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Am fünften Reisetage ritt Staß mit Nel zusammen auf King. Sie waren nämlich auf einen breiten Akazienhain gestoßen, in dem die Bäume so dicht wuchsen, daß die Pferde nur auf der von King freigelegten Spur folgen konnten. Es war noch sehr früh, ein strahlender, taureicher Morgen. Die Kinder unterhielten sich von ihrer Reise und davon, daß sie jeder Tag dem Ozean und ihren Vätern näher brachte, nach denen beide nicht aufgehört hatten, sich zu sehnen. Seit ihrer Entführung aus Faschoda bildete das Thema einen unerschöpflichen Gegenstand ihrer Unterhaltungen, der sie immer bis zu Tränen erregte. Fortwährend wiederholten sie, daß ihre Väter sie gewiß schon gar nicht mehr am Leben oder für immer verloren glaubten. Und daß die Väter sich sorgen würden, und trotzdem sie kaum noch hoffen konnten, gewiß Araber nach Chartum gesendet hatten, die ihnen Nachrichten bringen sollten, währenddessen sie schon nicht nur Chartum, sondern auch Faschoda verlassen hatten. In fünf Tagen würden sie noch weiter sein, – und dann wieder weiter, bis sie schließlich den Ozean erreicht hätten oder vorher noch irgendeinen Ort, von dem aus sie eine Depesche schicken konnten.
Einen aber in der Karawane gab es, der wußte, was alles noch ihrer harrte, – und das war Staß. Nel dagegen war aufs tiefste überzeugt davon, daß es nichts auf der Welt geben könnte, was Staß nicht überwinden, und daß er sie sicherlich nach der Küste bringen würde. Sie stellte sich daher mehr als einmal, den Ereignissen vorgreifend, in ihrem kleinen Köpfchen vor, wie es sein würde, wenn die erste Nachricht von ihnen einträfe. Und zwitschernd wie ein Vögelchen erzählte sie es Staß:
»Eines Tages sitzen«, sprach sie, »unsere Väterchen in Port Said und weinen, – und da kommt der Boy mit einer Depesche herein. ›Was ist das?‹ fragt dein oder mein Väterchen, und er öffnet und sieht die Unterschrift und liest: ›Staß und Nel!‹ Oh, wie werden sie sich da freuen! Und im ganzen Hause wird Freude herrschen! – Die Väterchen werden sich freuen! – und alle werden sich freuen! – Und alle werden dich rühmen! Und sie werden herkommen. – Und ich werde Väterchen fest umarmen und um den Hals fallen, und dann werden wir immer zusammenbleiben! – und –«
Es endete damit, daß ihr Kinn zu zittern begann, die Äuglein verwandelten sich in zwei Fontänen, und zum Schluß lehnte sie ihr Köpfchen an Staß' Schulter und weinte aus Schmerz, Sehnsucht und Freude über das bevorstehende Wiedersehen.
Staß aber erriet, wenn er seine Gedanken in die Zukunft schweifen ließ, wie sein Vater stolz auf ihn sein und zu ihm sprechen würde: »Du hast dich ausgezeichnet, wie es sich für einen Polen gehört!« Und eine gewaltige Erregung erfaßte den Knaben, und in seinem Herzen entstand eine tiefe Sehnsucht, ein brennender Eifer und ein stahlharter, unbeugsamer Mut. »Ich muß«, sagte er sich, »Nel retten, – ich muß diesen Augenblick erleben!« In solchen Stunden gab es für ihn keine Gefahren, die er nicht überwinden, keine Hindernisse, die er nicht besiegen konnte.
Aber es war noch weit bis zu diesem endgültigen Siege! – Augenblicklich mußten sie sich durch einen Akazienhain durchwinden. Die langen Dornen der Bäume verursachten selbst auf Kings Haut weißliche Risse. Schließlich lichtete sich der Hain, und durch die Zweige der vereinzelt stehenden Bäume war das grüne Dschungel zu sehen. Trotz der schon recht fühlbaren Hitze verließ Staß den Palankin und setzte sich auf den Nacken des Elefanten, um Umschau zu halten, ob sich nicht am Horizont Antilopen- oder Zebraherden zeigten, da er beabsichtigte, den Fleischvorrat zu erneuern.
Auf der rechten Seite erblickte er eine kleine Arielenherde und in ihrer Mitte zwei Strauße. Sobald sie die letzte Baumgruppe hinter sich hatten, und der Elefant nach links abbog, eröffnete sich vor Staß' Augen ein anderer Anblick. Ungefähr einen halben Kilometer von ihm entfernt, sah er weite Felder, die mit Maniok behaut waren, und an den Felsrändern einige schwarze Gestalten, die anscheinend mit Feldarbeit beschäftigt waren.
»Neger!« rief er, indem er sich zu Nel wandte.
Sein Herz fing an, unruhig zu schlagen. Eine Zeitlang überlegte er, ob er nicht lieber umkehren und sich in dem Akazienhain verbergen sollte. Dann aber bedachte er, daß sie ja doch früher oder später in bevölkerte Gegenden kommen und mit den Negern in Beziehungen treten mußten. Das ganze Schicksal ihrer Reise hing ja davon ab, wie sich das Verhältnis zwischen ihnen und den Negern gestalten würde. Und in dieser Erwägung lenkte er den Elefanten auf das Feld zu.
