Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Schiffer Gau und sein Puk

(Brüder Grimm)

In Barth lebte ein Schiffer, Hinrich Gau, das war der glücklichste und verwegenste Schiffer in der ganzen Ostsee, dem lief aber auch alles zu Faden. Er unterstand sich, was kein anderer Schiffer wagte, und die Leute sagten, er könne mit allen Winden segeln, und wenn er wollte, auch gegen den Strom. So war er denn immer der erste auf dem Platz und machte die besten Fahrten und wurde in wenigen Jahren ein reicher Mann; wenn von ihm die Rede war, so hieß es immer nur: »Der reiche Schiffer« oder »Der reiche Gau«.

Das Ding hatte aber so seinen eigenen Haken; denn die Leute munkelten so was von einem blanken Käfer oder einer grünen Pogg (Frosch) in einem Glase. Das war sein Puk, der ihm den Wind und das Glück machte, und die Matrosen wollten das düwelsche Ding zuweilen gesehen haben, wenn's steif wehte oder gefährlich düster war; dann lief's als ein klein winzig Jüngelken, sagten sie, in einer schwarzen Jacke, eine rote Mütze auf dem Kopf, auf dem Schiff herum und sah' alles nach, oder säß' auch als ein alt gries Männeken, mit einer kreideweißen Perücke auf dem Kopf, am Steuerruder, guckte nach dem Himmel und wies' dem Schiff den Weg. Sie erzählten auch, der Schiffer pflegte seine blanken und grünen Düwelskameraden in seiner Koje sehr splendide in einem aparten Schrank, in den kein Mensch seine Nase reinstecken dürfte; da trüge er ihnen immer süßen Muskatwein und Rosinen und Feigen hin.

Das Glück war so schon manchen schönen Tag mit dem Schiffer Gau auf der Fahrt gewesen, und er verstand seine Geisterkens zu regieren, daß es eine Art hatte; die gehorchten ihm aufs Kommando. Aber zuletzt versah er sich doch einmal. Er war mit einer reichen Ladung aus England gekommen, und sein Schiff lag auf dem Strom der Sundschen Reede vor Anker. Nun war er einen Tag in die Stadt gefahren und – Gott weiß, wie's kam – in ein wüstes Gelage geraten; da hatten sie zu tief ins Glas geguckt, und Gau vergaß darüber Schiff und Puk und die ganze Welt.

So hatte unser Schiffer zwei geschlagene Tage in Stralsund vertrunken und seine Dinger derweile hungern lassen; da waren die zuletzt wild geworden, hatten die Gläser zerbrochen, worin sie saßen, und bliesen jetzt einen Sturm auf, daß das Schiff anfing, mit allen Segeln zu spielen und sich von allen Ankern losriß. Da gab's ein großes Geschrei, viele Schiffer kamen herangelaufen und auch Schiffer Gau. Der kriegte sich flugs ein paar von seinen Matrosen und noch einige Waghälse heran, löste sein Boot, ließ die Riemen (Ruder) knarren und rief: »Frisch, Jungens! Frisch! Wenn ich an Bord komme, dann sollen meine Kerls wohl wieder ins Loch; sie kennen mein Kommando wohl!«

Und Gau kam richtig an das Schiff, das küselte (kreiselte) sich immer nur so rundum, als wenn's in einem Strudel stäk. Alle andern Schiffe rührten sich nicht, als wenn für sie keine Luft wehte, und es war ein ganz mojes (ruhiges) Wasser. Aber der kecke Gau hatte sich diesmal zuviel zugetraut. Seine Bürschchen waren von dem langen Hungern ganz aus Rand und Band und ließen sich von ihm weder locken noch hissen. Sie machten immer gewaltigeren Sturm und tollere Wirtschaft und küselten zuletzt so arg, daß Schiff und Schiffer mit Mann und Maus zugrunde gingen.


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