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Staß unterwies Kali auch darin, mit Remingtongewehren zu schießen, und dieser Unterricht war bei weitem leichter, als der im Katechismus. Nachdem Kali sich zehn Tage nach der Scheibe und auf im Ufersand schlafende Krokodile zu schießen geübt hatte, erlegte er eine große Antilope Pofu Bosclapha Canna. , dann einige Arielen und schließlich auch einen Ndiri. Dabei hätte er um ein weniges ebenso wie Linde verunglücken können, denn das Tier, dem sich Kali nach dem Schusse näherte, sprang auf und stürzte sich auf ihn mit nach oben gerichtetem Schwanze Die afrikanischen Wildeber baden einen breit endenden Kopf und abgerundete, nicht dreikantige Hauer und einen ziemlich langen Schwanz, den sie beim Überfall nach oben richten.. Kali warf den Karabiner weg und rettete sich auf einen Baum, auf dem er so lange sitzen blieb, bis er Staß durch sein Schreien herbeigerufen hatte, der den Eber jedoch nicht mehr lebend antraf. Auf Büffel, Löwen und Nashörner gestattete Staß dem Neger noch nicht zu jagen. Und auf Elefanten, die abends zur Tränke kamen, schoß Staß selbst nicht, denn er hatte Nel versprochen, keine Elefanten zu töten.
Erblickte er jedoch morgens oder mittags vom Berge aus durch sein Fernrohr im Dschungel weidende Zebraherden oder Büffel, Arielen und springende Ziegenböcke, so nahm er Kali mit sich.
Während der Jagd fragte er ihn dann über die Wa-hima und Samburustämme aus, auf die er, da er sich entschlossen hatte, gen Osten zur Ozeanküste zu gehen, unbedingt treffen mußte.
»Weißt du, Kali,« fragte er einmal, »daß wir in zwanzig Tagen, zu Pferde sogar noch eher, in dein Land gelangen können?«
»Kali weiß nicht, wo Wa-hima wohnen«, antwortete der junge Neger, indem er traurig den Kopf schüttelte.
»Aber ich weiß es. Sie wohnen an der Seite eines großen Wassers, an der morgens die Sonne aufgeht.«
»Ja, ja!« rief voll Verwunderung und Freude der schwarze Junge. »Basso-Narok! Das ist in unserer Sprache großes und schwarzes Wasser. Großer Herr weiß alles!«
»Nein, denn ich weiß nicht, wie uns die Wa-hima aufnehmen werden, wenn wir zu ihnen kommen?«
»Kali wird befehlen, aufs Gesicht zu fallen vor dem großen Herrn und guten Mzimu.«
»Und werden sie dir gehorchen?«
»Kalis Vater tragen ein Leopardenfell und Kali auch.«
Staß verstand, daß Kalis Vater der König der Wa-hima war, und Kali selbst der älteste Sohn und künftige Herrscher. Dann fragte er weiter:
»Du sagtest mir, daß weiße Leute bei euch waren, und daß die älteren Leute von euch sich noch daran erinnern?«
»Ja, Kali hat auch gehört, daß sie auf ihren Köpfen viel Perkal tragen.«
»Ach,« dachte Staß, »dann waren es keine Europäer, nur Araber, die die Neger ihrer helleren Gesichtsfarbe und ihrer weißen Kleider wegen für Weiße hielten.«
Da Kali sich aber ihrer nicht erinnern und auch keine weiteren Erklärungen geben konnte, so stellte Staß ihm eine andere Frage:
»Haben die Wa-hima denn keinen von den weiß gekleideten Menschen getötet?«
»Nein, die Wa-hima und die Samburu dürfen das nicht tun.«
»Warum denn nicht?«
»Weil sie sagten, wenn ihr Blut in die Erde einzieht, so wird es aufhören zu regnen.«
»Wie gut, daß sie das glaubten!« dachte Staß bei sich.
Dann fragte er weiter:
»Würden die Wa-hima mit uns zum Ozean mitkommen, wenn ich ihnen viel Perkal, Glasperlen und Flinten versprechen würde?«
»Kali gehen, und Wa-hima auch. Aber der große Herr erst mu Samburu besiegen, die an der anderen Seite des Wassers wohnen.«
»Und wer wohnt hinter den Samburu?«
»Hinter Samburu gibt es keine Berge, nur Dschungel und Löwen darin.«
So schloß die Unterhaltung. Staß dachte jetzt immer öfter an die große Reise nach dem Osten, da er sich der Worte Lindes erinnerte, daß man auf diesem Wege Arabern von der Küste, die mit Elfenbein handeln, oder auch Missionsexpeditionen begegnen könnte. Er wußte wohl, daß eine solche Reise für Nel eine Reihe schrecklicher Strapazen und neuer Gefahren bedeutete, aber er verstand gleichzeitig, daß sie nicht ihr ganzes Leben auf dem Lindeberg zubringen konnten, und daß man zur Weiterreise aufbrechen mußte. Die Zeit nach der Regenperiode, wo die giftigen Sümpfe mit Wasser bedeckt sind, das man überall findet, war die allergünstigste zur Reise.
