Anonym
Der Heliand
Anonym

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Berufung der Jünger

                                                                            Christ aber ging
Nach Galiläa,   Gottes eigen Kind,
Zu den Freunden wieder,   wo er geboren war,
Würdig erzogen.   Die Verwandten ermahnt' er da,
Christ, sein Geschlecht,   der Könige mächtigster,
Sie sollten nicht säumen,   ihre Sünden zu büßen,
Herzlich bereuen   manch harmwerte Tat
Und die Frevel tilgen:   »Erfüllt ist alles nun,
Was ehrwürdge Männer hier   vor alters sprachen,
Die euch Hilfe verhießen,   das Himmelreich.
Das naht euch nun durch des Heilands Kraft:   genieß es denn,
Wer da gerne will   seinem Gotte dienen,
Seinen Willen wirken.«   Des ward des Volkes viel,
Der Leute, lusterfüllt:   ihm wird die Lehre Christs
Süß, dem Gesinde.   Zu sammeln begann er nun
Begleitende Jünger,   aus guten Männern
Wortweise Helden.

                                  Er kam an ein Wasser,
Wo der Jordan hatte   bei Galiläa
Sich zum See gesammelt.   Da fand er sitzen
An dem Gewässer   Andreas und Petrus,
Die Gebrüder beide,   wo sie am breiten
See geschäftig   ihre Netze stellten,
In der Flut zu fischen,   als das Friedenskind Gottes
An des Sees Gestade   sie selber grüßte
Und sie ihm folgen hieß.   »So will ich euch viel
Des Gottesreiches geben.   Wie ihr jetzt in des Jordans Strom
Fische fanget,   sollt ihr fürderhin Menschenkinder
Mit Händen emporheben,   daß sie ins Himmelreich
Durch eure Lehre   geleitet werden,
Des Volkes viel.«   Da wurden frohgemut
Die Gebrüder beide,   Gottes Gebornen erkennend,
Den lieben Herrn.   Sie verließen alles,
Andreas und Petrus,   was sie bei der Ache hatten,
Dem Wasser, gewonnen.   Ihre Wonne war groß,
Daß sie mit dem Gotteskinde   gehen durften,
In seiner Gesellschaft,   und sollten dann seliglich
Lohn erlangen.   Allen Leuten lohnt' er so,
Die hier um die Huld   des Herren dienen,
Seinen Willen wirken.

                                        An dem Wasser gingen
Sie fürder und fanden   einen erfahrnen Mann
Bei dem See sitzen   und seine zwei Söhne,
Jakobus und Johannes,   noch junge Männer.
Söhn und Vater saßen   am Sande zusammen,
Flochten und flickten   mit fleißigen Händen
Ihre Netze genau,   die sie nachts zuvor
Im See verschlissen hatten.   Da sprach ihnen selber zu
Der selige Sohn des Herrn,   daß sie ihm gesellt,
Jakobus und Johannes,   beide gingen,
Die kindjungen Männer.   Da ward ihnen Christi Wort
So wert in dieser Welt,   daß sie an des Wassers Gestad
Ihren alten Vater   alleine ließen,
Den erfahrnen, bei der Flut,   und was sie ferner da hatten,
Netze und genagelte Schiffe,   und nahmen den Nothelfer Christ,
Den heiligen, zum Herrn.   Seiner Hilfe war ihnen not,
Und die zu verdienen.   Das ist es jeglichem
Wohl auf der weiten Welt.

                                                Da ging des Waltenden Sohn
Mit den vieren fort.   Den fünften erkor dann
An einer Kaufstätte Christ,   des Königs Diener,
Einen mutweisen Mann,   Matthäus geheißen.
Ein Beamter war er   edler Männer,
Der da zu des Herren   Händen empfangen
Sollte Zinsen und Zoll.   Er war zuverlässig,
Von edelm Ansehn.   Alles verließ er doch,
Gold und Silber   und der Gaben manche,
Teure Kleinode,   und trat in des Herren Amt.
Den Christ zum Herrn   erkor der Königsdiener,
Freigebigern Fürsten,   als früher sein Herr
War in dieser Welt,   und wonniger ward sein Lohn
Und langte länger aus.

                                        Den Leuten ward es kund
Auf allen Burgen,   wie Gottes Geborener
Ein Gesinde sammelte   und selber sprach
Manch weises Wort   und des Wahren so viel,
Des Herrlichen, zeigte   und der Zeichen manche
Wirkte in dieser Welt.   An seinen Worten ward,
An seinen Taten sichtbar,   daß er selber der Fürst war,
Der himmlische Herr,   und zu Hilfe kam
In diese Mittelwelt   den Menschensöhnen,
An dieses Licht den Leuten.   Oft ließ er das im Lande schaun,
Wenn er dort wunderbar   manch Zeichen wirkte,
Wenn seine Hände heilten   Hinkende und Blinde,
Und der Leute von Leiden   viel erlöste,
Von solchen Suchten,   die am schwersten sind,
Die Unholde anwerfen   den Erdenwohnern
Zu langem Lager.

                                Da fuhren die Leute
Dahin alle Tage,   wo unser Herr war,
Selber und sein Gesinde,   bis da versammelt war
Eine mächtige Menge   mancherlei Volks;
Obgleich sie aus gleichem   Grunde nicht kamen,
Gleichen Willens waren.   Des Waltenden Sohn
Suchten auch viel Arme,   der Atzung bedürftig,
Damit sie in der Menge   Mundkost und Trank
Von dem Volk erflehten.   Denn viele waren da,
Die ihre Almosen   armen Leuten
Gerne gaben.   Von den Juden kam auch
Ein falsches Gefolge   herbeigefahren,
Die hier unsers Herren   Handlungen und Worte
Belauern wollten:   unlauter war ihr Sinn
Und widrig ihr Wille:   sie wollten den waltenden Christ
Den Leuten verleiden,   daß sie seinen Lehren nicht hörten,
Nach seinem Willen sich nicht wendeten.   Doch waren auch weise Männer,
Gute in seiner Begleitung   und Gott werte,
Erlesene Leute:   die kamen um Christi Lehren,
Daß sie sein heilig Wort   hören möchten,
Lernen und leisten.   Sie hatten sich mit dem Glauben
An ihm fest gefangen,   hatten frommen Sinn
Und dienten ihm darum,   daß er zum höchsten Glück,
Nach ihrem Endetag,   sie aufwärts brächte
Zu Gottes Reiche.   Und so gern empfing er
Der Menschen Menge,   verhieß mächtigen Schutz
Auf längste Zeiten   und mocht es auch leisten.
Da wurden helle Haufen   um den herrlichen Christ
Der Leute gesammelt.   Von allen Landen sah er,
Von allen weiten Wegen   ein Wunder strömen
Von jungen Leuten.   Sein Lob war so weithin
Der Menge vermäret.


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