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Des Deutschen Volkes Schicksalswende
Betrachtungen von
Stadtkommandant Major Joachim v. Pasenow
Dann verließ ihn der Teufel und sieh, die Engel
traten hinzu und dienten ihm.
Matth. 4, 11
Wenn auch der Wechsel in der Leitung dieser Zeitung nur ein geringeres Ereignis ist neben dem gewaltigen, dessen Jahrestag wir nun in Bälde zum vierten Male werden begehen können, so dünkt mich, daß, wie so oft, wir auch hier die kleinere Begebenheit als Spiegel des größeren Geschehens zu betrachten hätten.
Denn stehen wir auch mit unserer Zeitung an einem Wendepunkt und haben wir auch die Absicht, einen neuen und besseren Weg einzuschlagen, der uns näher zur Wahrheit führen soll, haben wir auch die Zuversicht, daß uns dies, soweit menschliche Kraft zu · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
wo ist der Teufel, den es aus der Welt zu jagen gilt, wo die Engel, die wir zur Hilfe herbeirufen wollen? Einem alten Soldaten geziemt es, seine Meinung geradeheraus zu sagen, auf die Gefahr hin, daß sie manchmal als unzeitgemäße Sprache klingen · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
Umklammerung der Feindvölker zu befreien, sondern auch das Vaterland und mit ihm die ganze Welt von dem schändlichen Geiste zu erlösen, der die Erde · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
nicht wunder nehmen, daß die Völker mit hundertfältiger Zwietracht und tausendfacher Zerrissenheit bestraft werden. Denn an dem Gliede, mit dem du gesündigt hast, sollst du gestraft werden.
Ich höre den Einwand, daß wir solcherart die Strafe einfach hinzunehmen, die Geißel zu erdulden, dem Peiniger auch die zweite Backe hin – · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · gleichwie der Kampf Luthers gegen das verderbt gewordene Papsttum ein gerechter Kampf war. Lehrt uns doch unser Meister Clausewitz, daß zu den Waffen des Krieges der Geist der Gerechtigkeit gehört, der · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · es von unserem Kampfe heißen soll: »Aus Schrecken vor ihm flohen seine Feinde, alle Übeltäter wurden bestürzt, und die Rettung liegt in seiner Hand« (Makkabäer III. 6), so darf es nicht auf die Verfolgung der fliehenden Feinde ankommen, sondern auf die Rettung, auf die Rettung des eigenen wie des fremden Volkes. Wir wären kurzsichtig, und wahrlich, es wären alle Opfer umsonst gewesen, wenn solches leichtfertig und Gottes · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · besitzt jene äußere Freiheit, die wir erringen müssen, bloß wenn ihm gleichzeitig die innere höhere und wahrhaft göttliche Freiheit geschenkt wird. Und diese erringen wir nicht auf den Schlachtfeldern, so siegreich wir auch auf diesen sein mögen, sondern wir finden sie nur in unseren Herzen. Denn die innere Freiheit ist gleichberechtigt mit dem Glauben, den die Welt zu verlieren sich anschickt. So ist dieser Krieg nicht bloß · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · nach der Schrift? »Gute fromme Werke machen nimmermehr einen guten frommen Mann, sondern ein guter frommer Mann macht gute fromme Werke«, berichtet Luther von der Freiheit eines Christenmenschen, und er sagt weiter dazu: »So denn die Werke niemand fromm machen, und der Mensch muß fromm sein, ehe er die Werke tut, so ist offenbar, daß allein der Glaube aus lauteren Gnaden durch Christum · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · und sagte Johannes (III. 30) »er muß wachsen, ich aber muß abnehmen«, so war es der Krieg, der wachsen mußte, da der Glauben abnahm, und ehe der Glauben nicht aufs neue geboren wird und sich entfaltet, eher wird auch dieser Krieg kein Ende zu finden vermögen. Das Böse um des Bösen willen · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · und fast mutet es uns an, als müßten sich erst die schwarzen Heerscharen über die ganze Welt ergießen, damit aus dem Feuer der Apokalypse die