In demselben Augenblick näherte sich ihm Kali, zeigte mit der Hand auf eine Baumgruppe und sagte:
»Großer Herr, dort ist ein Negerdorf! Und hier arbeiten Frauen auf dem Maniokfeld! Soll ich zu ihnen heranreiten?«
»Wir wollen zusammen hinreiten«, entgegnete Staß. »Du sagst ihnen dann, daß wir als Freunde kommen.«
»Ich weiß schon, Herr, was ich ihnen sagen will«, rief mit großem Selbstbewußtsein der junge Neger.
Und indem er sein Pferd zu den Arbeitenden lenkte, legte er die flachen Hände an die Lippen und begann zu schreien:
»Yambo he! Yambo sana!«
Bei diesen Lauten sprangen die mit dem Umgraben des Maniokfeldes beschäftigten Frauen auf und blieben wie angewurzelt stehen. Das dauerte aber nur einen Augenblick. Dann warfen sie vor Schreck die Hacken fort und liefen mit Geschrei zu den Bäumen, unter denen sich das Dorf befand.
Die kleinen Reisenden näherten sich langsam und ruhig. Im Dickicht erscholl das Geheul von einigen hundert Stimmen, dann trat Stille ein. Sie wurde schließlich durch das dumpfe, aber weittragende Gedröhn einer Trommel unterbrochen, die nun nicht einen Augenblick mehr aussetzte.
Anscheinend war dieses Trommeln die Losung zur Schlacht für die Krieger; denn über dreihundert erschienen plötzlich aus dem Dickicht. Sie nahmen in einer langen Reihe vor dem Dorfe Aufstellung. Staß hielt King in einer Entfernung von hundert Schritten an und begann, sie zu betrachten. Die Sonne beleuchtete ihre schön gewachsenen Gestalten, ihre breite Brust und ihre starken Schultern. Sie waren mit Armbrüsten und Lanzen bewaffnet. Um die Hüften trugen sie kurze Röckchen aus Heidekraut, einige auch solche aus Affenfellen. Ihre Köpfe schmückten Straußen- und Papageienfedern, auch große Perücken von den Skalpen von Pavianen. Ihr Aussehen war kriegerisch und drohend, aber sie standen unbeweglich und schweigend, denn ihr Erstaunen war grenzenlos und dämpfte ihre Kampflust. Aller Augen waren wie gebannt auf King gerichtet, auf den weißen Palankin und auf den auf dem Nacken des Elefanten sitzenden weißen Menschen.
Und doch war der Elefant für sie kein unbekanntes Tier. Im Gegenteil! Sie lebten unter der ständigen Gewaltherrschaft der Elefanten, die in Herden ihre Maniokfelder, ihre Bananenplantagen und Palmen verwüsteten. Da ihre Lanzen und Pfeile das Fell der Elefanten nicht zu durchdringen vermochten, so bekämpften die armen Neger diese Zerstörer durch das Feuer, durch Geschrei, indem sie den Ruf von Hähnen nachahmten, durch Gräben, die sie zogen, und durch Fallen, die sie aus Baumstämmen herstellten. Aber daß der Elefant zum Sklaven eines Menschen werden kann, dem er erlaubt, sich auf seinen Nacken zu setzen, das hatte niemand von ihnen bisher gesehen, und das konnte keinen so recht in den Kopf. Der Anblick, der sich ihnen bot, überstieg so völlig alle ihre Begriffe und Vorstellungen, daß sie gar nicht wußten, was sie tun sollten. Kämpfen oder fliehen, wohin die Füße sie trugen, wenn sie auch alles der Macht des Geschickes überlassen mußten. Verwirrt, erschreckt und erstaunt flüsterten sie einander zu: »O Mutter, was für Geschöpfe kommen zu uns! Und was erwartet uns aus ihrer Hand?«
Inzwischen hatte sich Kali ihnen auf einen Lanzenwurf genähert; er stellte sich in den Steigbügeln aufrecht hin und rief:
»Leute, Leute! Hört auf die Stimme Kalis, des Sohnes Fumbas, des mächtigen Königs der Wa-hima, von den Ufern des Basso-Narok! – O hört, hört! Und wenn ihr seine Sprache versteht, so achtet auf jedes seiner Worte!«
»Wir verstehen!« erscholl die Antwort aus dreihundert Kehlen.
»Euer König mag vortreten, seinen Namen nennen und Ohren und Lippen öffnen, damit er besser hören kann!«
»M'Rua! M'Rua!« begannen viele Stimmen zu rufen.
M'Rua trat vor die Reihe, aber nicht mehr als drei Schritt weit. Er war ein alter, großer Neger von kräftigem Bau; aber er zeichnete sich nicht durch besonders großen Mut aus, denn die Beine unter ihm zitterten so, daß er eine spitze Lanze in die Erde steckte, auf die er sich stützen mußte, um sich aufrecht zu halten.
