Anonym
Der Heliand
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Die Taufe im Jordan

                                                        Nicht lange währt' es da,
So ging von Galiläa   Gottes eigen Kind,
Des Herren teurer Sohn,   die Taufe zu suchen.
Nun war in seiner Vollgewalt   des Waltenden Kind,
Da er nun dreißig   bei diesem Volke zählte
Der Winter auf der Welt.   Williglich kam er hin,
Wo da Johannes   im Jordanstrome
All den langen Tag   der Leute Menge
Teuerlich taufte.   Der Getreue sah den Christ,
Den holden Herren:   da ward sein Herz erfreut,
Daß sein Wunsch erging.   Da wandt er das Wort zu ihm,
Der gute Jünger,   Johannes zu dem Christ:
»Zu meiner Taufe   kommst du nun, teurer Herr,
Aller Männer bester,   und ich müßte zu deiner,
Du der Könige kräftigster!«   Christ gebot jedoch,
Der Waltende, wehrend,   daß er weiter nicht spräche:
»Denn uns liegt ob,   alle Pflichten
Fort und fort   nun zu erfüllen
Nach Gottes Willen.«

                                      Johannes stand
Und taufte den ganzen Tag   Tausende wohl
In des Jordans Wasser,   und auch dem waltenden Christ,
Dem hehren Himmelskönig,   legt' er die Hände auf
In der Bäder bestem;   danach zum Gebete
Neigt' er sich kniend.   Der kraftreiche Christ stieg
Frei aus der Flut,   das Friedenskind Gottes,
Der liebe Leutewart.   Als er das Land betrat,
Gingen auf des Himmels Tore   und kam der Heilige Geist
Von dem Allwaltenden,   obenher zu Christ,
Einem schönen Vogel   völlig vergleichbar,
Einer holden Taube.   Die flog dem Herrn auf die Achsel,
Weilte bei des Waltenden Kind.   Und ein Wort kam vom Himmel,
Aus heitrer Höhe,   grüßte den Heiland,
Christ, der Könige besten:   »Gekoren hab ich ihn
Selber aus meinem Reiche,   und der Sohn gefällt mir
Vor allen Gebornen,   der Söhne bester und liebster.«
Das durfte Johannes,   wie Gott es wollte,
Sehen und hören.   Da säumt' er nicht lange,
Er macht' es den Menschen kund,   daß sie da einen mächtigen
Herren hätten:   »Dies ist des Himmelskönigs Sohn,
Der allein allwaltende:   des will ich ihm Zeuge
Werden in dieser Welt,   denn Gottes Wort sagte mir,
Des Herren Stimme,   da er mich taufen hieß
Im Wasser des Jordans:   allwo ich sähe
Den Heiligen Geist   von der Himmelsau
In diese Mittelwelt   auf einen Mann herab-
Kommen mit Kraft,   das sollte Christ sein,
Der teure Gottessohn:   der wird euch taufen
In dem Heiligen Geist   und heilen so manche
Meintat der Menschen.   Er hat Macht von Gott,
Daß er erlassen mag   der Leute jeglichem
Schuld und Sünde.   Das ist selber Christ,
Gottes eigen Kind,   auf Erden der beste Mann,
Ein Friede wider Feinde.   Das mag euch zur Freude nun
Werden in dieser Welt,   daß euch der Wunsch gewährt ist,
Daß ihr hier lebend   den lieben Landeswart
Selber sahet.   Sündenlos mag nun so
Mancher Geist darangehn,   Gottes Willen zu tun,
Von Frevel befreit,   wenn er den Freunden will
Treue bewähren   und an den waltenden Christ
Festiglich glauben.   Das soll zu Frommen werden
Jeglichem Menschen,   der das gerne tut.«
So hört' ich, daß Johannes   den Hörenden all,
Den Lauschenden,   lobte die Lehre Christs,
Seines hohen Herren,   wenn sie das Himmelreich
Gewinnen wollten,   das werteste Gut,
Ewige Seligkeit.


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