Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Der bestrafte Falscheid

(Kastner)

Vor sehr langer Zeit lebte zu Neiße ein habsüchtiger, gewissenloser Mann. Er borgte sich einmal von einem reichen Fleischer 300 Dukaten. Als dieser sie wieder verlangte, behauptete jener, er habe sie ihm schon zurückgegeben. Aber der Fleischer verklagte den treulosen Schuldner, und das Gericht verlangte von diesem, er müsse seine Aussage beschwören. Er zeigte sich sehr bereitwillig dazu, reichte einen dicken, schweren Stock, den er trug, seinem Gläubiger hin und bat ihn, er möge ihm doch diesen indes halten, damit er die Hände frei habe. Es war aber ein ausgehöhlter Stock, und der Mann hatte in denselben die schuldigen 300 Dukaten getan. Daher meinte er, er könne jetzt der Wahrheit gemäß beschwören, daß er dem Kläger das Geld wiedergegeben habe, und er leistete mit heiterer und ruhiger Miene den feierlichen Eid. Hierauf ließ er sich seinen Stock zurückgeben und verließ fröhlich das Gerichtszimmer zum größten Erstaunen des betrogenen Fleischers. Aber er sollte sich seines ungerechten Gewinnes nicht lange erfreuen. Als er über die Stiege hinabging, glitt er aus und stürzte hinab; der Stock zerbrach, die 300 Dukaten rollten heraus, und sein Betrug kam an den Tag; er selbst aber brach das Genick und starb so eines jähen Todes. Ein diesen Vorfall darstellendes Bild soll noch vor einiger Zeit in dem Gebäude des Neißer Fürstentumsgerichtes, der ehemaligen bischöflichen Residenz, zu sehen gewesen sein.


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