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Die Grafen zu Lynar, welche lange im Besitz des Schlosses zu Lübbenau sind, haben in ihrem Wappen eine gekrönte Schlange, worüber man folgende Sage erzählt: Bei Lübbenau befanden sich in den vielen Armen der Spree unzählige Wasserschlangen, die aber gänzlich unschädlich waren und deshalb auch von niemandem gefürchtet wurden. Auch in jedem Hause sollen sich sogenannte Hausschlangen, eine männliche und eine weibliche, befunden haben, die man aber nur sah, wenn der Hausherr oder die Hausmutter gestorben war. Alle diese Schlangen sollen aber einen König gehabt haben, welcher auf dem Kopfe an zwei gebogenen Haken eine elfenbeinerne Krone trug.
Als nun der erste Graf zu Lynar aus Italien nach der Niederlausitz kam, um sich dort niederzulassen, hörte er auch von dem Schlangenkönig und seiner unschätzbaren Krone. Da er aber ein mutiger und schlauer Mann war, so sann er darüber nach, wie er wohl in den Besitz dieser Krone gelangen könne. Nun wurde ihm mitgeteilt, daß der Schlangenkönig, wenn er mit seinen Kameraden im Sonnenscheine auf den Wiesen spiele, die Krone ablege, und zwar gern auf weiße Gegenstände. Er begab sich also an einem schönen, sonnigen Maitage auf die Wiese, in deren Nähe jetzt das Schloß steht, breitete ein großes, weißes Tuch auf dem Boden aus und versteckte sich dann, nachdem er zuvor ein kräftiges Roß bestiegen hatte, um schnell entfliehen zu können, hinter einem Erlengebüsch. Da kam nun auch richtig der Schlangenkönig und mit ihm ein Gefolge der größten und schönsten Schlangen. Er legte seine Krone auf das Tuch, und dann schlängelten sie sich alle den Berg hinan, um dort oben nach Herzenslust zu spielen. Kaum hatten aber die Schlangen den Plan verlassen, so war der Ritter zur Stelle, faßte das Tuch mit der Krone an seinen vier Zipfeln zusammen, schwang sich wieder auf sein Roß und jagte davon. Augenblicklich hörte er aber auch ein scharfes Pfeifen hinter sich; die Schlangen kamen vom Berge herabgeschossen, aus dem Wasser strömten noch viele andere zu Hilfe, und alle eilten ihm nach und waren bald hinter ihm. Da kam der Ritter bei seiner Flucht auf einmal an eine große Mauer, welche ihm den Weg versperrte. In seiner Todesangst hatte er keine Zeit zum Überlegen; er setzte seinem Pferde die Sporen in die Weichen, mit den letzten Kräften flog es über die Mauer und stürzte zusammen. Graf Lynar war gerettet; denn hierher konnten ihm die Schlangen nicht folgen. Er nahm nun die Krone und verkaufte sie; aus dem Erlöse erwarb er sich die Herrschaft Lübbenau und nahm zum ewigen Andenken die Schlange mit der Krone, dazu die Mauer, in sein Wappen auf.
Seit dieser Zeit will man den Schlangenkönig nur ganz selten gesehen haben, und überhaupt hat sich die Zahl der Schlangen in jener Gegend sehr vermindert. Vor etwa hundert Jahren will ein Fischer in einem alten mit Weiden besetzten Graben, unweit des Schlosses, eine große Schlange mit etwas weißem auf dem Kopfe unter einer Menge von Fischen mit aus dem Wasser gezogen haben. Wie es nun die dortigen Leute gewohnt sind, so schlägt auch der Fischer mit dem Steuer nach dieser Schlange, um sie zu töten. Da soll diese auf einmal einen gellenden Pfiff getan haben, und augenblicklich ist der ganze Graben schwarz von Schlangen gewesen, die sich an seinem Ruder in die Höhe schlängelten und sich in seinen aus einem Eichenstamm ausgehöhlten Kahn drängten. In seiner Angst springt er aus dem Kahne aufs Land und läuft, so schnell er kann, davon, die Schlangen alle hinter ihm drein. Zum Glück fällt es ihm ein, seine Jacke auszuziehen und von sich zu werfen. Auf diese stürzen sich nun die Schlangen wie rasend, und inzwischen entkommt er. Die Jacke aber fand man nach mehreren Tagen in dem alten Graben durch und durch zernagt, eine Warnung, wie es ihm ergangen sein würde, wenn sie ihn erwischt hätten. Er soll sich seit dieser Zeit wohl gehütet haben, die unschuldigen Tiere zu seinem Vergnügen zu töten. Jene Schlange soll aber der Schlangenkönig gewesen sein, der nur noch die Haken am Kopfe, aber keine Krone mehr gehabt hat. Man hat ihn seitdem nicht wiedergesehen.