Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Von Stätten und Geschlechtern

Die Göttin Hertha

(A. Haas)

In der Stubbenkammer auf Rügen, etwa zehn Minuten vom Königsstuhl entfernt, liegt in stiller Waldeseinsamkeit ein aus vorgeschichtlicher Zeit stammender Burgwall, die sogenannte Herthaburg, und unmittelbar daneben ein fast kreisrunder Waldsee, der Herthasee. In dem Burgwall hat in heidnischen Zeiten der Tempel der weithin berühmten Göttin Hertha gestanden, die hier ihren Wohnsitz hatte. Zur Zeit der Ernte fuhr die Hertha von hier aus auf einem mit Kühen bespannten Wagen durch das Land und wurde überall, wohin sie kam, mit Jubel und Frohlocken empfangen; denn die Menschen wußten, daß die Göttin durch ihr Erscheinen ihren Feldern Fruchtbarkeit und ihren Herden Gedeihen brachte. Nach dem Umzuge badete die Göttin im Herthasee, und ebenso wurde der Wagen, auf welchem sie den Umzug gehalten hatte, in den Fluten des Sees gewaschen. Alle Diener und Dienerinnen, welche hierbei hilfreiche Hand leisteten, wurden nach Beendigung der heiligen Handlung im Herthasee ertränkt, damit sie von den Zeremonien, die sie gesehen hatten, nichts ausplauderten. Darum hat auch von jeher ein geheimnisvolles Dunkel über dem Kult der Göttin Hertha geschwebt. Die Geister der ehemals im See Ertränkten sollen sich noch jetzt zur Nachtzeit am Ufer des Herthasees blicken lassen. Auch erzählt man, daß der See bis auf den heutigen Tag alljährlich ein Menschenleben als Opfer fordere.


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