Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Die Mahrt als rollendes Rad

(A. Haas)

In einer Herbstnacht ging ein älterer Mann von Levenhagen (Kreis Greifswald) nach einem Nachbardorfe und benutzte, um sich den Weg abzukürzen, einen Richtsteig, der an einem nassen Graben entlang führte und an der Grabenseite mit geköpften Weiden besetzt war. Der Mond stand schon etwas tief am Himmel, verbreitete aber doch noch eine ziemliche Helligkeit, so daß man auf eine Entfernung von 40 bis 50 Schritten alles deutlich übersehen konnte.

Wie nun der Mann auf dem schmalen Steig vorwärts ging, sah er plötzlich ein rollendes Rad in schnurgerader Richtung und mit außerordentlicher Schnelligkeit auf sich zukommen. Lange Zeit, um sich erst zu besinnen, hatte der Mann nicht, und als das Rad neben ihm rollte, steckte er, kurz entschlossen, seinen Handstock durch das Loch in der Mitte des Rades und brachte das Rad dadurch zum Stillstand. Da er sich sagte, daß solch ein Rad immerhin einigen Wert habe und in der Wirtschaft gut zu gebrauchen sei, so schwenkte er es sich mit Hilfe des Handstockes auf die Schulter und ging weiter. Kaum aber hatte er zwei oder drei Schritte vorwärts getan, so hörte er eine weibliche Stimme an seinem Ohre, die raunte ihm die Worte zu:

Lat mi loopen
Entlang de Wieden!
Ick möt nah Boltenhagen
Un minen Leewsten moarrieden!

Da setzte der Mann das Rad auf die Erde und zog seinen Stock aus dem Loch heraus. Kaum war das geschehen, so sauste das Rad mit Windeseile davon und war in wenigen Augenblicken seinen Augen entschwunden.


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