Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Der Kobold auf der Mühle

(A. Kuhn)

Auf einer einsamen Wassermühle im Lande Teltow wohnte, wie es heißt, einmal ein Müller ganz allein. Bei dem klopfte es an einem stürmischen und regnerischen Abend an das Fenster, und als der Müller fragte, wer da wäre, antwortete eine Stimme: »Um Gottes willen laßt mich herein, ich habe mich verirrt und komme sonst um in dem furchtbaren Wetter!« Der Müller nahm die Lampe und öffnete die Haustür, fuhr aber erschrocken zurück; denn vor ihm stand neben einem Manne ein schwarzes Ungetüm. »Ach, erbarmt Euch,« sagte der Mann, »ich bin ein Bärenführer und weiß mit meinem Tiere nicht mehr, wo aus und ein. Gönnt mir ein Plätzchen zum Nachtquartier!«

Der Müller kraute sich hinter die Ohren und sagte: »Ja, für Euch hätte ich wohl einen Platz auf der Ofenbank in meinem Stübchen, wenn Ihr damit zufrieden sein wollt. Aber wo soll ich mit eurer wilden Bestie hin? Einen Stall habe ich nicht, und in die Stube können wir das Tier doch nicht nehmen!« –

»I,« antwortete der Mann, »können wir ihn nicht in die Mühle bringen? Schaden am Korn und Mehl könnte er Euch ja nicht tun, und übrigens lege ich ihn ja auch an die Kette!«

»Das ginge wohl,« meinte der Müller, »aber ich muß Euch sagen: dort ist es nicht richtig, es spukt in der Mühle ein Kobold umher, der mir seit Jahren gebranntes Herzleid angetan, er rumort dort die ganze Nacht umher, schüttet die Kornsäcke aus, streut das Mehl umher und treibt noch sonst allerlei Unfug und Mutwillen!«

»Ei,« rief der Bärenführer, »was schadet das? Meinem Bären wird der Kobold nichts anhaben, der wird sich schon seiner Haut wehren. Nehmt uns nur auf, ich bitte Euch!«

Gesagt, getan. Der Bär wurde in die Mühle gebracht, und dem Führer bereitete der Müller ein Lager auf der Ofenbank.

Mitten in der Nacht erwachten die beiden Männer von einem furchtbaren Rumoren in der Mühle. Es ging dort kopfüber und kopfunter, und dazwischen hörte man das tiefe Brummen des Bären und hie und da ein Quieken und jämmerlich Grunzen. »Horch,« sagte der Müller, »da hat der Kobold sich an den Bären gemacht.«

»Das wird allein sein eigner Schaden sein«, lachte der Bärenführer.

»Ja,« wollte Gott,« seufzte der Müller, »daß der Bär meinem Plagegeist recht ordentlich den dicken Kopf zurechtsetzte!«

Noch ein heller Schrei, dann war alles still, und die Männer schliefen wieder ein.

Am Morgen fand man den Bären wohlbehalten in der Mühle, und nachdem der Müller seine Gäste noch mit Speis' und Trank erquickt hatte, zog der Fremde mit seinem Bären unter herzlichem Danke von dannen. Und siehe, von Stund' an ließ sich kein Kobold mehr in der Mühle sehen. Der Bär mußte es ihm verleidet haben.

Wer war glücklicher darüber als der Müller?

So ging wohl ein ganzes Jahr hin. Da, an einem dunklen Abende, als der Müller still in seiner Stube saß, öffnete sich leise die Tür, und zum Schrecken des Müllers steckte der Kobold seinen unförmlichen Kopf in die Stube und sagte: »Möllä, Möllä, lewet juwe grote schwarte Katt noch?« Rasch faßte sich der Müller und rief: »Jo!, de lewet noch und hett sewen Junge kreegen!« Da schlug der Kobold entsetzt die Tür zu und ist seitdem nie wiedergekommen.


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