Anonym
Der Heliand
Anonym

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Dreimal verleugnet

                                                              Da sie hinunterkamen
Vom Berge zur Burg,   wo ihr Bischof war,
Ihres Weihtums Wärter,   da führt' ihn der wütende
Haufen in den Hof.   Da war helle Glut:
Im Vorhof brannte Feuer,   dem Volk gegenüber,
Für die Wächter geschürt.   Da gingen sich wärmen
Die Judenleute   und ließen den Gottessohn
Geheftet harren.   Man hörte großen Lärm,
Freches Geschrei.   Von früher war Johannes
Dem Hauptmann bekannt,   daß er in den Hof mit dem Volk
Dringen durfte.   Aller Degen bester,
Petrus, stand draußen:   der Pförtner ließ ihn
Seinem Fürsten nicht folgen,   bis von dem Freund erbat
Johannes, dem Juden,   daß man ihn gehen ließ
Vorn in den Vorhof.   Da kam ein falsches Weib
Ihm entgegengegangen,   die einem Juden
Als Dienstmagd diente;   zu dem Degen sprach
Die Magd mit Murren:   »Du magst wohl ein Jünger
Des Galiläers sein,   der uns gegenübersteht
Gefesselt und gefestigt.«   Furcht befiel da
Simon Petrus,   schwach ward sein Mut:
Als wiss' er des Weibes   Wort nicht zu verstehn
Und wär vom Gefolge   des Gefesselten nicht,
Verleugnet' er ihn vor der Menge:   »Ich kenne den Mann nicht,
Verstehe deine Worte nicht.«   Ihm war die Gottesstärke,
Der harte Mut   aus dem Herzen gewichen.

Er ging fort durch das Volk,   bis er zu dem Feuer kam,
Als wollt er sich wärmen.   Da war wieder ein Weib,
Das ihm Schmähworte sprach:   »Schaut euern Feind hier:
Kundbar ist dieser   ein Jünger Christs,
Seiner Gesellen einer.«   Da schritten ihm gleich
Die Neidharte näher,   nahmen ihn eifrig vor
Und fragten feindselig,   welches Volks er wäre:
»Dieser Burgleute bist du nicht,   an deinem Gebaren sieht man,
Deinen Worten und Weisen,   daß du hier nicht wohnhaft bist:
Ein Galiläer bist du!«   Das gab er nicht zu,
Sondern stand und stritt,   und mit starkem Eide
Verschwur er sich,   er sei seiner Gesellen keiner.
Seiner Worte hatt er nicht Gewalt:   es sollte so werden,
Wie es der gemessen,   der des Menschengeschlechts
Wartet in dieser Welt.

                                        Da trat ein Verwandter
Des Mannes aus der Menge,   den er mit dem Messer gehauen,
Dem scharfen Schwerte.   Der sprach: »Ich sah dich doch
Auf dem Berge droben,   als wir im Baumgarten
Deinem Herren   die Hände banden,
Die Arme festigten.«   Da mußt er furchtsamen Herzens
Den lieben Herrn verleugnen.   »Ich will des Leibes verlustig sein,
Wenn einer das hier   von all den Männern
Sicher sagen kann,   daß ich seines Gesindes war,
Seiner Fährte folgte.«   Da fing zum erstenmal
Der Hahn zu krähen an.   Der Heilige Christ sah,
Der Gebornen bester,   der da gebunden stand,
Der Sohn des Herrn,   nach Simon Petrus
Über die Achsel hin.   Da ward im Innern
Dem Simon Petrus   schwer bewegt das Gemüt:
Es härmt' ihn heftig   und betrübt' ihm das Herz
Mit schmerzlichen Sorgen,   was er selber gesprochen.
Nun gedacht' er der Worte,   was der waltende Christ
Ihm vorausgesagt,   noch in derselben Nacht
Vor dem Hahnenschrei   sollt er den Herrn
Dreimal verleugnen.   Das bedrängt' ihm das Herz
Bitter in der Brust:   gebrochen ging er
Aus der Menschen Menge   mit bekümmertem Gemüt,
In Angst und Unruh.   Über sein eigen Wort
Wehklagt' er, das unwahre,   bis ihm wallend kamen
Vor herbem Herzeleid   heiße Tränen,
Blutige, aus der Brust.   Nie möcht er büßen, sagt' er,
Fürder den Frevel   oder wiederfinden
Seines Herren Huld.   Kein Held ward noch so alt,
Daß er je gesehen   eines Menschen Sohn
Sein Wort so beweinen, beklagen.   »Weh, kräftiger Gott!
Wie verwirkt ich mich so,   daß mir weiterhin
Mein Leben verleidet ist!   Wenn ich nun lebenslang
Deiner Huld, o Herr,   und des Himmelreiches
Dabei entbehren soll,   so bringt mir kein Heil,
O lieber Herr,   daß ich je zu diesem Lichte kam.
Ich weiß mich nicht würdig,   mein waltender Fürst,
Unter deine Jünger   jemals zu zählen,
Deine Gesellen, ich Sünder!   Sie selber muß ich
Im Gemüte meiden,   nun ich solch Meinwort sprach.«
So klagte kummervoll   der Kämpen bester,
So herzlich härmt' ihn,   daß er den Herren hatte,
Den lieben, verleugnet.

                                          Doch darf es der Leute Kinder
Nicht wundern,   weswegen es Gott gewollt,
Daß so liebem Manne   solch Leid widerführe,
Daß so schmählich sollte   den Schützer und Herrn
Um der Dirne Wort   der Degen wackerster
Vor den Leuten verleugnen.   Das ließ der Herr geschehn
Uns Menschen zum Frommen.   Er wollt ihn zum Fürsten machen,
Zum höchsten, über sein Haus.   Der heilige Herr
Ließ ihn klar erkennen,   wie kleine Kraft
Der Menschen Gemüt hat   ohne die Macht des Herrn.
Er ließ ihn sündigen,   daß er selber eher
Den Leuten glaube,   wie lieb es ist
Der Menschen männiglichem,   der ein Mein verübte,
Daß man ihm erlasse   die leidige Tat,
Schuld und Sünde,   wie ihm selber erließ
Der Herr des Himmelreichs   sein harmwertes Tun.
Darum ist unnütz   unser eitles Pochen,
Des Hörigen Hoffart:   wenn ihm des Herren Hilfe
Um seine Sünde schwindet,   so wird der Sinn sogleich
In der Brust ihm blöde,   wie sehr er sich gebrüstet hat,
Seine Stärke gerühmt   und seine schnelle Kraft,
Seinen Mut, seine Macht.   Das mochte man wohl schauen
An der Degen bestem,   da ihm gebrach des Herrn
Heilige Hilfe.   Drum hüte sich jeder
Und scheue den Selbstruhm,   denn ihm schwindet oft
Wahn und Wille,   wenn ihm der waltende Gott,
Der hehre Himmelskönig,   das Herz nicht stärkt.


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