Anonym
Der Heliand
Anonym

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Die Stillung des Meeres

                                                              Da kam ein groß Gewühl
Aus allen Gauen   um Christi Gaben willen,
Um des Mächtigen Schutz.   Da wollt ein Meer befahren
Gottes Sohn mit den Jüngern,   an Galiläaland hin,
Auf den Wogen, der Waltende.   Der Leute Gewühl
Hieß er weiterwandern;   mit wenigen stieg
In einen Nachen nur   der Nothelfer Christ,
Von der Reis' erschöpft bis zum Schlafe.   Die Segel hißten
Wetterweise Männer   und ließen vom Winde sich
Über den Meerstrom treiben,   bis in die Mitte kam
Der Göttliche mit seinen Jüngern.   Da begann des Wetters Kraft:
Im Wirbelwinde   stiegen die Wogen,
Nacht schwang sich schwarz hinab,   die See kam in Aufruhr,
Wind und Wasser kämpften.   Angst erwuchs den Leuten,
Da das Meer so mutig ward.   Der Männer versah sich keiner
Längeres Lebens.   Den Landeswart alsbald
Weckten sie und sagten ihm   von des Wetters Kraft,
Flehten, daß gnädig   ihnen der Notretter Christ
Wider das Wasser hülfe,   »sonst werden wir qualvoll
Sterben in diesem Sturm«.   Da stand vom Lager empor
Der gute Gottessohn   und sprach zu den Jüngern:
»Euch darf des Wetters Wut   wenig erschrecken:
Wie hat euch Furcht erfaßt?   Noch nicht fest ist euch das Herz,
Noch laß euer Glaube.   Nicht lange mehr währt es,
So muß die Strömung   stiller werden
Und das Wetter wonnesam.«   Da sprach er zu dem Winde
Und zu dem Meer zumal   und hieß sie milder
Beide gebaren.   Dem Gebot gehorsam
Und des Waltenden Wort,   stillten die Wetter sich,
Heiter floß die Flut.   Das Volk unter sich
Gewahrt' es verwundert,   Worte gingen hin und her,
Welch ein mächtiger   Mann das sein müsse,
Daß ihm Wind und Welle   aufs Wort gehorchten,
Seinem Gebote beide.   Der Geborne Gottes
Hatte sie der Not entnommen.   Der Nachen schritt dahin,
Der hochgehörnte Kiel:   die Helden kamen
Zu Lande, die Leute,   und lobten Gott,
Verherrlichten seine Herrscherkraft.

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