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Esch war ein Mensch impetuoser Haltungen. Deshalb war jede Lappalie imstande, ihn zur Selbstaufopferung zu bringen. Sein Wunsch geht nach Eindeutigkeit: er möchte eine Welt formen, deren Eindeutigkeit so stark ist, daß seine eigene Einsamkeit daran festgebunden wäre wie an einem eisernen Pfahl.
Huguenau war ein Mensch, der sich den Wind um die Nase hatte wehen lassen; selbst wenn er im luftleeren Raum daherkam, pfiff ihm der Wind um die Nase.
Da gab es einen, der flüchtete vor seiner eigenen Einsamkeit bis nach Indien und Amerika. Er wollte das Problem der Einsamkeit mit irdischen Mitteln lösen, – er war ein Ästhet und deshalb mußte er sich umbringen.
Marguerite war ein Kind, ein in einem Geschlechtsakt gezeugtes Kind, behaftet mit der Erbsünde und allein gelassen in der Sünde: es mag vorkommen, daß jemand ihm zunickt und es fragt, wie es heiße, – aber solch flüchtige Anteilnahme wird es nicht mehr retten.
Kein Gleichnis, das nicht wieder nur durch ein Gleichnis ausgedrückt werden muß, – steht das Unmittelbare am Anfang oder am Ende der Gleichnisreihe?
Gedicht des Mittelalters: die Gleichnisreihe hebt bei Gott an und kehrt zu Gott zurück, – sie schwebt in Gott.
Hanna Wendling wünschte eine Ordnung der Dinge, in deren schwebendem Gleichgewicht das Gleichnis zu sich selbst zurückkehrt wie in einem Gedicht.
Der eine nimmt Abschied, der andere desertiert, – alle desertieren sie aus dem Chaos, doch bloß einer, der niemals gebunden war, wird nicht erschossen.
Es gibt nichts Hoffnungsloseres als ein Kind.
Wer in der geistigen Vereinsamung ist, vermag sich noch in die Romantik zu retten, und aus der seelischen Vereinsamung führt immer noch ein Weg zum Du des Geschlechts, – doch für die Einsamkeit an sich, für die unmittelbare Einsamkeit läßt sich die Rettung ins Gleichnis nicht mehr finden.
Major v. Pasenow war ein Mensch, der sich mit aller Inbrunst nach der Vertrautheit der Heimat sehnte, nach einer unsichtbaren Vertrautheit in den sichtbaren Dingen. Und seine Sehnsucht war so stark, daß das Sichtbare Schicht um Schicht ins Unsichtbare versank, das Unsichtbare aber Schicht um Schicht im Sichtbaren.
»Ach«, sagt der Romantiker und zieht sich das Kleid eines fremden Wertsystems an, »ach, nun gehöre ich zu euch und bin nicht mehr einsam.« – »Ach«, sagt der Ästhet und zieht das gleiche Kleid an, »ich bleibe einsam, aber es ist ein schönes Kleid.« Der ästhetische Mensch stellt innerhalb des Romantischen das böse Prinzip dar.
Das Kind ist mit jedem Ding sofort vertraut: es ist ihm unmittelbar und in einem Atem doch Gleichnis. Daher die Radikalität des Kindes.
Wenn Marguerite weinte, so geschah dies bloß aus Wut. Nicht einmal mit sich selber hatte sie Mitleid.
Je einsamer der Mensch wird, je gelockerter das Wertsystem, in dem er sich befindet, desto deutlicher wird sein Tun vom Irrationalen her bestimmt. Der romantische Mensch, geklammert an die Formen eines fremden und dogmatisierten Wertsystems, ist – man möchte es nicht glauben – durchaus rational und unkindlich.
Das Rationale des Irrationalen: ein anscheinend absolut rationaler Mensch wie Huguenau vermag Gut und Böse nicht zu unterscheiden. In einer absolut rationalen Welt gibt es kein absolutes Wertsystem, gibt es keine Sünder, höchstens Schädlinge.
Auch der Ästhet unterscheidet nicht Gut und Böse, deswegen fasziniert er. Doch er weiß sehr wohl, was gut und was böse ist, er will es bloß nicht unterscheiden. Und das macht ihn verworfen.
Eine Zeit, die so rational ist, daß sie unausgesetzt flüchten muß.