Seinem Beispiele folgend, stießen auch die anderen Krieger ihre Lanzen in den Boden, zum Zeichen, daß sie ruhig die Worte des Ankömmlings anhören wollten.
Kali erhob seine Stimme noch mehr:
»M'Rua und ihr, M'Ruas Leute, ihr habt gehört, daß zu euch der Sohn des Königs der Wa-hima spricht, von dessen Kühen es auf den Bergen um den Basso-Narok herum wimmelt wie von Ameisen auf einer gefallenen Giraffe. Und was erzählt nun Kali, der Sohn des Königs der Wa-hima? Er verkündet euch eine große und glückliche Neuigkeit. Nämlich, daß in euer Dorf der gute Mzimu kommt!«
Dann schrie er noch lauter:
»Jawohl, der gute Mzimu! Oooo!«
Aus der andächtigen Stille, die darauf ringsum herrschte, konnte man sehen, was für einen großen Eindruck Kalis Worte gemacht hatten. Die Reihe der Krieger begann wie eine Welle hin und her zu wogen, einige traten ein paar Schritte vor, andere vor Schreck zurück. M'Rua stützte sich noch immer mit beiden Händen auf die Lanze, und das dumpfe Schweigen hielt eine Zeitlang an.
Erst nach einer Weile ging ein Flüstern durch die Reihen. »Mzimu! Mzimu!« Hin und wieder erschollen auch einige laute Rufe: »Yancig! Yancig!«, was gleichzeitig ein Ausdruck der Verehrung und des Willkommens bedeutet.
Aber Kalis Stimme übertönte bald wieder dieses Flüstern und Rufen.
»Schaut her und freut euch! Da sitzt der gute Mzimu in der weißen Hütte auf dem Rücken des großen Elefanten. Und der große Elefant gehorcht ihm, wie der Sklave dem Herrn und das Kind der Mutter gehorcht. Oh! weder ihr noch eure Väter haben je etwas Ähnliches gesehen.«
»Wir haben nicht gesehen! Yancig! Yancig!«
Die Augen aller Krieger richteten sich jetzt auf die »Hütte« oder den Palankin.
Kali, der bei dem Religionsunterricht auf dem Lindeberg gehört hatte, daß der Glaube Berge versetzen könne, und der davon überzeugt war, daß das Gebet der weißen »Bibi« alles von Gott erflehen konnte, erzählte in völliger Aufrichtigkeit weiter vom guten Mzimu.
»Hört, hört! Der gute Mzimu reitet auf dem Elefanten dahin, wo die Sonne hinter den Bergen und hinter dem Wasser aufgeht. Dort wird der gute Mzimu dem großen Geist sagen, daß er euch Wolken schicken soll, die eure Hirse- und Maniokfelder, eure Bananen und die Gräser im Dschungel in der trockenen Zeit mit Regen begießen werden, damit ihr selbst viel zu essen habt, und eure Kühe eine gute Weide finden und euch dicke und fette Milch geben können. Wollt ihr viel Essen und viel Milch haben, o Leute?«
»He, wir wollen, wir wollen!«
»Und der gute Mzimu wird dem großen Geist sagen, er möchte einen Wind schicken, der die Krankheit, die den Körper der Menschen in eine Honigwabe verwandelt, aus eurem Dorfe heraustreibt. Wollt ihr, daß er sie fortweht, o Leute?«
»He, möge er sie fortwehen!«
»Der große Geist wird auf die Bitte des guten Mzimu euch vor Überfällen, vor Gefangenschaft und Schaden behüten. – Und vor Löwen und vor Panthern und vor der Schlange und vor den Heuschrecken!«
»Möge er das tun!«
»Nun hört jetzt und seht, wer vor der Hütte zwischen den Ohren des fürchterlichen Elefanten sitzt. Das ist der Bwana Kubwa, der weiße Herr, so groß und mächtig, daß selbst der Elefant ihn fürchtet!«
»Der in der Hand den Donner hat, mit dem er die schlechten Menschen tötet!«
»He!«
»Der Feuerschlangen schleudert!«
»He!«
»Der Felsen zersplittert!«
»He!«
»Der euch aber nichts Böses tun wird, wenn ihr dem guten Mzimu Achtung erweisen werdet!«
»Yancig! Yancig!«
»Und wenn ihr ihm trockenes Bananenmehl bringt, Hühnereier, frische Milch und Honig!«
»Yancig! Yancig!«
»Dann kommt her und fallt auf euer Gesicht vor dem guten Mzimu!«
M'Rua und seine Krieger setzten sich in Bewegung und hörten nicht auf, dabei zu rufen: »Yancig! Yancig!« Sie gingen einige Schritte vorwärts, aber sie näherten sich sehr vorsichtig; denn sowohl die abergläubische Furcht vor dem Mzimu als auch die Angst vor dem Elefanten hemmten ihre Schritte. Der Anblick Sabàs versetzte sie aufs neue in Schrecken, weil sie ihn für einen »Wobo«, d. h. für einen großen, gelben Leoparden hielten, der in jener Gegend und im südlichen Abessinien Vergl. Elisée Reclus. Lefebre » Voyage en Abissynie.