Anonym
Der Heliand
Anonym

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Der Hauptmann zu Kapharnaum

                        Mit den Jüngern ging   vom Gastmahl nun
Christ nach Kapharnaum,   der Könige mächtigster,
Zu der herrlichen Burg.   Der Helden viel
Gingen ihm entgegen,   gute Männer,
Ein selig Gesinde,   seine süßen Worte,
Die heiligen, zu hören.   Ein Hauptmann kam ihm da
Entgegen, ein guter Mann,   und begehrte sehnlich
Des Heiligen Hilfe:   einen Hausgenossen hab er,
Einen Gliederlahmen,   schon lange Zeit
Siech in seiner Wohnung:   »den weiß kein Arzt
Mit Händen zu heilen.   Deiner Hilf ist ihm not,
Mein Fürst, mein guter.«   Das Friedenskind Gottes
Sprach ohne Säumen   ihm selber entgegen,
Daß er kommen wolle   alsbald, sein Kind
Der Not zu entnehmen.   Näher trat ihm da
Der Mann vor der Menge,   mit dem Mächtigen
Worte zu wechseln:   »Ich bin nicht würdig,
Herr, o guter,   daß in mein Haus du kommst,
Meine Wohnung besuchst.   Ich bin ein sündiger Mann
Mit Worten und mit Werken.   Ich weiß, daß du Gewalt hast,
Daß du von hier aus   wohl ihn heilen magst,
Mein waltender Herr.   Wenn du ein Wort nur sprichst,
Ist er erlöst von dem Leiden   und wird ihm sein Leib
Heil und rein,   so du ihm Hilfe verleihst.
Ich habe selbst zu befehlen,   habe Felder genug
Und Wiesen gewonnen;   zwar unter der Gewalt
Des Edelkönigs,   hab ich doch edles Gefolge,
Holde Heermänner,   die mir so gehorsam sind,
Daß sie nicht Wort noch Werk   verweigern werden,
Was ich sie leisten heiße   in diesem Lande:
Es zu vollführen,   fahren sie und kehren
Zu ihrem Herrn, die Holden.   Im Hause hab ich
Weiten Besitz wohl   und wonniges Gut,
Hochgesinnte Helden;   doch wag ich dich Heiligen nicht
Zu bitten, den Gebornen Gottes,   in meinen Bau zu kommen,
Meinen Saal zu besuchen,   weil ich ein Sünder bin
Und weiß, was ich verwirkte.«

                                                      Da sprach der waltende Christ,
Der gute, zu seinen Jüngern:   »Bei den Juden fand ich,
Unter Israels   Abkommen nirgend
Dieses Mannes Gleichen,   der solchen Glauben,
Also lautern   in diesen Landen
Hätte zum Himmel.   Noch laß ich euch hören,
Wie ich hier mit wahren   Worten euch sage,
Aus andern Völkern   von Osten und Westen
Mögen der Menschen   manche noch kommen,
Ein heilig Volk Gottes,   zum Himmelreiche
Und dürfen an Abrahams   und an Isaaks zumal
Und auch an Jakobs,   der guten Männer,
Busen rasten   und beides genießen,
Erwünschtes Wohl   und wonniges Leben
Und Gottes Himmelslicht,   wenn der Juden viel,
Dieses Reiches Söhne,   beraubt sein werden
Und teillos der Ehre   und sollen in düstern Tälern,
In dem alleruntersten   Abgrund liegen.
Heulen hören   mag man die Helden da
Und ihren Zorn   mit den Zähnen zerbeißen.
Denn da ist grimmiger Geist   und gieriges Feuer,
Harter Höllenzwang,   heiß und düster,
Ewig schwarze Nacht   der Sünde zum Lohn,
Den Werken der Bosheit,   dem, der nicht willens ist,
Sich erlösen zu lassen,   eh er dies Licht verläßt.
Von dieser Welt sich wendet.

                                                    Fahre nun, willst du,
Schleunig nach Hause;   du findest gesund daheim
Den kindjungen Mann,   sein Gemüt voll Lust.
Dein Sohn ist geheilt,   wie du heischtest von mir.
Es wird alles erfüllt,   wie du festen Glauben
Im Herzen hegtest.«   Dem Himmelskönige
Sagte der Hauptmann da,   dem allwaltenden Herrn,
Vor den Leuten Dank,   daß er in Bedrängnis ihm half,
Denn was er gewünscht,   hatt er alles erwirkt
Seliglich.   Da schritt er schnell dahin,
Wandte nach seinem Willen   sich wieder zur Heimat,
Zu Haus und Hof.   Da fand er heil den Sohn,
Den kindjungen Mann.   Christi Worte
Waren all erfüllt.   Er hatte Gewalt,
Zeichen zu zeigen,   erzählen mag es niemand
Noch erachten auf Erden,   was allein durch seine Kraft
In diesem Mittelgarten   Großes vollbracht ward
Und Wunders gewirkt,   denn in seiner Gewalt steht alles,
Himmel und Erde.


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