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Es war einmal ein junges Ehepaar, das lebte zwar in bescheidenen, aber in ruhigen und glücklichen Verhältnissen. Einst war das Holz in dem kleinen Haushalte ausgegangen. Da sprach der Mann zu seiner Frau: »Mutter, gehe zur Stadt und hol' uns Ettsch (d. i. Essig)! Dann wandern wir morgen in den Wald, und während du Blumen pflückst, haue ich uns das nötige Brennholz ab.« Die Frau tat, wie der Mann gesagt hatte, und nachdem sie ein Gefäß mit Wasser und Essig gefüllt hatte, um den Durst zu löschen, begaben sich beide am folgenden Morgen in den Wald.
Mann und Frau waren seelenfroh, als sie in den schattigen Wald eintraten. Unter einer weitastigen Buche ließen sie sich nieder und verzehrten miteinander das einfache, aber gutschmeckende Frühstück. Dann ging der Mann an die Arbeit, die Frau aber pflückte sich Blumen und Kräuter; keiner von beiden ahnte, daß ein böses Verhängnis über ihnen schwebte.
Als der Mann eben dabei war, eine Eiche zu fällen, glitt die Axt von dem harten Stamme ab und fuhr ihm in den Leib, daß er auf der Stelle daran starb. Die Frau aber trat unversehens auf eine böse Natter, wurde von dieser gebissen und starb gleichfalls. Mitleidige Menschen, welche an der Stelle vorüberkamen, lasen die beiden Leichname auf und brachten sie nach dem nächsten Kirchdorfe. Dort wurde der Leichnam des Mannes vor der Kirche, derjenige der Frau hinter der Kirche beerdigt.
Aber die Liebe und Eintracht, welche zwischen den beiden Eheleuten im Leben geherrscht hatte, dauerte auch über das Grab hinaus fort. Denn bald wuchs aus dem Grabe des Ehemannes ein Rosenstrauch und aus dem Grabe der Frau ein Weinstock hervor. Beide rankten sich an der Kirche empor und wuchsen in kurzer Zeit so weit vorwärts, daß ihre Zweige ineinander verschlungen wurden. Das sah man als ein Zeichen an, daß die beiden so plötzlich verschiedenen sich auch nach dem Tode in inniger Liebe zugetan waren.