Anonym
Der Heliand
Anonym

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Die Weisen aus Morgenland

                                                                        Die Mär erscholl
In der Welt nicht weiter,   als sein Wille ging,
Des Himmelsherrn Gedanke.   Ob heilige Männer schon
Den Christ erkannten,   doch ward es am Königshof
Nicht den Mannen gemeldet,   die im Gemüte
Ihm Huld nicht hegten.   Verhohlen blieb es ihnen
Mit Worten und Werken,   bis westwärts von Osten her
Hochbegabte   gegangen kamen,
Schneller Degen   drei zu dem Volke
Auf langem Wege   über das Land dahin.
Sie folgten glänzendem Zeichen   und suchten Gottes Kind
Mit lauterm Herzen,   hinzuknien vor ihm,
Seine Jüngerschaft bekennend.   Sie trieb Gottes Kraft
Dahin, wo sie Herodes,   den Herrscher, fanden
In seinem Saale sitzen,   auf Arges sinnend,
Hochmütig bei den Mannen,   den mordgiergen Mann.
Sie grüßten ihn höflich,   wie dem Herrscher gebührte,
In seinem Saal nach Sitte.   Da fragt' er sie schnell,
Welche Absicht   sie nach außen brächte,
Die Wege zu wandern.   »Führt ihr gewunden Gold
Zur Gabe dem Gönner,   zu dem ihr gegangen kommt,
Gefahren zu Fuße?   Von ferne kommt ihr doch,
Andrer Völker Fürsten:   denn vornehm scheint ihr geboren,
Gutem Stamm entsprossen;   nie kamen uns noch solche
Boten von andern Völkern,   seit ich hier gewalte
Dieses weiten Reichs.   Drum sagt mir in Wahrheit
Vor diesen Leuten,   warum ihr zu diesem Lande kamt.«

Da gaben ihm zur Antwort   die östlichen Männer,
Weise von Worten:   »Der Wahrheit nach mögen wir
Unser Gewerbe   dir wohl berichten,
Frei bekennen,   warum wir gefahren kommen
Von Osten der Erde.   Edle lebten einst,
Seligsprechende,   die uns Segen viel,
Hilfe verhießen   vom Himmelskönig
Mit wahren Worten.   Ein Wissender darunter,
Erfahren und weise,   war in früher Zeit
Unser Ahn im Osten;   kein andrer seitdem
War der Sprachen so kundig:   er kannte Gottes Wort,
Denn verliehen hatt ihm   der Leute Herr,
Daß er von der Erde   aufwärts vernahm
Des Waltenden Wort:   drum war das Wissen groß
In des Degens Gedanken.   Dann, als er sollte
Diese Wohnungen räumen,   der Verwandten Genossenschaft,
Der Leute Traum verlassen,   andres Licht zu suchen,
Und nun die Jünger   sich näher gehen hieß,
Die Erbwarte   und die Angehörigen,
Da sagt' er für sicher,   was seither geschah
Und ward in dieser Welt.   Ein weiser König,
Sagte der Seher,   sollte kommen
Ruhmvoll und mächtig   zu diesem Mittelkreis,
Von bester Geburt,   aus Gott geboren:
Der werde walten   in dieser Welt
Bis zu ewigen Tagen   der Erd und des Himmels.
Und am selben Tage,   wo ihn, den Seligen,
An diesem Mittelkreis   die Mutter gebäre,
Da sollte scheinen,   sagt' er, von Osten her
Ein heller Himmelsstern,   wie wir hier nie sahen
Zwischen Erd und Himmel   noch irgend anderswo
Solch Kind noch solch Zeichen.   Es zu verehren sollten dann
Dort aus dem Volke   drei Männer fahren:
Im Augenblick, da sie im Osten   aufsteigen sähen
Das Gotteszeichen,   sollten sie gegürtet sein
Und wir ihm dann folgen,   wie es fürder ginge
Westlich über die Welt.   Das ist nun wahr geworden,
Durch Gottes Kraft gekommen.   Der König ist geboren
Stark und schön:   wir sahn sein Zeichen scheinen
Hell unter den Himmelssternen,   wie der Herr uns selber,
Der Mächtige, melden ließ.   Jeden Morgen sahen wir
Des Sternes Strahlenglanz:   wir folgten ihm stets
Auf waldigen Wegen;   unser Wunsch war nur,
Daß wir ihn selber sähen,   ihn zu suchen wüßten,
Den König, in diesem Kaisertum.   Nun künd uns, wo das Kind entsproß.«

