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Andreas

Andreas, der gute Mann,
Jesu Christo unterthan
In Lust des ewigen Gutes,
War so sanften Mutes,
Daß er der Sanftmütige war genannt.
Als Erstberufener ist er bekannt,
Der zu Jesus, dem Gotteslamm,
Auf des Täufers Wort hinkam,
Worauf er den Bruder Petrus hin
Zum Heiland brachte mit gläubigem Sinn.
Bei der Aposteltrennung fuhr
Er bis nach Scythien, zur Flur,
Wo jetzo Rußland liegt und Polen,
Wie ihm der heilige Geist befohlen;
So predigte er und lehrte.
Matthäus aber kehrte
Damals nach Burgundia.
Ihm widerstanden die Heiden da,
Weil er angriff ihren Göttergraus.
Sie brachen ihm die Augen aus
Und ließen ihn mit Schlägen
In einen finstern Kerker legen.

Ein lichter Gottesengel kam
Und rief dahin Andream,
Daß er sich aufmache zuhand
Und wandern solle in das Land,
Wo Matthäus gefangen war.
Da sprach Andreas fürwahr:
»Herr, dazu bin ich bereit;
Doch kenne ich nicht den Weg so weit,
Den man wandern soll dahin.«
Da sprach der Engel wider ihn:
»Steh' auf ohne Gegenwehr
Und geh' hinab an das Meer!
Das erste Schiff im Hafen dort
Besteige; es wird alsofort
Dich hinüberbringen!«

Und Gott gab das Gelingen.
Andreas kam mit treuem Sinn
In des Matthäus Kerker hin,
Und auf der zwei Apostel Fleh'n
Ließ Gott den Blinden wieder seh'n.
Matthäus schied gesund von hinnen.
Andreas blieb im Lande drinnen
Und predigte das Gotteswort
Frei und unbekümmert fort.

Darüber entbrannte das Volk gar sehr
Auf Sankt Andreas, und nunmehr
Wurde auch er als Feind erfunden,
Von ihnen ergriffen und gebunden.
Doch Gott erhörte ihn.
Frei ging Andreas hin
Und zog dann nach des Geistes Rat
Gen Antiochien in die Stadt,
Wo eines edlen Heiden Sohn
Aus Lust nach Gottes Reich und Thron
Bei Andreas bleiben wollte.
Vater und Mutter aber grollte.
Die ganze Freundschaft sah man rennen,
Sie wollten Andreas' Haus verbrennen.
Jedoch gelang es dem edlen Kind,
Das Feuer zu löschen. Und stockblind
Mußten die Leute von dannen weichen.
Durch dasselbe Zeichen
Geschah es, daß mancher zum Glauben kam,
Dem der Apostel die Blindheit benahm.

Nach Nicäa kam er dann.
Dort hausten, sagte man ihm an,
Sieben Teufel an dem Wege,
Die längs dem Gehege
Die Straße allda hüteten
Und gegen die Leute wüteten.
Da beschwor des Heiligen Wort
Die ungefügen Teufel dort.
Und sie kamen zur Stunde
In der Gestalt wie sieben Hunde.
Er bannte sie von dannen,
So daß die Leute Glauben gewannen.

Als er in eine andere Stadt
Bald darauf durch die Pforte trat,
Geschah ein ander Wunderding.
Einen toten Jüngling
Trug man hinaus zum Grabe.
Er fragte, was er gelitten habe.
Da hörte er die Kunde,
Daß sieben ungeheure Hunde
In das Haus kamen,
Den Jüngling nahmen
Und ihn bissen zu Tod'.
Da Andreas vernahm die Not,
Erkannte er nach solchen Mären,
Daß dies die Höllenhunde wären,
Die er dort bannte. Der Gottesbote
Sprach sein Gebet hin zu Gotte:
Da erstund der Knabe vom Tod,
Und die ganze Stadt glaubte an Gott.

Vierzig Männer, die dieses hörten
Und zu Schiffe hinkehrten,
Begierig nach des Heiles Kunde,
Gingen bei einem Sturm zu Grunde.
Nur ihre Leichname warf das Meer
Bald darauf an die Küste her.
Als Andreas dies erfuhr,
Daß sie um Christi Willen nur
Herkamen, wollte er den Leuten
Zu ihrem Heile bedeuten,
Gott wäre doch ein guter Gott.
Er sprach sein Gebet; und vom Tod
Standen die Vierzig auf, dem Leben
Und dem Heile wiedergegeben.