« lebt, und den die Eingeborenen mehr fürchten als den Löwen, da er Menschenfleisch jedem anderen vorzieht. Er scheut sich nicht, mit unerhörter Dreistigkeit sogar bewaffnete Männer anzufallen. Sie beruhigten sich aber, als sie sahen, daß ein kleiner, fettleibiger Neger den »Wobo« an einem Strick hielt. Aber ihre Vorstellung von der Macht des guten Mzimu und der des weißen Herrn wuchs dadurch noch bedeutend. Sie sahen bald auf den Elefanten, bald auf Sabà und flüsterten sich gegenseitig zu: »Wenn sie sogar den ›Wobo‹ bezaubert haben, wer in der Welt kann ihnen dann noch widerstehen?« Aber der feierlichste Augenblick trat erst dann ein, als Staß, zu Nel gewandt, sich tief vor ihr verbeugte, darauf die wie Vorhänge eingerichteten Palankinwände auseinanderschlug und den Augen der Versammelten den guten Mzimu zeigte. M'Rua und sämtliche Krieger warfen sich auf das Gesicht, so daß ihre Körper eine lange, lebendige Brücke bildeten. Niemand wagte sich zu bewegen, und in aller Herzen herrschte um so größere Furcht, als King, ob auf Staß' Befehl oder aus eigenem Antrieb, den Rüssel erhob und mächtig trompetete. Und seinem Beispiel folgte Sabà in dem tiefsten Baß, den er nur hervorbringen konnte. Da entrang sich aus aller Brust eine Art Jammergeheul:
»Aka! Aka! Aka!« Und das währte so lange, bis Kali wieder zu sprechen begann:
»O M'Rua und ihr, Kinder M'Ruas! Ihr habt dem guten Mzimu Ehre erwiesen, steht auf, schaut ihn an, und nehmt sein Bild mit euren Augen auf, denn wer das tut, über den wird der Segen des großen Geistes kommen. Verjagt nur die Furcht aus eurem Herzen und euren Leibern, denn wißt, dort, wo der gute Mzimu ist, wird kein Menschenblut vergossen werden.«
Nach diesen Worten, zum großen Teil wohl infolge der Erklärung, daß in Gegenwart des guten Mzimu niemand vom Tode getroffen werden kann, erhob sich M'Rua und nach ihm die anderen Krieger. Sie schauten schüchtern, aber eifrig auf die gütige Gottheit, und wenn Kali sie zum zweiten Male gefragt hätte, so hätten sie zugeben müssen, daß weder sie noch ihre Väter je etwas Ähnliches gesehen hatten. Ihre Augen waren an aus Holz gefertigte, abschreckende Gestalten und an haarige Götzen aus Kokosnüssen gewöhnt, jetzt aber stand vor ihnen auf dem Rücken eines Elefanten eine lichte, milde, liebliche und lächelnde kleine Gottheit, die einem weißen Vögelchen und auch einer weißen Blume glich. Da verschwand ihre Furcht, sie atmeten wieder aus freier Brust, die dicken Lippen lächelten, und ihre Arme streckten sich unwillkürlich dieser wundervollen Erscheinung entgegen.
»O Yancig! Yancig! Yancig!«
Gleichwohl bemerkte Staß, der auf alles aufs schärfste acht gab, daß ein Neger mit einer kegelförmigen Mütze aus Rattenfellen auf dem Kopfe sofort nach den letzten Worten Kalis die Reihe verließ und wie eine Schlange im Grase nach einer abseits hinter einem Zaun stehenden Hütte kroch, die außerdem noch mit einem aus Lianen geflochtenen Pfahlgehege umgeben war.
Indessen streckte der gute Mzimu, der durch die Rolle einer Gottheit in eine überaus große Verlegenheit geraten war, auf Anweisung Staß' sein kleines Händchen aus und begann, die Neger zu begrüßen. Die schwarzen Krieger verfolgten mit strahlenden Augen jede Bewegung dieser kleinen Hand, in der festen Überzeugung, daß ein mächtiger Zauber in ihr lag, der sie behütete und vor vielem Unglück bewahrte. Einige schlugen sich vor die Brust und auf die Hüften und riefen: »O Mutter! jetzt werden wir es nur gut haben – wir und unsere Kühe!«
M'Rua war wieder mutig geworden; er näherte sich dem Elefanten, verbeugte sich vor dem guten Mzimu und dann vor Staß und sprach:
»Würde der große Herr, der die weiße Gottheit auf dem Elefanten begleitet, gewillt sein, ein Stück von M'Rua zu essen und erlauben, daß M'Rua ein Stück von ihm ißt, damit sie Brüder werden, zwischen denen es keine Lüge und keinen Verrat gibt?«
Kali übersetzte sofort diese Worte. Da er aber an Staß' Gesicht sah, daß er nicht die geringste Lust hatte, ein Stück von M'Rua zu essen, so wandte er sich an den alten Neger und sagte:
»Oh, M'Rua, denkst du wirklich, daß der weiße, so mächtige Herr, den der Elefant fürchtet, der in der Hand den Donner hat, der den Löwen tötet, dem der ›Wobo‹ mit dem Schwanze zuwedelt, der Feuerschlangen schleudert und Felsen zerbricht, daß der mit irgendeinem König Brüderschaft schließen wird? Bedenke nur, M'Rua, daß der große Geist dich nicht für diese Verwegenheit straft! Bedenke, daß es für dich Ehre genug wäre, wenn du ein Stück von Kali, dem Sohne Fumbas, dem Beherrscher der Wa-hima, essen würdest, und Kali, Fumbas Sohn, ein Stück von dir.«
»Bist du denn kein Sklave?« fragte M'Rua.
