Anonym
Der Heliand
Anonym

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Die Auferstehung

                                                            Nicht lange währt' es noch,
So kam der Geist   durch Gottes Kraft,
Der heilige Odem   unter den harten Stein
In den hehren Leichnam.   Das Licht war erschlossen
Allen Menschen zum Heil   und mancher Riegel
Am Höllentor gehoben   und zum Himmel gebahnt
Der Weg von dieser Welt.   Wonnig auferstand
Das Friedenskind Gottes   und fuhr den lichten Weg,
Obwohl die Wächter   es nicht gewahrten,
Die starken Streiter,   als er vom Tod erstand,
Von der Rast sich errichtete.   Die Recken saßen
Außen um das Grab,   die Judenleute,
Die geschildete Schar.   Vorwärts schritt schon
Das klingende Sonnenlicht,   da kamen die Frauen
Zum Grabe gegangen,   die guten Weiber,
Die minnigen Marien.   Sie hatten manche Mark
Für Salben nicht geschont,   Gold und Silber gespendet
Für die wonnigsten Würzen,   die sie gewinnen mochten,
Daß sie den Leichnam   des lieben Herrn
Dem Sohne Gottes   salben möchten,
Den wundgerissenen.   Die Weiber standen
In ängstlichen Sorgen:   die eine fragte,
Wer ihnen den starren   Stein vom Grabe
Wälzen würde,   den sie über den werten Leib
Die Leute legen sahn,   als der Leichnam ward
Dem Felsen befohlen.   Die Frauen waren kaum
In den Garten gegangen,   nach dem Grabe dort
Selber zu sehen,   im Sause kam da
Des Allwaltenden Engel   oben aus der Heitre
Im Federkleid gefahren,   daß das Feld erklang,
Die Erde dröhnte   und die dreisten Knechte
Schwachmütig wurden,   der Juden Scharwächter:
Sie fielen hin vor Furcht;   nicht ferner wähnten sie
Am Leben zu bleiben.   Da lagen die Wächter,
Die Gesellen scheintot:   sieh, da hob sich
Der große Stein vom Grabe,   wie ihn der Gottesengel
Auf die Seite drehte.   Auf die Decke setzte sich
Der hehre Bote Gottes.   Von Gebärden war er,
Von Antlitz, möcht ihm einer   unter die Augen schauen,
So blinkend und blendend   wie des Blitzes Licht;
Sein Gewand war am gleichsten   winterkaltem Schnee.

Da sahen sie ihn vor sich   sitzen, die Frauen,
Auf dem gewendeten Steine.   Sein wonniger Schein
Schuf ihnen Angst   und Schrecken allen.
Vor Furcht und Grausen   wagten sie fürder nicht
Zum Grabe zu gehen,   bis der Engel Gottes,
Des Waltenden Bote,   sie mit den Worten grüßte,
Er wisse gar wohl,   weswegen sie kämen,
So Werk als Willen   und der Weiber Sinn.
Sie sollten sich nicht entsetzen:   »Ihr suchet den Herrn,
Den Nothelfer Christ   von Nazareth,
Den ans Kreuz geschlagen,   zu Tode quälten
Die Judenleute;   begraben ward er hier,
Der Sündenlose.   Nun ist er selbst nicht mehr hier,
Ist auferstanden:   die Stätte ist leer,
Das Grab im Grunde.   Geht doch getrost
Näher nur:   Verlangen nimmt euch ja,
In den Stein zu schauen.   Noch ist die Stätte sichtbar,
Wo sein Leichnam lag.«   Erleichterung empfanden
Alsbald in der Brust   die bleichen Frauen,
Die wunderschönen Weiber.   Sie freuten sich des Worts,
Da sie sagen hörten   von ihrem Herrn
Des Allwaltenden Engel.   Der hieß sie nun eilends
Vom Grabe gehen   zu den Jüngern Christs,
Seinen Gesellen zu sagen   mit sichern Worten,
Daß ihr Herr sich erhoben   habe vom Tode;
Insonders sollten sie   dem Simon Petrus
Die Wonnebotschaft   zu wissen tun
Von des Herren Kommen:   sie fänden den Christ
In Galiläa:   da sollten ihn die Jünger,
Seine Gesellen, sehen,   wie er selbst es verheißen
Mit wahren Worten.

