Anonym
Der Heliand
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Das Scherflein der Witwe

        Vor dem Weihhaus stand   der waltende Christ,
Der liebe Landeswart,   der Leute Sinn
Und Treiben betrachtend.   Viele kamen und trugen
In das heilige Haus   gar herrliche Schätze,
Begabten es mit Gold   und gutem Gewebe,
Köstlichem Schmuck:   Christ, unser Herr,
Gewahrt' es weislich.   Eine Witwe kam da auch,
Eine arme Frau,   und ging zu dem Fronaltar,
Legte da nieder   vor dem Schatzhause nur
Zwei eherne Pfennige,   einfältigen Herzens
Und guten Willens.   Da sprach der waltende Christ,
Der gute, zu den Jüngern:   »Der Gaben brachte sie
Mehr hiemit   als sonst ein Menschensohn.
Wenn begüterte Männer   zur Gabe trugen
Manchen Schatzes Hort,   so ließen sie mehr daheim
Des gewonnenen Wohlstands.   Diese Witwe nicht so:
Sie opferte dem Altar   alles, was sie hatte
An Reichtum errungen:   nicht das Geringste blieb ihr
Daheim in der Hütte.   Darum hat ihre Gabe
Mehr Wert vor dem Waltenden,   weil sie es so willig gab
An das Gotteshaus.   Das wird ihr vergolten
Mit langdauerndem Lohn,   daß sie solchen Glauben hat.«

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