»Der große Herr hat Kali weder geraubt noch gekauft. Er hat ihm nur das Leben gerettet. Daher begleitet Kali den guten Mzimu und den großen Herrn in das Land der Wa-hima, damit die Wa-hima und Fumba ihnen Ehrfurcht bezeigen und ihnen große Geschenke machen.«
»Dann soll es so sein, wie du sagst. Und M'Rua wird ein Stück von Kali, und Kali ein Stück von M'Rua essen.«
»So mag es sein!« wiederholten die Krieger.
»Wo ist der Zauberer?« fragte der König.
»Wo ist der Zauberer? – Wo ist der Zauberer? – Wo ist Kamba?« fingen viele Stimmen an zu rufen.
Währenddessen ereignete sich etwas, das die ganze Sachlage ändern, die freundschaftlichen Beziehungen trüben und die Neger zu Feinden der neu angekommenen Gäste machen konnte. In der abseits stehenden, mit einer besonderen Hecke umgebenen Hütte erscholl plötzlich ein Höllenlärm. Es klang wie Löwengebrüll, wie Donnergekrach, wie Trommelgedröhn, wie das Lachen einer Hyäne, das Heulen eines Wolfes und wie das ohrenzerreißende Gequietsche verrosteter eiserner Türangeln. Als King diesen gräßlichen Lärm vernahm, begann er zu trompeten, Sabà zu bellen, der Esel, auf dem Nasibu ritt, zu schreien. Die Krieger sprangen wie mit kochendem Wasser begossen hoch und rissen ihre Lanzen aus der Erde. Es entstand eine große Verwirrung. Zu Staß' Ohren drangen aufgeregte Rufe: »Unser Mzimu! Unser Mzimu!« Im Nu war die Ehrfurcht und Freundlichkeit, die man den Ankömmlingen entgegengebracht hatte, verschwunden. Die Augen der Wilden schleuderten mißtrauische und feindliche Blicke. Drohende Stimmen erhoben sich in der Mitte der Menge, während der fürchterliche Lärm in der einsamen Hütte immer mehr zunahm.
Kali erschrak. Er näherte sich schnell Staß und begann vor Erregung in abgerissenen Sätzen zu sprechen:
»Herr, der Zauberer hat den bösen Mzimu geweckt, und da er seine Opfer zu verlieren fürchtet, so brüllt er aus Ärger. Beruhige, Herr, den Zauberer und den bösen Mzimu mit großen Geschenken, sonst werden sich diese Leute alle gegen uns wenden.«
»Ich soll sie beruhigen?« fragte Staß.
Und plötzlich ergriff ihn ein gewaltiger Zorn über die Falschheit und Habgier des Zauberers. Diese unerwartet eintretende Gefahr empörte ihn bis in die tiefste Seele. Sein gebräuntes Gesicht veränderte sich gänzlich und nahm den gleichen Ausdruck an wie damals, als er Gebhr, Chamis und die beiden Beduinen erschoß. Seine Augen blitzten unheilverkündend, seine Lippen und seine Hände krampften sich fest zusammen, und seine Wangen wurden blaß.
»Ach, ich werde ihn beruhigen!« sagte er.
Und ohne zu zögern, trieb er den Elefanten zu der Hütte. Kali, der nicht allein unter den Negern bleiben wollte, folgte ihm. Aus der Brust der Krieger entrang sich ein Schrei der Furcht oder Wut; aber ehe sie recht zur Besinnung kamen, krachte und stürzte unter dem Druck des Elefantenkopfes die Hecke, dann fielen die Lehmwände der Hütte zusammen, und das Dach flog, eine Staubwolke aufwirbelnd, in die Luft. Einen Augenblick später sahen M'Rua und seine Leute den schwarzen Rüssel des Elefanten hoch in der Luft, und an seinem Ende hing der Zauberer.
Als Staß auf dem Boden der Hütte eine große, aus dem Stamm eines morschen Baumes gefertigte und mit einem Affenfell bezogene Trommel erblickte, befahl er Kali, sie ihm zu reichen. Er drehte sich mit dem Elefanten um und stellte sich den verwunderten Kriegern gerade gegenüber auf.