                                    Wie nun die Frauen wollten
Von dannen gehen,   da begegneten ihnen
Zwei andre Engel   in allweißen
Wonnigen Gewanden,   die wandten das Wort an sie
Heiliglich.   Das Herz ward erblödet
Den Frauen vor Angst.   Sie mochten die Engel Gottes
Vor Schimmer nicht schauen:   ihnen war des Scheines Licht
Zu hell und heftig.   Da huben an
Des Waltenden Boten   die Weiber zu fragen,
Warum sie kämen,   den lebendigen Christ
Bei den Toten zu suchen,   »den Sohn des Herrn,
Der voll des Lebens ist?   Ihr findet ihn nicht hier
In diesem Steingrab:   erstanden ist
Zum Leben sein leiblich Teil,   glaubet uns
Und gedenkt der Worte,   die er wahrhaft oft
Euch selber sagte,   als er gesellt euch ging
In Galiläa:   gegeben werden
Sollt er selber   sündigen Menschen,
Hassenden, in die Hände,   der heilige Herr,
Daß sie ihn quälten,   ans Kreuz ihn schlügen,
Vom Leben lösten;   doch lebend durch Gottes Kraft,
Sollt er am dritten Tag   erstehn, dem bedrängten
Volk zur Freude.   Das ward nun all erfüllt,
Den Leuten geleistet.   Nun laßt euch nicht säumen,
Geht jählings hin,   es den Jüngern kundzutun.
Er fuhr schon voran,   ist fort von hier
In Galiläaland,   wo seine Jünger ihn wieder
Sehen sollen,   seine Gesellen.«
Die Frauen freute,   die frohe Kunde zu hören,
Gottes Kraft verkünden.   Doch waren sie noch beklommen,
Von Furcht befangen.   Sie eilten nun, fort
Vom Grabe zu gehen,   und sagten den Jüngern Christs
Ihr seltsam Gesicht,   da, wo sie sorgend saßen,
Solcher Botschaft harrend.

                                                Zu der Burg inzwischen
Gingen der Juden Wächter,   die bei dem Grabe
Die lange Nacht gelegen,   des Leichnams dort,
Der Hülle zu hüten.     Da boten ihnen Geschenke
Die Judenleute,   in Gold und Silber
Schätze spendend,   daß sie es nicht weitersagten,
Der Menge nicht meldeten:   »Sagt, als euch müde
Der Sinn entschwebte,   da kamen seine Gesellen
Und stahlen ihn aus dem Steine.   Standhaft bleibt dabei,
Führt es durch mit Fleiß.   Wenn der Volksfürst davon
Hört, so helfen wir euch,   daß er euch Harm nicht tut,
Nichts zur Last euch legt.«   Da nahmen sie von den Leuten
Die schönen Geschenke:   verschweigen mußten sie
Die Wahrheit weiterhin   und bewährten sich auch willig,
Vor den Leuten im Lande   solche Lüge zu verbreiten
Über den heiligen Herrn.

                                              Geheilt war das Herz
Den Jüngern Christs,   denen die guten Frauen
Von Gottes Macht gemeldet.   Mit erfreutem Gemüt
Gingen zu dem Grabe da   Johannes und Petrus
In aller Eile.   Zuerst kam an
Der gute Johannes:   am Grabe stand er schon,
Als schleunig daherschritt   Simon Petrus,
Der kraftberühmte Recke,   und rasch sich bereitete,
In das Grab zu gehen.   Da sah er des Gotteskindes,
Seines holden Herren,   Hüllen noch dort,
Die linnenen, liegen,   die den Leichnam ihm lieblich
Zuvor umfangen.   Unferne lag das Tuch,
Mit dem das Haupt verhüllt war   dem Heiligen Christ,
Dem mächtigen Herrn,   als er hier geruht.
Da ging auch Johannes   in das Grab hinab,
So Seltnes zu schauen.   Erschlossen ward ihm
Sogleich der Glaube,   ans Licht der Welt
Sei sein teurer Herr   vom Tod erstanden
Aus der Erde Schoß.   Da eilten von dannen
Johannes und Petrus,   alle Jünger Christs
Um sich zu sammeln.


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