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Adrian und Natalia

Beglückt, wer solch ein Weib gefunden,
Das ihm in todesbangen Stunden
Die Heldenkraft noch stärkt und mehrt
Und jeden Zweifel scheucht und wehrt!

Adrian, ein getreuer Held,
War mit Ehren zugezählt
Den edelsten im römischen Reich.
Noch war er Heide, den andern gleich.
Ihm ward ein junges, reiches Weib
Zur Ehe gegeben von schönem Leib,
Natalia genannt, die war
Christ zugeschworen ganz und gar.
Wo einer der Christen gefangen lag,
Den tröstete sie gar treu und pflag
Der Kranken lieblich. Nur ein Jahr
War so vermählt das edle Paar,
Als der Kaiser Maximian
Gen Nikomedien kam heran.
Er wollte seinem Gotte dort
Opfer bringen, auch an dem Ort
Nach Christen spähen. Man suchte fleißig
Und ergriff deren dreiunddreißig.
Denen ließ der Kaiser den Mund
Mit Steinen zerschlagen, daß auf den Grund
Ihnen die Zähne fielen, und dann
In Fesseln schlagen Mann für Mann.

Diese Martern ohnegleichen
Begannen Adrians Herz zu erweichen.
Er ging zu einem Christen hin
Und fragte ihn mit treuem Sinn,
Woher er solche Zuversicht
Schöpfe, daß die Pein ihn nicht
Wankend mache. Und der Christ
Eröffnete ihm zur selben Frist
Also die Augen, daß Adrian
Zu jenen sich stellte und begann
Mit fröhlicher Stimme zu schreien:
»Ich bin ein Christ! Mit diesen Treuen
Will ich sterben und auch leben!«

Dem Kaiser ward davon Kunde gegeben.
Ohn' Maßen ward sein Leid und Zorn,
Daß der Ritter war verlor'n.
Er ließ ihn in den Kerker werfen
Und der Christen Strafen verschärfen.

Als Natalia dies vernahm,
Wie froh sie in den Kerker kam!
Sie kniete vor ihrem Herren hin
Und sprach: »Wohl mir, daß endlich dein Sinn
Den einzigen Schatz gefunden hat,
Der dir noch fehlte in der That!«

Nataliens Sorge war nunmehr,
Daß Adrian fest blieb. Wie sehr
Erschrak sie, als er vor dem Tage,
Der bestimmt war ihm zur Plage,
Aus dem Kerker kam zu ihr!
Versperren wollte sie die Thür
Vor ihm; der Treue aber sprach:
»Natalia, halte mich nicht der Schmach
Für fähig, daß ich dem Tod entflieh'!
Ich kam nur her, um von dir hie
Abschied zu nehmen, bevor ich sterbe.«
Zum Kerker kehrte der Gotteserbe,
Der leichtlich hätte fliehen können.

Man sah nun das Volk zum Richtplatz rennen.
Natalia ging an des Gatten Seiten
Und mahnte ihn zu allen Zeiten,
Daß er fröhlich ginge
Und die Krone empfinge.
Dann ging sie auch zu den anderen hin
Und stärkte eines Jeden Sinn.

Geschlagen und gepeinigt kehrte
Zum Kerker wieder die bewährte
Bekennerschar. Natalia
Und manche edle Fraue da
Pflag nun der Wunden. Als davon
Der Kaiser hörte, ließ er bedroh'n
Alle Frau'n, die zum Kerker kämen.

Da ließen es sich die Frauen nicht nehmen,
Ihr Haar zu verschneiden; im Männergewand
Pflegten sie wieder mit milder Hand
Die Wunden, bis endlich der Kaiser befahl,
Den Gefangenen allzumal
Arme und Füße abzuhauen.
So starben sie, bestärkt von den Frauen.
Die Leichen wollte der Kaiser verbrennen.
Gott aber ließ seine Macht erkennen;
Er löschte durch einen Regen den Brand.
Da nahmen die Frauen allzuhand
Die Leichen und begruben sie
Bei der Stadt Byzanz allhie.
Natalia behielt allein
Den Arm des Gatten, ihr Trost zu sein.

Als so ihr edler Gatte starb
Und ein anderer Fürst um sie warb
– Es war des Kaisers Gunst und Wille –
Entfloh sie eilig in der Stille
Mit andern Christen nach Byzanz.
Ein Traumgesicht voll Himmelsglanz
Hatte ihr diese Flucht geraten.

Durch des Satans arge Thaten
Hätte ein Sturm auf hoher See
Die Flüchtigen bald gebracht in Weh
Und Schrecken; aber da erschien
Adrian selbst und führte sie hin,
Auf einem Schifflein vor ihnen schwebend
Und ihnen hohe Freude gebend
Mit süßer Stimme im Märtyrerglanz,
Bis in den Hafen von Byzanz.

Dort ging Natalia zu seinem Grabe
Und legte den Arm, ihre liebste Habe,
Zum anderen Leib. Hier starb die Gute
Am Hügel, darunter ihr Gatte ruhte.
Er nahm sie mit sich wie im Traum
Hinauf zum hellen Himmelsraum
Fort von den Leiden dieser Erde.
O, daß uns gleiche Tröstung werde!

Adrian, 4. März oder 8. Sept. 290. Passional II. S. 460.


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