»Leute,« sprach er mit weithin schallender Stimme, »es ist nicht euer Mzimu, der da brüllt, sondern dieser Schurke, der die Trommel schlägt, um von euch Geschenke herauszulocken! Und ihr fürchtet euch wie die Kinder!«
Bei diesen Worten ergriff er die Schnur, die durch das getrocknete Fell der Trommel hindurchgezogen war, und begann die Trommel aus voller Kraft im Kreise herumzuschwingen. Dasselbe Stimmengewirr, das vorher die Neger erschreckt hatte, tönte auch jetzt, nur noch schlimmer, da die Töne nicht mehr durch die Wände der Hütte gedämpft wurden.
»O wie dumm sind doch M'Rua und seine Leute!« schrie Kali.
Staß reichte Kali die Trommel, und dieser begann nun, mit einem solchen Eifer zu lärmen, daß man eine ganze Zeitlang kein einziges Wort hören konnte. Als er dann genug davon hatte, warf er schließlich die Trommel dem M'Rua vor die Füße.
»Das ist euer Mzimu!« rief er, indem er aus vollem Halse lachte.
Darauf fing er mit dem den Negern eigenen Wortreichtum an, eine Rede zu halten, bei der er es an Spott über M'Rua und sie durchaus nicht fehlen ließ. Er erzählte ihnen, indem er auf Kamba zeigte, daß dieser Halunke mit der Rattenfellmütze sie während vieler Regenperioden und vieler trockenen Zeiten betrogen habe. Dafür fütterten sie ihn mit Bohnen, jungen Ziegen und Honig. Gab es einen dümmeren König und ein dümmeres Volk in der Welt? Sie glaubten an die Macht eines alten Betrügers und an seine Zauberkünste. Sie möchten doch jetzt hinsehen, wie dieser große Zauberer an dem Rüssel des Elefanten hinge und »Aka!« schreie, um das Mitleid des weißen Herrn zu erregen. Wo ist seine Macht? Wo sind seine Zauberkünste? Warum brüllt kein einziger böser Mzimu zu seinem Schutz? Ach, was war denn ihr Mzimu? Ein Lappen Affenfell und ein Stück hohlen Baumstammes, den der Elefant zertreten wird. Bei den Wa-hima würden weder Weiber noch Kinder einen solchen Mzimu fürchten, aber hier fürchten ihn M'Rua und seine Leute! Es gibt nur einen wahren Mzimu, einen wirklichen und großen und mächtigen Herrn, dem sollten sie Ehrfurcht bezeigen und ihm möglichst viel Geschenke herbringen, denn sonst würden Unglücksfälle über sie hereinbrechen, von denen sie bisher nie im Leben gehört hätten.
Für die Neger bedurfte es nicht einmal all dieser Worte. Schon die Tatsache, daß ihr Zauberer mitsamt seinem bösen Mzimu sich so ungeheuer viel schwächer als die neue weiße Gottheit und der weiße Herr gezeigt hatte, genügte ihnen vollkommen, um ihm abtrünnig zu werden und ihn mit Verachtung zu überhäufen. Sie begannen nun wieder »Yancig!« zu schreien und jetzt sogar noch demütiger und eifriger als zuvor. Da sie sich aber ärgerten, daß sie sich so viele Jahre von Kamba hatten betrügen lassen, beschlossen sie, ihn ohne Erbarmen zu töten. M'Rua selbst bat Staß um die Erlaubnis, Kamba zu fesseln und zu bewachen, bis sie für ihn eine möglichst grausame Todesart ausgedacht hätten. Nel jedoch wollte ihm das Leben schenken, und da Kali erzählt hatte, daß da, wo der gute Mzimu weilt, kein Blut vergossen werden darf, so gestattete Staß nur, den unglücklichen Zauberer aus dem Dorfe zu verjagen. Kamba, der erwartet hatte, unter den erdenklichsten Martern sterben zu müssen, fiel vor dem guten Mzimu auf das Gesicht und dankte ihm schluchzend für seine Rettung. Von nun an trübte nichts mehr die freundschaftlichen und zugleich ehrerbietigen Beziehungen.
Die Nachricht von der Ankunft der außergewöhnlichen Gäste hatte sich schnell im ganzen Dorfe verbreitet. Alle wollten den weißen Mzimu sehen und überwanden ihre Furcht; so kam es, daß es bald von Frauen und Kindern, die hinter den Hecken hervorkamen, auf dem Platze wimmelte.
Staß und Nel sahen zum ersten Male eine Ansiedlung noch echter Wilder, zu denen noch nicht einmal die Araber vorgedrungen waren. Die Kleidung dieser Neger bestand nur aus um die Hüften gebundenem Heidekraut oder Fellen. Alle waren tätowiert. Sowohl Männer wie Weiber trugen in ihren durchlöcherten Ohren Holz- oder Knochenstücke, die so groß waren, daß die in die Länge gezogenen Ohrläppchen bis zu den Schultern reichten. An ihren Unterlippen hingen sogenannte »Pelele«, das sind hölzerne und knöcherne Scheiben, die oft die Größe einer Untertasse erreichten. Die angesehensten Krieger und deren Weiber hatten um den Hals Kragen aus Eisen- oder Messingdraht, so hoch und steif, daß sie kaum ihre Köpfe bewegen konnten.