Also war Andreas
Dem Lande gar ein Spiegelglas
In der Lehre und in der Zucht.
Heiligen Samens hohe Frucht
Warf er aus hie und da.
So kam er nach Achaia,
In die Stadt, Patras genannt.
Ägeas herrschte in dem Land;
Dessen Hausfrau vernahm gar gern
Die Predigt von dem Himmelsherrn.
Sie und viel des Volks empfingen
Die Taufe. Als von diesen Dingen
Ägeas hörte, ließ er kommen
Zu sich den auserwählten Frommen,
Und also sprach zu ihm Ägeas:
»Was du da lehrest, o Andreas,
Das ist gar ohne Weisheit
Und von der rechten Wahrheit weit.
Drum konnte auch dein Meister den Tod
Nicht meiden und die schmählichste Not.
Sein eigner Jünger hat ihn verraten.
Wer hat erduldet schimpflichere Thaten?«
»Nein«, sprach Andreas, »den seligsten Tod
Hat er erwählt nach des Vaters Gebot;
Der soll gebenedeiet sein!
Der leuchtenden Sonne Schein
Wurde verkehrt in finstere Nacht
Vor dieses Todes strahlender Pracht.«

Da sprach der Fürst: »Des Kreuzes Ehr'
Hast du gepriesen allzusehr,
Dir selber zu großem Schaden.
Sei denn zu gleicher Ehre geladen!
Ich will dich so zum Hohne
Krönen mit gleicher Krone.«

Andreas, der viel gute,
Mit liebelichem Mute
Sprach da fröhlich zu ihm:
»Ei, reicher Fürst, nun vernimm,
Mir soll vor solchem Tod nicht grauen!
Du solltest mir auch wohl vertrauen:
Wenn du des Kreuzes Ehre
Empfingst in rechter Lehre,
Das wär' dein seligster Gewinn.«
Da sprach Ägeas wider ihn:
»Je mehr der Rede mir wird gesagt,
Je mehr sie mir auch mißbehagt.
Bringe den Göttern Opfer und Leben,
So will ich dir guten Frieden geben!
Wenn nicht, laß ich ans Kreuz dich binden;
So magst du also finden
Durch lange Not langen Tod.«

Und dies geschah, wie er gebot.
Man schleppte ihn mitten durch die Stadt,
Daß rings das Volk zusammentrat.
Es sah ihn von sich scheiden
Mit innigem Mitleiden.
Er aber tröstete sie mit Mute.
Als er das Kreuz ersah, das gute,
Da sprach er, ohne zu erbleichen:
»Gegrüßet sei, du edles Zeichen!
Ich kann mich dein nur freuen,
Mich schrecket nicht dein Dreuen.
Du bringst mich ja in kurzer Frist
Vor meinen Meister Jesus Christ!«

Man band ihn; er trug's ohne Klage.
So hing er an dem Kreuz zwei Tage
Mit ausgerecktem Leib, der Held;
Schief war das Marterkreuz gestellt.
Der Edle aber sprach
Zum Volk trotz allem Ungemach.
Wohl Zwanzigtausende vernahmen
Die Lehre, die zum Kreuz hinkamen.
Sie wollten ihn befreien
Mit Aufruhr und mit Schreien,
So daß Ägeas aus Furcht und Gram
Selber hin zum Kreuze kam.
Ihm rief Andreas sterbend zu:
Ȁgeas, sag', was kommst du?
Bringt dich her die Reue?
Gott lohn' dir's, der getreue!
Nur mich zu lösen bitt' ich nicht;
Dem Herrn folg' ich nach meiner Pflicht.«

Weinend stand das Volk umher;
Ihn zu lösen, war aller Begehr.
Andreas aber, zum Tode bereit,
Sprach dies Gebet in seinem Leid:
»Geruhe, Herr, mir nun zu geben
Durch dieses Kreuz ein neues Leben!
Nimm zu dir deinen Knecht,
Und gieb der Erde an mir ihr Recht!
Ich habe lange genug getragen
Diese Bürde ohne Klagen.
Mache mich davon ledig und frei,
Daß ich ewig bei dir sei!«

Da kam auf ihn ein lichter Schein
Vom Himmel, und die Seele rein
Ward von ihm genommen,
Um mit Freuden hinzukommen
In des Himmelreiches Leben.

Eine Frau stand daneben;
Gut war ihr Herz und rein ihr Wille,
Sie hieß Maximille;
Die begrub den Leib mit Ehren.

Da zu Hause wollte kehren
Ägeas, der böse Mann,
Da kam der Höllengeist heran
Und drückte ihn also, daß er starb.
Er fuhr dahin, wonach er warb.

Man sagt, daß von Andreas' Grab
Öl und Manna floß herab,
So lang es noch war an dem Ort.
Jetzt ist es aber längst schon fort.
Nach Konstantinopel wurde der gute
Leib gebracht, allwo er ruhte,
Bis man ihn hat nach Amalfi gebracht;
Dort wird er bis jetzt verehrt und bewacht.

Andreas, 30. Nov. 64 oder 95? Passional S. 200 f.


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