.

Nun fragte Matidiana gleich
Nach ihrem Gatten hoffnungsreich:
»O sage, wo dein Vater sei,
Und mach' mich aller Sorge frei!
O könnt' ich ihn auch schauen hier!«
Da sagte Clemens so zu ihr:
»Liebe Mutter, wisse das,
Daß seine Treue dich nicht vergaß!
Er fuhr nach dir hinweg, jedoch
Kam er nicht zu Hause noch.
Ich fürchte, daß er unterwegen
Ist in dem Meere tot gelegen!«
Die Frau erseufzte dessen sehr.

Indessen kamen auch daher
Petri beide Jünger da,
Nicetas und Aquila.
Als nun die beiden kamen
Und alles das vernahmen,
Verwunderten sie sich genug.
Doch manchen bangen Zweifel trug
Ihr Herz, ob diese Märe
Gewisse Wahrheit wäre.
Doch als sie hörten, wie alles gekommen,
Ward jeder Zweifel ihnen benommen.
Da riefen beide weinend,
Mit Worten sich vereinend:
»O lieber Herre, Jesus Christ,
Wie gut und übergut du bist!
So sei euch allen dies bekannt:
Wir waren Faustus und Faustinus genannt
Vor diesen Zeiten; ja, wir sind
Die zwei Verlor'nen, die als Kind
Der Sturm entriß dir, Mütterlein;
Nun wollen wir dein für immer sein!«

Als Matidiana dies vernahm,
Vor übergroßer Freude kam
Sie ganz von Sinnen; sie sank nieder
Ohnmächtig. Als sie aber wieder
Zu sich kam, da erhub sich viel
Von allen liebes Freudenspiel.
Auch Clemens weinte in der Schar,
Als er der Brüder ward gewahr,
Die nun nach mannigen Jahren
Ihm erst gegeben waren.
Sie sagten, wie das Schiff zerbrach,
Wie sie nach vielem Ungemach
Sich retteten auf einem Brette;
Ein Seeräuber hätte
Sie dann aufgenommen.
Als sie ans Land gekommen,
Da wurden sie verhandelt
Und ihre Namen verwandelt.
Sie wurden von einer reichen Frauen
Gekauft und mit Vertrauen
An Kinderstatt erzogen.
Schön ward ihrer gepflogen
Mit guter Lehre. Kurze Frist
Vertrauten sie der Zauberlist
Des Simon; doch bald wieder frei
Von seiner argen Gaukelei,
Wandten sie so Herz und Sinn
Der reiner'n Lehre Petri hin.

Dieser Fund geschah also,
Daß sie alle wurden froh
Und Gott dankten mit Gebeten
Nach ihres Herzens guten Räten.

Dieweil dies also ward gethan,
So kommt daher ein alter Mann,
Grau und ehrlich von Gestalt,
Doch durch der Armut Gewalt
War er bedürftig genug;
Nur daß er ein weites Herze trug.
Da er sie alle beten sah,
Sprach er zu ihnen gütlich da:
»O liebe Brüder, um was
Uebt ihr vergebens das,
Daß ihr schreit zu einem Gott,
Als ob sein helfendes Gebot
Zu statten euch käme! Das gibt es nicht,
Wie mir die Erfahrung spricht
Und der Vernunft Gebot!
Es ist nicht, was da heißet Gott,
Auch keine Vorsehung; das Glück
Regiert allein in jedem Stück.«