Sie gehörten dem Anscheine nach alle zu dem Stamme der Schillukneger, die sich bis weit nach Osten hin verbreitet haben; denn Kali und Mea verstanden ihre Sprache ausgezeichnet. Staß konnte sich nur halbwegs verständigen. In ihrer Gestalt unterschieden sie sich von den an den Nilwässern lebenden Schilluks. Sie hatten keine so langen Beine wie jene, waren breiter in den Schultern und nicht so groß, so daß sie nicht wie jene an Sumpfvögel erinnerten. Die kleinen Kinder sahen wie Flöhe aus, und da sie noch nicht durch die »Pelele« entstellt waren, waren sie zweifellos hübscher als die Erwachsenen.
Nachdem die Weiber sich an dem guten Mzimu satt gesehen hatten, wetteiferten sie zugleich mit den Kriegern, ihm Geschenke zu bringen, die aus jungen Ziegen, Hühnereiern, weißen Bohnen und Hirsebier bestanden. Das währte so lange, bis Staß dieser Anhäufung von Vorräten Einhalt gebot. Da er die Neger reichlich mit Glasperlen und Perkal entschädigte, und Nel den Kindern einige von Linde geerbte kleine Spiegelchen schenkte, so herrschte eitel Freude im ganzen Dorfe, und um das Zelt, in dem sich die kleinen Reisenden eingerichtet hatten, erschollen ununterbrochen frohe und entzückte Ausrufe. Die Krieger führten zu Ehren der Gäste einen Kriegstanz auf und lieferten eine fingierte Schlacht. Zum Schluß ging man daran, zwischen Kali und M'Rua Blutbrüderschaft zu schließen.
Da der Zauberer Kamba nicht mehr da war, der für diese Zeremonie unbedingt erforderlich war, so vertrat ihn ein alter Neger, der mit den Beschwörungsformeln hinreichend bekannt war. Zuerst schlachtete er eine junge Ziege, deren Leber er herausnahm und in einige große Stücke zerschnitt. Dann beschrieb er mit seinen Armen und Beinen spindelförmige Bewegungen, sah bald auf Kali, bald auf M'Rua und rief mit feierlicher Stimme:
»Kali, Sohn des Fumba, willst du ein Stück von M'Rua essen, des Sohnes von M'Kuli? – Und du, M'Rua, Sohn des M'Kuli, willst du ein Stück des Kali, des Sohnes Fumbas, essen?«
»Wir wollen!« riefen die künftigen Brüder.
»Wollt ihr, daß das Herz Kalis das Herz M'Ruas und das Herz M'Ruas das Herz Kalis werden soll?«
»Wir wollen!«
»Und die Hände und die Lanzen und die Kühe?«
»Und die Kühe!«
»Und alles, was jeder hat und haben wird!«
»Alles, was jeder hat und haben wird!«
»Und daß zwischen euch weder Lüge noch Verrat noch Haß sein soll?«
»Keine Lüge, kein Haß!«
»Und daß einer niemals den andern bestehlen soll?«
»Niemals!«
»Und daß ihr Brüder sein werdet?«
»Ja!«
Die spindelförmigen Bewegungen wurden immer schneller; und die rings um ihn versammelten Krieger folgten ihnen mit immer größerem Interesse.
»Ao!« schrie der alte Neger, »wenn jemand von uns den andern belügen, verraten, bestehlen wird, wenn er ihn vergiften oder töten wird, so soll er verflucht sein!«
»Soll er verflucht sein!« wiederholten alle Krieger.
»Und wenn er ein Lügner ist und Verrat sinnt, so soll er das Blut seines Bruders nicht herunterschlucken; er soll es vor unseren Augen ausspucken!«
»Ja, vor unseren Augen!«
»Und soll sterben!«
»Soll sterben!«
»Wobo soll ihn zerreißen!«
»Ja, Wobo!«
»Oder ein Löwe!«
»Oder ein Löwe!«
»Ein Elefant soll ihn zertreten und ein Nashorn und ein Büffel!«
»Oh, und ein Büffel!« wiederholte der Chor.
»Und eine Schlange soll ihn beißen!«
»Eine Schlange!«
»Seine Zunge soll schwarz werden!«
»Ja, schwarz!«
»Seine Augen sollen ihm in den Hinterkopf fallen!«
»In den Hinterkopf!«
»Und er soll die Sohlen nach oben haben!«
»Ja, die Sohlen nach oben!«
Nicht nur Staß, sondern auch Kali biß die Lippen zusammen, um nicht in Lachen auszubrechen. Die Beschwörungen wurden indessen immer schauerlicher und die Spindelbewegungen so schnell, daß man sie nicht mehr verfolgen konnte. Das dauerte so lange, bis der alte Neger ganz außer Atem und völlig kraftlos war.
Dann ließ er sich auf den Erdboden nieder und saß dort eine Zeitlang schweigend, indem er nach beiden Seiten mit dem Kopfe nickte. Später erhob er sich, nahm ein Messer, ritzte die Haut auf Kalis Schulter und bestrich mit seinem Blute ein Stück der Ziegenleber. Er schob das Stück in M'Ruas Mund, bestrich ein zweites mit dem Blute des Königs und steckte es Kali in den Mund.
