Anonym
Der Heliand
Anonym

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Anbetung der Hirten

                                                    Da ward es manchem kund
Über die weite Welt.   Wächter erst erfuhren 's,
Die bei den Pferden   im Freien waren,
Hütende Hirten,   die bei den Rossen hielten
Und dem Vieh auf dem Felde.   Die sahn, wie die Finsternis
In der Luft sich zerließ   und das Licht Gottes brach
Wonnig durch die Wolken,   die Wärter dort
Im Felde befangend.   Da fürchteten sich
In ihrem Mut die Männer.   Sie sahen den mächtigen
Gottesengel kommen,   und gegen sie gewandt,
Befahl er den Feldhirten:   »Fürchtet nicht für euch
Ein Leid von dem Lichte!   Liebes«, sprach er, »soll ich
Euch in Wahrheit sagen   und sehr Erwünschtes
Künden, von mächtger Kraft:   Christ ist geboren
In dieser selben Nacht,   der selige Gottessohn,
Hier in Davids Burg,   der Herr der gute.
Des mag sich freuen   das Menschengeschlecht;
Es frommt allen Völkern.   Dort mögt ihr ihn finden
In der Bethlehemsburg,   der Gebornen Mächtigsten.
Zum Zeichen habt euch das,   was ich erzählen mag
Mit wahren Worten,   daß er bewunden liegt,
Das Kind, in einer Krippe,   ob ein König über alles,
Über Erd und Himmel   und der Erde Kinder,
Der Walter dieser Welt.«   Wie er das Wort noch sprach,
So kam zu dem einen   der Engel Unzahl,
Eine heilige Heerschar   von der Himmelsau,
Ein fröhlich Volk Gottes.   Viel sprachen sie,
Manches Lobwort   dem Herrn der Lebenden,
Erhoben heiligen Sang   und schwebten zur Himmelsau
Dann wieder durch die Wolken.   Die Wärter hörten,
Wie der Engel Schar   den allmächtigen
Gott mit wahrhaften   Worten pries:
»Lob sei«, lautete   das Lied, »dem Herrn
Hoch im höchsten   Reiche der Himmel
Und Friede auf Erden   den Völkern allen,
Den gutwilligen,   die Gott erkennen
Mit lauterm Herzen.«

                                      Die Hirten verstanden wohl,
Wes sie die Meldung,   die himmlische, mahnte,
Die fröhliche Botschaft.   Gen Bethlehem kamen sie
Bei der Nacht gelaufen:   ihr Verlangen war groß,
Dort selber zu schaun   den erschienenen Christ.
Sie hatte der Engel   wohl unterwiesen
Mit lichthellen Zeichen,   zweifellosen:
So konnten sie wohl kommen   zu dem Kinde Gottes.
Da fanden sie sofort   den Fürsten der Völker,
Der Leute Herrn.   Da lobten sie Gott,
Den Waltenden, weithin   nach der Wahrheit kündend
In der Bethlehemsburg,   welch Bild ihnen war
Her von der Himmelsau   heilig erschienen,
Fröhlich auf dem Felde.   Die Frau behielt
Das alles im Herzen,   die heilige Jungfrau,
Im Gemüte die Magd,   was die Männer sprachen.
Da erzog ihn in Züchten   die zierste der Frauen,
Die Mutter, in Minne,   den Gebieter der Menschen,
Das heilige Himmelskind.   Helden besprachen sich
Am achten Tage,   der Edeln manche,
Gutmeinende, mit der   Gottesdienerin,
Daß er Heiland zum Namen   haben sollte,
Wie der Gottesengel   Gabriel befahl
Mit wahren Worten   und dem Weibe gebot,
Der Gesandte des Herrn,   da sie den Sohn empfing
Wonnig zu dieser Welt.   Ihr Wille war stark,
Daß sie ihn so heilig   halten wollte:
Da willfahrte sie dem gern.


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