Da ward dem Herodes   inwendig der Brust
Das Herz voll Harm,   ihm wallte heiß der Mut,
Die Seele mit Sorgen,   da er sagen hörte,
Daß er ein Oberhaupt   sollt über sich haben,
Einen kräftigern König,   von edler Abkunft,
Einen seligern unter dem Gesinde.   Versammeln hieß er da,
Was weiser Männer wär   in Jerusalem,
Die klügsten und kundigsten   Kenner in Sprachen,
Die in der Brust auch bärgen   der heiligen Bücher
Wahrhaftes Wissen.   Zu diesen gewendet fragte
Nun aufs genauste   der neidherzge Mann,
Der König des Landes,   wo Christ geboren
Werden sollte   im Weltreiche,
Der beste Friedenswart.   Der Frage antworteten
Die Weisen nach Wahrheit:   sie wüßten, er werde
In Bethlem geboren:   »so ist in den Büchern
Weislich verzeichnet,   wie die Wahrsager
Durch Gottes Kraft,   begabte Männer,
Hochweise Leute,   weiland sprachen,
In Bethlehem solle   der Burgen Hirte,
Der liebe Landeswart   ans Licht gelangen,
Der reiche Berater,   der da richten soll
Über der Juden Volk   und seine Gabe teilen
Mild über den Mittelkreis   der Menge der Völker.«

Nun erfuhr ich, daß sofort   der falsche König
Der Wahrsager Worte   den Wallern sagte,
Die dahin aus der Heimat   als Herolde waren
So fernher gefahren.   Er fragte sie dann,
Wann sie im Ostenland   zuerst gesehen
Den Königsstern strahlen,   die Standarte leuchten
So hell am Himmel.   Nichts hehlen wollten sie,
Gaben redlich Bericht.   Da hieß er sie reisen,
Bis sie alles aufgefunden,   ihrem Auftrag gemäß,
Von des Kindes Kunst.   Der König gebot auch
Und erheischt' es hart,   der Herrscher der Juden,
Den weisen Männern,   eh sie von Westen führen,
Ihm kundzutun,   wo er den König sollte
In seinem Sitze suchen:   mit dem Gesinde dächt er dann
Den Gebornen anzubeten.   Alsbald ertöten wollt er ihn
Mit der Waffen Schärfe.   Aber der waltende Gott
Dachte anders zu dem Ding   und mochte mehr gedenken
Und leisten an diesem Licht:   das blieb noch lang ersichtlich,
Gottes Kraft ward kund.

                                            Strahlend klommen die Zeichen
Weiter zwischen Wolken.   Die Weisen waren
Fertig zu ihrer Fahrt:   da fuhren sie hin sofort,
Die Botschaft zu vollbringen,   den Gebornen Gottes
Selber aufzusuchen.   Des Gesindes war nicht mehr,
Die dreie nur; der Dinge   wußten sie doch Bescheid,
Die gottbegabten Männer,   die die Gaben brachten.
Weislich sahen sie wohl   unter der Wolken Wölbung
Auf zu dem hohen Himmel,   wie die hellen Sterne fuhren:
Da erkannten sie Gottes Zeichen,   die dem Christ zu Liebe waren
Dieser Welt gewirkt:   ihnen wanderten sie nach,
Folgten in Ehrfurcht.   Sie förderte der Mächtige
Weiter, bis sie gewahrten,   die wegmüden Männer,
Hell am Himmel   das hehre Gotteszeichen
Stillestehen.   Der Stern leuchtete
Hell über dem Hause,   wo das heilige Kind
Willig wohnte,   bewacht von der Jungfrau,
Die ihm demütig diente:   da ward der Degen Herz
Erquickt in ihrer Brust,   sie erkannten an dem Zeichen,
Daß sie das Friedenskind Gottes   gefunden hatten,
Den heiligen Himmelskönig.   Da in das Haus sie nun
Mit ihren Gaben gingen,   die Gäste von Osten,
Die fahrtmüden Fürsten,   sofort erkannten sie
Wohl den waltenden Christ.   Die Wanderer fielen
Vor ihm ins Kniegebet,   und in Königsweise
Grüßten sie den guten,   brachten die Gaben dar,
Gold und Weihrauch   nach den göttlichen Zeichen,
Und Myrrhen zumal.   Die Mannen standen bereit,
Hold vor ihrem Herren,   die mit Händen alles
Fröhlich empfingen.   Dann schieden die frommen
Recken zu ihrer Ruhe:   die reisemüden Männer
Gingen in den Gastsaal,   wo Gottes Engel
Den Schlafenden bei Nacht   ein Gesicht zeigte,
Ein Scheinbild im Schlummer,   wie es der Schöpfer selber,
Der Waltende, wollte,   als würd ihnen geboten,
Daß sie auf anderm Wege   gen Osten führen,
Zu Lande gelangten   und zu dem leiden Mann,
Herodes, nicht wieder   zurückekehrten,
Dem meinrätgen König.   Da nun der Morgen kam
Wonnig zu dieser Welt,   begannen die Weisen sich
Ihre Gesichte zu sagen   und erkannten selber
Des Waltenden Wort,   da sie Weisheit viel
Bargen in ihrer Brust.   Sie baten den Allwaltenden,
Den hehren Himmelskönig,   daß sie um seine Huld auch ferner
Seinen Willen dürften wirken,   denn zu ihm gewandt sei Herz
Und Mut allmorgenlich.   Da fuhren die Männer hin,
Die Gesandten von Osten,   wie der Engel Gottes
Sie mit Worten gewiesen,   einen andern Weg nehmend
Und Gottes Lehre folgend.   Dem Judenkönig wollten
Von des Neugebornen Geburt   die Boten von Osten,
Die gangmüden Gäste,   gar nichts melden, und heim
Wenden nach eigenem Willen.


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