Beide schluckten es so schnell herunter, daß es ihnen dabei an Luft fehlte und die Augen aus ihren Höhlen traten. Darauf reichten sie sich zum Zeichen der treuen und ewigen Brüderschaft die Hände.
Die Krieger fingen zu schreien an:
»Beide haben es heruntergeschluckt, keiner hat es ausgebrochen, denn sie sind aufrichtig, und es gibt keinen Verrat zwischen ihnen!«
Staß aber dankte im Innern Kali, daß er ihn bei dieser Zeremonie vertreten hatte; denn er fühlte, daß er beim Herunterschlucken des Stückes von M'Rua unzweifelhaft den Beweis der Unaufrichtigkeit und des Verrates geliefert hätte.
Von diesem Augenblick an drohte den kleinen Reisenden von seiten der Wilden keinerlei Verrat noch irgendwelche unerwartete Gefahr. Sie wurden im Gegenteil mit der größten Gastfreundlichkeit und einer fast göttlichen Verehrung umgeben. Diese Ehrfurcht steigerte sich noch, als Staß, wie er auf dem von Linde geerbten Barometer beobachtete, Regen voraussagte, der auch wirklich noch an demselben Tage in reichlichem Maße eintrat, als wenn die Massika Die Frühlings-Regenzeit., die eigentlich schon vorüber war, noch die letzten Reste ihres Vorrates über die Erde ausschütten wollte. Die Neger waren überzeugt, daß der gute Mzimu ihnen diesen Regenguß geschenkt hatte, und ihre Dankbarkeit dafür kannte keine Grenzen. Staß neckte Nel damit und erklärte ihr, da sie ja nun eine Negergottheit geworden sei, so könne er allein weiterreisen und sie im Dorfe bei M'Rua lassen, wo die Neger ihr eine Kapelle aus Elefantenzähnen bauen und ihr weiße Bohnen und Bananen bringen würden. Aber die Kleine war seiner so sicher, daß sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm, ihrer Gewohnheit gemäß, nur ins Ohr flüsterte: »Du wirst mich schon nicht hier lassen!« Dann begann sie vor Freude umherzuspringen und meinte, daß die ganze Reise bis zum Ozean leicht und schnell vor sich gehen würde, weil die Neger so gut waren. Das alles spielte sich vor dem Zelt ab, vor den Augen der Neger. Als M'Rua den guten Mzimu umherhüpfen sah, fing er auch an, auf seinen krummen Beinen umherzuspringen, um dadurch seine Frömmigkeit zu beweisen. Seinem Beispiel folgten die Minister, ihnen die Krieger, Weiber und Kinder, kurz, das ganze Dorf sprang eine Zeitlang umher, als wenn alle verrückt geworden wären. Staß amüsierte sich über das von der »Gottheit« gegebene Beispiel so, daß er sich vor Lachen fast wälzte.
Jedoch leistete der Knabe dem frommen König und seinen Untertanen auch einen wirklichen, nachhaltenden Dienst. Als nämlich Elefanten die Bananenplantagen überfielen, ritt Staß auf King hinaus und feuerte einige Raketen ab. Die Panik, die die Feuerschlangen hervorriefen, überstieg sogar seine Erwartungen. Die Riesentiere, die von wahnsinniger Angst ergriffen wurden, erfüllten das ganze Dschungel mit ihrem Gebrüll und Getrampel. Sie flohen blindlings ins Weite, stürzten dabei und traten sich gegenseitig. Der mächtige King verfolgte die fliehenden Kameraden mit großer Lust, ohne dabei mit Hauerstößen und Rüsselschlägen zu sparen. Nach einer solchen Nacht konnte man sicher sein, daß sich für lange Zeit kein Elefant in den Bananen- und Palmenplantagen, die zum Dorfe M'Ruas gehörten, mehr zeigen würde.
Im Dorfe herrschte darob große Freude, und die Neger verbrachten die ganze Nacht mit Tanzen, wobei sie Hirsebier und Palmwein tranken. Kali erfuhr von ihnen viele wichtige Dinge, denn es stellte sich heraus, daß einige von dem großen Wasser im Osten und von den Bergen, die es umgeben, gehört hatten. Das bewies Staß, daß dieser See, von dem sie in der Geographiestunde nichts gehört hatten, tatsächlich existierte, und daß, wenn sie der von ihnen gewählten Richtung weiter folgten, sie schließlich auf das Volk der Wa-hima stoßen würden. Und daraus, daß die Sprache Meas und Kalis sich von der M'Ruas fast gar nicht unterschied, folgerte er, daß die Benennung Wa-hima wahrscheinlich nur eine örtliche war, und daß die an den Ufern des »Basso-Narok« wohnenden Neger zum großen Schillukstamm gehörten, der sich von den Ufern des Nils an bis in unbekannte Fernen gen Osten Diese Gegenden waren zu den Zeiten des Mahdi noch nicht bekannt. erstreckt.