neue Brüderlichkeit und Gemeinschaft erstehen könne, damit wieder das Reich Christi errichtet und zu neuer und herrlicher · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · schwarze Truppen, versehen mit unritterlichen Waffen, gegen uns aufgeboten werden, so ist es nur ein Vortrupp. Ihm folgt der schwarze Heerbann, folgt der Apokalypse Johanni Schrecken. Denn solange die weiße Rasse die Trägheit des Gefühls nicht zu überwinden und von sich · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · Ehre nimmt, es ist ein verlorenes Geschlecht, und es wird die furchtbare Dunkelheit um sie sein, und keiner wird kommen, Hilfe zu leisten, und ihrer · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · das Gift der Gottesleugner und Abenteurer, das nicht nur die stolzen Metropolen der Feinde durchseucht, hat auch unser Vaterland nicht verschont. Wie ein unentwirrbares Netz liegt es unsichtbar über unseren Städten · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · gleichwie erst der glorreiche Feldzug anno 70 kommen mußte, um die zerrissenen deutschen Stämme zu einen, so wird es der Ruhm dieses viel größeren und schrecklicheren Krieges sein, nicht nur Stämme brüderlich geeint zu haben, sondern gleichermaßen · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · auch der Glaube und die Gnade der Freiheit wieder unser sein. Dann kann es heißen: »Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann Untertan«, sowie »Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand Untertan«, es wird alles beides gelten, und darunter haben wir uns die wahre Freiheit vorzustellen.
Ich weiß nicht, ob ich mich recht verständlich habe machen können, mußte ich doch selbst lange ringen, um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, und bin doch überzeugt, daß sie stückhaft sind. Aber auch hier mag gelten, was General Clausewitz sagte: »Der herzzerreißende Anblick von Gefahren und Leiden läßt das Gefühl leicht ein Übergewicht über die Verstandesüberzeugung gewinnen, und im Dämmerlicht aller Erscheinung ist eine tiefe, klare Einsicht so schwer, daß ihr Wechsel begreiflicher und verzeihlicher wird. Es ist immer nur ein Ahnen und Herausfühlen der Wahrheit, nach dem gehandelt wird.«
So setzte sich Major v. Pasenow mit dem Problem des Krieges und der deutschen Zukunft auseinander, und es kam ihn hart an. Der Krieg, für dessen Gewerbe er erzogen worden war, der Krieg, für den er eine Jugend lang die Uniform getragen und für den er sie vor vier Jahren wieder angelegt hatte, der Krieg war plötzlich keine Angelegenheit der Uniformen mehr, keine Angelegenheit der Blauhosen und Rothosen, keine Angelegenheit feindlicher Kameraden, die ritterlich die Klingen kreuzen, der Krieg war weder Krönung noch Erfüllung eines uniformierten Lebens geworden, sondern hatte unbemerkt und doch immer fühlbarer dieses Lebens Grundlagen erschüttert, hatte dessen moralischen Zusammenhalt fadenscheinig gemacht, und durch die Maschen des Gewebes grinste das Sündige. Des Sündigen Herr zu werden reichten die in der Kadettenanstalt Culm geschulten geistigen Kräfte nicht aus, und dies war nicht weiter erstaunlich, da selbst die Kirche, trotz ihres besseren Rüstzeuges die Antinomie des Sündenfalls nicht restlos zu meistern versteht. Aber was Augustinus als Heil der irdischen Welt vorgeschwebt, was vor ihm die Stoiker schon erträumt hatten, die Idee des Gottesstaates, der alles in sich aufnimmt, was Menschenantlitz trägt, diese erhabene Idee, sie leuchtete durch das Bild herzzerreißender Gefahren und Leiden, sie war – eher ein Gefühl denn eine Verstandesüberzeugung, eher ein Dämmerlicht als eine tiefe klare Einsicht – auch in der Seele des alten Offiziers aufgekeimt, und so zog sich eine zwar verschwommene und manchmal verzerrte, aber immerhin verfolgbare Linie von Zeno und Seneca, vielleicht sogar schon von den Pythagoräern bis zu den Gedankengängen des Majors v. Pasenow.