Als Clemens diesen Alten sah,
In seinem Sinne dünkt ihn da,
Er hätte ihn schon wo geseh'n;
Doch wußt' er nicht, wo das gescheh'n.
Mit Gründen der Philosophie
Bestritten nun die Männer hie
Des alten Bettlers traurigen Wahn,
Bewiesen Gottes Sein und Plan,
Der uns die Sinne habe gegeben,
Auf daß wir richten unser Leben
In Scheu vor Gottes Willen.
Doch konnten sie nicht stillen
Des Alten Rede; nein, er sprach:
»Des Schicksals Walten, mir zur Schmach,
Das hab' ich wohl erfunden!
Vernehmt zu diesen Stunden
Von meinem Weibe und von mir
Das Mißgeschick, auf daß ihr
Erseht aus den Geschichten,
Daß Gott besteht mit nichten!
Ich war zu Rom ein reicher Mann,
Der schöne Kinder gewann,
Die mir das Schicksal alle nahm.
Mag sein, daß es von den Sternen kam;
Die herrschen ob uns allen.
D'rum mußte mein Weib fallen
In ein unkeusches Leben,
Wie es die Sterne geben,
Und darnach sterben in fernen Meeren.
Sie trug ein sündliches Begehren
Zu meinem Bruder, der mir treulich
Dies alles kund that, doch abscheulich
Buhlte sie d'rauf mit meinem Knecht.
Nun da sie fürchtete mit Recht,
Daß ich entdeckte ihre Sünden,
Zog sie aus lügnerischen Gründen
Davon mit zweien Kindern. – Weh,
Die Ungetreue verschlang die See!
Mit einem Kind blieb ich zurück.
Doch auch von dem schied mich das Glück,
Das alles ohne Weisheit lenkt,
Was auch der Mensch sich müht und denkt.«

Clemens, Nicetas, Aquila,
Die drei Gebrüder hörten da
An dieser grausen Märe,
Wie er ihr Vater wäre.
D'rob waren sie unmaßen froh;
Es drängte sie ihr Herze so,
Sich ihm zu machen offenbar.
Dessen ward Petrus gewahr;
Er winkte heimlich diesen hin
Und hieß sie bergen ihren Sinn
Und sprach zum Alten: »Guter Mann,
Thu' so wohl und sage an:
Ließ' ich dich heute schauen
Unschuldig deine Frauen,
Und könnt' ich dir die Kinder zeigen,
Sprich, wollte sich dein Glaube neigen
Von deinem Irrtum?« – Doch der Greise
Sprach wieder: »Ach, auf keine Weise
Ist dies und jenes möglich, nein!«
Doch Petrus sprach: »Doch muß es sein!
Sieh Clemens hier, und Faustus da,
Faustinus auch, sie sind dir nah'.
Erkenne, Armer, Sohn und Kind,
Die dir gesund vor Augen sind!«

Ja, da erhob sich Freudenruf!
Die höchste Freude allen schuf
Die freudenreiche Stunde
Ob diesem seligen Funde,
Daß er sie fand und sie ihn.
Sie liefen zueinander hin,
Weinend umfingen sie sich.
Dem Vater war so wunderlich
Zu Sinn vor Freuden allerhand,
Daß er sich kaum darin verstand.
Sie riefen: »Wohl uns, Vater mein!«
Und er: »Wohl mir, ihr Kindelein!
Doch sagt mir, wo die Mutter sei?«
Nun kam die Fraue auch herbei.
Vor Freude weinten alle,
Daß sie nach tiefem Falle
Aufstanden so gar wohl gesund,
Als ihnen hie war worden kund.
Faustinianus der Greise
Wurde davon weise;
Er warf hin allen Zweifelmut,
Sein Glaube ward so gut,
Daß er zu allen Orten
Folgte Petri Worten
Und ward froh seiner Lehre.

Nun hörte diese Märe
Simon, der Zauberer genannt.
Ihm ward zu seinem Grimm bekannt,
Daß seine Jünger und ihr Vater
Sich Petrus wählten zum Berater.
Nun hört von seinen Listen sagen!
Es kam in diesen selben Tagen
Vom römischen Kaiser ein Gebot
Nach Antiochien, das den Tod
Den Zauberern bestimmte.
Simon, der haßergrimmte,
Floh, um das Leben sich zu fristen;
Doch schuf er es mit Zauberlisten,
Daß Faustinianus seine Gestalt
Erhielt und so als Simon galt.
Nur Petrus, der gottesreine,
Erkannte ganz alleine
Die Wahrheit, aber Weib und Kind
Waren gegen den Zauber blind.
Petrus aber mit weisem Mute
Wandte diesen Trug zu gute.
Er ließ Faustinianus geh'n
Nach Antiochien. Alle seh'n
Ihn dort für Simon Magus an.
So sprach er vor dem Volke dann:
»Ich, Simon, der euch mannig Wort
Habe gelehrt hier und dort,
Bekenne unbetrogen,
Daß alles war erlogen
Und miteinander ganz unrecht,
Was ich auf den Gottesknecht,
Auf Petrus übles habe gesagt;
Das ist mir leid. Hab' ich geklagt,
Er hätte euch betrogen,
War ich es, der gelogen.
Und wenn ich wieder zu euch kehrte
Und anderes euch lehrte,
Als Petrus, der gute,
So glaubt nicht meinem falschen Mute
Und laßt euch nicht verwirren,
Denn Petrus kann nicht irren!«

