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Vor Zeiten hausten auf dem Schlosse in Soldau böse Geister, die jeden, der um Mitternacht in ihre Gewalt geriet, festhielten und zur Dienstbarkeit zwangen. Einst hatte ein Bauer aus der Umgegend in der Stadt mehr gezecht, als er vertragen konnte. Als er nach Hause taumelte, kam er vom Wege ab und geriet auf den Schloßhof. Er wußte nicht, wo er sich befand, und legte sich zum Schlafe nieder. Da schlug die Uhr Mitternacht, und er fühlte, wie er unsanft an den Beinen gepackt und über steinerne Stufen in ein Kellergewölbe geschleppt wurde. Der Schreck gab ihm die Besinnung wieder, und er begann flehentlich zu bitten: »Laßt mich doch los, ich gebe euch auch hundert Taler!«
Doch davon wollten die Geister nichts wissen. Erst als er ihnen das versprach, was ihm zu Hause zuerst entgegenkommen würde, ließen sie ihn frei. Er hoffte, das würde ein Hund sein, aber er hatte sich verrechnet. Noch zitterte er am ganzen Leibe, als er endlich vor seinem Hause stand und an die Tür pochte. Der treue Hund war nirgends zu sehen, und es öffnete ihm seine einzige Tochter, wie der Sturmwind waren die Geister da, faßten sie und trugen sie durch die Luft zum Schlosse.
Dort wurde das Mädchen in strenger Gefangenschaft gehalten und mußte den Geistern dienen. Weil es fleißig und treu war, durfte es bald frei im Schlosse umhergehen. Nach langer Zeit entdeckte es einen unterirdischen Gang, der ins Freie führte. Es wagte hineinzugehen und kam endlich auf eine Wiese, auf der ein junger Schäfer seine Herde weidete. Die Jungfrau bat ihn, sie zu erlösen. »Du kannst mich befreien,« sagte sie, »wenn du mich, ohne ein Wort zu sprechen, die Schloßtreppe hinabträgst und jedem meiner Wächter, die in Tiergestalt auf den Stufen liegen, einen Kuß gibst.« Gerührt von ihrer Schönheit und ihrem Flehen, willigte der Schäfer ein. Sie führte ihn durch den Gang ins Schloß. Dort nahm er sie auf den Rücken und schritt der Treppe zu. Auf jeder Stufe lag ein ekler Wurm; aber er überwand sich und küßte sie alle.
Als er aber zur letzten Stufe kam, saß dort eine große Kröte. Die war über und über mit häßlichen Warzen bedeckt, und der giftige Geifer floß ihr aus dem breiten Maule. Als sie den Schäfer mit ihren roten Augen tückisch anfunkelte, entfuhr ihm ein Ruf des Abscheus. Da fühlte er einen fürchterlichen Stoß, der ihn zu Boden warf, von Geisterhänden gepackt, verschwand das Mädchen von seinem Rücken. Siech und zerschlagen kehrte er heim. Die Jungfrau aber blieb in der Gewalt der Geister und harrt noch immer ihres Erlösers.
Noch heute soll sich um Mitternacht im Schloßhof eine schöne Jungfrau zeigen, die verzweiflungsvoll die Hände ringt und laut jammert und klagt, daß ihre Gefangenschaft noch immer kein Ende hat.