Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Der Steigbügel im Hohen Tor zu Belgard

(A. Haas)

In Belgard ist von den beiden ehemaligen Stadttoren noch eins erhalten, das Hohe Tor oder Hösliner Tor. Es ist ein stattliches, ungefähr quadratisches Bauwerk mit spitzbogiger Durchfahrt. An der inneren Decke des Torbogens ist ein Eisen eingemauert, an welches eine bis ins 15. Jahrhundert zurückgehende Sage anknüpft.

Die Belgarder lagen im Streit mit den damals zu Brandenburg gehörenden Schivelbeinern; geraubtes Vieh soll die Veranlassung zu der Zwistigkeit gegeben haben. Der Streit wurde durch einen heißen Kampf auf der Langenschen Heide am 15. Juli 1469 zum Austrage gebracht: die Schivelbeiner trugen unter Anführung des Ritters Christoph von Polentzke den Sieg davon und führten hundert Belgarder als Gefangene mit sich fort; 300 Belgarder blieben tot auf dem Schlachtfelde. – Der Kampf ist in einem alten Volksliede besungen, dessen Anfang so lautet:

Umb einen Dingstag id geschach,
Dat man Polentzken thende (ziehen) sach;
polentzke wol mit den Sinen
Hentoch (hinzog) in dat Belgardsche Land;
De Köh wolde de ehm nehmen.

Zum Schluß wenden sich die Belgarder Frauen an ihren ruhmlos zurückkehrenden Bürgermeister Carsten von Wopersnow mit der Frage, wo er ihre Männer gelassen habe; darauf antwortet Carsten:

Se sind erschlagen up der Langschen Heyden!
Ick wet Ju (Euch) nicht einen betern Rat
Den (als): wol de (wer etwa) heft einen dergliken Knechte,
Dat se men em nheme to echte!

Trotzdem diese Worte zweifellos bezeugen, daß die Belgarder in der Schlacht unterlagen, so schrieben sie sich in späterer Zeit doch – ebenso wie die Schivelbeiner – den Sieg zu, und das im Tor eingemauerte Eisen gaben sie als eine in der Schlacht erbeutete Kriegstrophäe aus: es sollte der riesige Steigbügel sein, welchen der auf einem Ochsen reitende Bürgermeister von Schivelbein in der Schlacht benutzt habe, welchen er aber den siegreichen Belgardern überlassen mußte. Rudolf Virchow – 1821 in Schivelbein geboren – berichtet: Als ich im Jahre 1844 in Belgard war, hatte eine Schar von Schwalben das große Siegeszeichen so dicht mit ihren Nestern überzogen, daß keine Spur von dem Steigbügel mehr zu sehen war. Jetzt ist das Eisen wieder frei sichtbar, aber es gehört einige Phantasie dazu, um in ihm einen Steigbügel zu erkennen; ebenso gut kann das Eisen auch zum Befestigen einer Klappe des Torflügels gedient haben.


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