Das Volk vernahm die Rede froh,
Denn viele Leute waren so,
Daß jeder gern dem Petrus glaubte;
Nur daß es Simon nicht erlaubte.
Schnell ward nach Petrus hin gesandt,
Und er kam auch allzuhand.
Doch Simon, der dawider sprach,
Den vertrieben mit Schimpf und Schmach
Die Bürger. Also war der Bube
Gefallen in die eig'ne Grube.

Nach Rom kam Petrus darauf hin
Zu vieler Seelen Hochgewinn.
Vor seinem Martertode kam
Er zu den Jüngern hin und nahm
Clemens bei seiner Hand.
Der ward geweiht und anerkannt
Als sein Nachfolger. Doch die Ehren
Des Amtes ließ er erst dem hehren
Linus und Cletus auch, dem guten;
Die mußten beide für Christus bluten.

Den Seelen, die durch Clemens neu
Geboren, blieb er hold und treu.

Nun war ein Fürst gar lobesam,
Sisinnius war sein Nam',
Deß Gattin Theodora auch
Hinneigte gutem Christenbrauch.
Sisinnius aber war als Freund
Dem Kaiser Nerva eng vereint.
Er folgte der Frau in die Kirche hin
Zu seh'n, was ihr verkehrt den Sinn.
Doch Gottes Kraft, die alles kann,
Schlug mit Blindheit diesen Mann,
Sodaß er kaum nach Hause fand.
Als dies der Gattin ward bekannt,
Da bat sie Clemens ohne Weile,
Daß er den blinden Gatten heile.
Das that er auch, jedoch der Heide,
Noch blind im Geist zu seinem Leide,
Ergrimmte noch mehr in seinem Sinn,
Beschuldigte des Zaubers ihn,
Der ihn geheilt, und wollte in Band
Und Fessel ihn werfen an Fuß und Hand.

Doch Gott, der viel getreue,
Der alte und doch immer neue,
Der den Freunden Schutz verleiht,
Wenn er will, in rechter Zeit,
Er ließ auch Clemens' Leiden enden,
Daß ihn nicht durften schänden
Des bösen Herren Knechte.
Sie wollten nach ihrem Rechte
Clemens und die Seinen
Binden zu großen Peinen.
Doch blendete Gott ihren Sinn,
Daß sie Holz und Steine hin
Schleppten an der Christen Stelle,
Indessen zu der Kirche Schwelle
Clemens mit den Seinen kehrte
Und seinen Retter dankend ehrte.

Theodora, die Fraue gut,
Bat mit großer Demut
Den guten Gott so lang, bis er
Nach ihres Herzens Begehr
Bekehrte ihres Mannes Sinn.
Der sandte schnell zu Clemens hin
Und mit vierhundert der Seinen
Ließ er sich taufen von dem Reinen,
Entschlossen, Gott in jeder Not
Getreu zu sein bis auf den Tod.

