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Der Rebell darf nicht mit dem Verbrecher verwechselt werden, mag auch die Gesellschaft den Rebellen oft als Verbrecher brandmarken, mag auch der Verbrecher sich manchmal als Rebell ausgeben, um seine Taten zu adeln. Der Rebell steht allein: treuester Sohn der Gemeinschaft, die ihm Ziel der Opposition und Auflehnung ist, ist dem Rebellen die bekämpfte Welt eine Fülle lebendiger Beziehungen, deren Fäden bloß durch teuflische Bosheit in Verwirrung gebracht worden sind, und die zu entwirren und nach eigenem besserem Plane zu ordnen seine Aufgabe wird. So protestierte Luther gegen den Papst, und Esch war mit Fug als Rebell zu bezeichnen.

Dies ist aber noch lange kein Grund, um dagegen Huguenau als Verbrecher zu beschimpfen. Man würde ihn damit nicht nur beleidigen, sondern ihm auch bitteres Unrecht zufügen. Vom militärischen Standpunkt aus ist ein Deserteur natürlich ein Verbrecher, und sicherlich gibt es überzeugte Soldaten, die den Deserteur mit der gleichen Intensität verabscheuen wie etwa ein Bauer den Hühnerdieb, und gleich dem Bauern werden sie bloß in der Todesstrafe eine gerechte Ahndung des Frevels erkennen. Nichtsdestoweniger besteht hier ein prinzipieller und objektiver Unterschied: das Wesentliche eines Verbrechens liegt in seiner Wiederholbarkeit; in seiner Wiederholbarkeit ist es nichts anderes als ein bürgerlicher Beruf. Das Verbrechertum ist nur in sehr loser Form gegen die Gesellschaft gerichtet, selbst wenn sein Kampf gegen die Bürgerlichkeit amerikanische Formen annimmt; der Dieb und der Wechselfälscher wüßten mit der Ausrufung des Kommunismus wenig anzufangen, und der Schränker, der des Abends auf leiser Gummisohle sein Handwerk auszuüben geht, ist ein Handwerker wie jeder andere, er ist konservativ wie jeder Handwerker, und sogar der Beruf eines Mörders, der, das Messer zwischen den Zähnen, die unbequeme Mauer hinauf klimmt, ist nicht gegen die Gesamtheit gerichtet, sondern ist bloß ein persönliches Geschäft, das der Mörder mit seinem Opfer auszutragen hat. Nichts kehrt sich gegen das Bestehende. Vorschläge zur Verbesserung oder Milderung des Strafrechts sind niemals von den Verbrechern angeregt worden, so sehr es doch sie vor allen anderen anginge. Käme es auf die Verbrecher an, man würde noch immer Diebe und Falschmünzer an den Galgen hängen, und man wäre noch nicht einmal so weit, Mord von Totschlag zu unterscheiden, obwohl die Verbrecher sonst für Nuancen ihrer Berufsausführung ein feines Gefühl besitzen und es gerne sehen, wenn die Rechtspflege ihren verfeinerten Abschattungen und Ansprüchen sich anpaßt; aber eben weil es ihnen Bedürfnis ist, daß für jene Tat der Galgen, für jene das Rad und die glühende Zange, für jene die Rute oder das Stockhaus erkannt werde, eben durch diese unbeholfenen Wünsche, die im Grunde nichts anderes sind als das Gestammel ungebildeter Menschen, die sich nicht richtig ausdrücken können und schwerfällig, sozusagen in Symbolen nach etwas verlangen, das bloß ein kleiner Teil dessen ist, wonach ihr Herz steht und das kaum erfaßbar ist, eben dadurch wird es deutlich, wohin ihr Wunsch zielt: daß das von ihnen bewohnte Land, dieses Land an der Grenze einer Welt voller guter Ordnungen, daß es einbezogen werde in jene größere, gute, fast geliebte Ordnung, die zu ändern nicht vonnöten ist, – und wenn die Verbrecher diese Einbeziehung und Verknüpfung bloß mittels eines Gefüges wohlgeordneter scharfer Strafen sich vorstellen können, so ist daraus zu ersehen, daß sie soziale und sehnsüchtige Naturen sind, lediglich von der Begierde erfüllt, Grenzstreitigkeiten zu vermeiden, ihrem Beruf in Ruhe nachzugehen und immer klagloser, lautloser, ja feinnerviger sich einzupassen in den Dienst, welcher der gesamten Ordnung und dem Bestehenden gilt.

Rebell und Verbrecher, sie beide bringen ihre Ordnung, ihre eigenen Wertgebilde an das Bestehende heran. Während aber der Rebell das Bestehende unterjochen will, sucht der Verbrecher sich ihm einzufügen. Der Deserteur gehört weder zu dem Bereich des einen, noch zu dem Bereich des andern, oder er gehört beiden an. Dies mochte Huguenau fühlen, da er nun vor der Aufgabe stand, seine eigene kleine Welt und Wirklichkeit am Rande der größeren Ordnung zu errichten und in sie einzupassen, und wenn er es auch bejahte, daß Deserteure zum Tode des Erschießens verurteilt werden, so lag dies vorderhand abseits, und es war nicht sinnlos, nicht sinnloser als die Sprache seiner Träume, daß der »Kurtriersche Bote« sich ihm wie ein Teil einer großen Maschine darstellte, wie ein Messinggelenk, in dem die Gestänge ineinandergreifen, wie ein Punkt, in dem das Land seines Gesetzes an jenes grenzte, dessen Gesetze er achtete und liebte, in das er eindringen und in dem er wohnen wollte. Und all diese Motive hatten es für Huguenau so überaus notwendig gemacht, den »Kurtrierschen Boten« zu erobern, machen es aber auch erklärlich, daß ihm die Aktion so überaus glücklich gelungen war.

 


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