Nun ward zu dieser selben Zeit
Der Gottesglaube weit und breit,
Daß es die Römer verdroß.
Genug von ihnen hatten bloß
Daran ihren Spott.
Mehr haßten noch den neuen Gott
Die Heidenpriester; diese störten
Den Frieden so, daß sich empörten
Die Bürger. Als Traianus dies
Erfuhr, der neue Kaiser, ließ
Er durch Tarquitianus, der
Sein strenger Frohnvogt war, nunmehr
Den Clemens zu Götzenopfern zwingen,
Und als er sie nicht wollte bringen,
Verbannen in ein Inselland,
Das Chersonesus ist genannt.
Zweitausend Christen mußten dort
Steine hauen an dem Ort
In großer Not zu ihrem Verderben,
Denn viele sah man sterben.
Gern sahen sie den guten Mann
Und hörten, was ihm war gethan
Von loser Leute Mute.
Clemens, der viel gute,
Gab ihnen Trost vom reichen Gotte
Und ließ dieser betrübten Rotte
Durch sein Gebet aus harten Kieseln
Das frischeste Quellwasser rieseln,
Das sie bisher mit vielen Plagen
Aus weiter Ferne mußten tragen.
Dies hohe Wunder aber kam
Vom wunderbaren Gotteslamm,
Das auf dem Felsen ihm erschien;
Zur rechten Stelle wies es ihn.
Durch dieses Wunder ließ in Haufen
Das hochbeglückte Volk sich taufen,
Brach alle Götzentempel nieder
Und baute schöne Kirchen wieder
Dem guten Christengotte
Nach heiligem Gebote.

Darauf jedoch über drei Jahr,
Seitdem Clemens von Rom weg war,
Da er sein Predigen nicht ließ,
Sandte Traianus einen, der hieß
Mamertinus, allzuhand
In dasselbe Inselland.
Der fing aus der Gemeine
Den Clemens ganz alleine,
Ließ ihn an einen Anker henken
Und also in das Meer versenken.
So kam Clemens um dies Leben;
Doch Gott hat ihm ewiges Leben gegeben.

Cornelius und Phoebus waren
Des Clemens' Jünger; mit klagenden Scharen,
Denn groß war Aller Schade,
Gingen sie zum Gestade,
Und flehten zu Gott mit treuem Mut.
Da sah'n sie, wie des Meeres Flut
Vor ihnen allgemach entwich
Und also ferne sich verstrich
In einer kurzen Weile,
Daß bis zur dritten Meile
Der Grund des Meeres trocken ward.
Sie gingen hin; auf diese Art
Fanden sie am Ende
Einen Tempel behende,
Gar schön und rein
Von Marmelstein,
Gemacht von Engels Handen.
Sie fanden und erkannten
Dort eine Arche lobesam,
Darinnen war der Leichnam
Gelegt von engelischer Hand,
Den Anker man dabei auch fand.
Und dieses Wunder, es geschah
Jährlich am Todestag; da sah
Man alles Wasser rückwärts wallen
Und offen jene Wunderhallen.
Und dies blieb, bis am siebten Tag
Das Meer zurücke wallen mag.
Und es geschah an einem Jahr,
Da kam auch eine Fraue dar
Mit ihrem Kind, das Wunder zu schauen.
Doch ach, da ging der armen Frauen
Ihr liebes Kind verloren, weh,
Als wieder rückwärts kam die See.
Man dachte, daß es ertrunken war.
Doch als wieder im nächsten Jahr
Die Frau zur Stätte wallte trauernd
Fand sie ihr Kind, vor Lust erschauernd,
Im Tempel schlafend frisch und heil.
Ihm dünkte diese lange Weil'
Wie eine Nacht: so wunderbar
Spielt Gott auf Erden immerdar.

Als später Christenglauben schwand
Aus diesem fernen Inselland,
Da blieb auch bald das Wunder aus,
Und es zerfiel das Tempelhaus,
Bis daß ein Priester lobesam
Die Stätte fand und mit sich nahm
Den Leichnam, der mit großem Ruhm
Nun kam nach Rom ins Heiligtum.

Nun wollen auch wir mit Innigkeit
Bitten, daß uns zur Seligkeit
Sankt Clemens kehre, auf daß wir droben
Im ewigen Leben den Herren loben.

Papst Clemens, 23. Nov. 100. Passional II. S. 642.


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