Auf dem Plateau machte sich die Hitze noch nicht so fühlbar, die Nächte waren sogar so kühl, daß man sich ordentlich zudecken mußte, aber unten im Dschungel war es schon bedeutend heißer, und Staß wußte, daß die ungeheure Hitze nun bald eintreten mußte. Es regnete schon sehr selten, und der Wasserspiegel des Flusses fiel täglich. Staß nahm an, daß sich der Fluß im Sommer vielleicht in einen solchen Khor verwandelt, wie sie deren viele in der Libyschen Wüste gesehen hatten, und daß höchstens in der Mitte des Flusses ein schmaler Wasserstreifen übrigblieb.
Trotzdem verschob er die Abreise von Tag zu Tag. Alle fühlten sich auf dem Lindeberg so wohl, die Menschen und auch die Tiere! Nel war nicht nur ihr Fieber hier los geworden, sondern auch ihre Blutarmut. Staß empfand gar keine Kopfschmerzen mehr, Meas und Kalis Haut glänzte wie schwarzer Atlas, und Nasibu sah aus wie eine auf dünnen Beinen wandelnde Melone. Auch King hatte sich ebenso wie die Pferde und der Esel gut angefüttert. Staß wußte nur zu gut, daß sie eine zweite solche »Insel« inmitten des Dschungelmeers bis zum Schluß ihrer Reise nicht wieder finden würden.
Mit Angst dachte der Knabe an die Zukunft, obwohl sie jetzt an King große Hilfe und Schutz hatten.
So verfloß noch, ehe sie mit den Reisevorbereitungen begannen, eine ganze Woche. In den freien Stunden, wenn sie nicht mit Packen beschäftigt waren, hörten sie nicht auf, Drachen fliegen zu lassen, mit der Meldung, daß sie nach Osten ziehen würden zu einem See und dann zum Ozean. Sie taten es, weil ein starker, zuweilen orkanartiger Westwind wehte, der die Drachen mit forttrug bis zu den Bergen und auch darüber hinweg. Staß verfertigte auch aus den Zeltresten für Nel einen Palankin, um sie vor der Hitze zu schützen; denn das kleine Mädchen sollte darin auf dem Rücken des Elefanten reisen. Nach einigen Proben gewöhnte sich King an das Tragen des Palankins, der mit Hilfe kräftiger Palmschnüre auf seinem Rücken befestigt wurde. Diese Last war übrigens federleicht im Vergleich zu der, die man ihm aufzuladen gedachte, deren Einteilung und Verpackung Kali und Mea aufgetragen worden war.
Der kleine Nasibu erhielt den Befehl, Bananen zu trocknen und vermittels zweier flacher Steine zu Mehl zu reiben. Beim Abpflücken der schweren Fruchtbündel half ihm King, wobei sich beide so vollstopften, daß bald in der Nähe der Hütten keine Bananen mehr vorhanden waren. Sie mußten deshalb zu einer anderen Anpflanzung gehen, die sich am entgegengesetzten Ende des Plateaus befand. Sabà, der nichts zu tun hatte, begleitete sie meist bei diesen Ausflügen.
Um ein Haar hätte Nasibu seinen Eifer mit dem Leben oder wenigstens mit einer Art von Gefangenschaft bezahlen müssen. Als er nämlich einmal am Rande des steilen Abhanges Bananen sammelte, erblickte er plötzlich in einem Felsenspalt ein gräßliches, mit schwarzen Haaren bedecktes Geschöpf, das mit den Augen blinzelte und seine weißen Zähne fletschte, als wenn es lachte. Im ersten Augenblick stand der Junge vor Schreck wie gelähmt, dann aber begann er, aus Leibeskräften fortzurennen. Aber ehe er einige Schritte weit gelaufen war, umschlang ihn ein zottiger Arm und hob ihn in die Höhe. Das pechschwarze Ungeheuer jagte mit ihm zum Abgrund.
Es war ein Glück, daß der Riesenaffe, nachdem er den Jungen ergriffen hatte, nur auf zwei Beinen forteilen konnte, deshalb holte ihn Sabà, der in der Nähe war, mit Leichtigkeit ein und versenkte seine Reißzähne in des Affen Rücken. Nun begann ein furchtbarer Kampf, in dem der Hund trotz seines mächtigen Wuchses und seiner Kräfte mit Sicherheit unterlegen wäre, denn die Gorillas Die Gorillas leben in den Wäldern des westlichen Afrika, jedoch begegnete Liwingstone ihnen auch in ostafrikanischen Wäldern. Sie rauben oft Kinder. Der ostafrikanische Gorilla ist weniger boshaft als der westafrikanische. Wenn er verwundet wird, so tötet er den Schützen nicht, er begnügt sich damit, ihm seine Finger abzubeißen. überwältigen sogar einen Löwen. Die Affen haben im allgemeinen die Gewohnheit, ihre Beute nicht fahren zu lassen, selbst wenn es sich um ihr Leben und ihre Freiheit handelt. Jedoch von hinten angegriffen, konnte er Sabà nicht leicht ergreifen, trotzdem packte er ihn schließlich mit seiner linken Hand am Nacken und wollte ihn gerade in die Höhe heben, als der Boden unter schweren Tritten erdröhnte, – King eilte herbei.
Ein kleiner Schlag mit dem Rüssel genügte, um den schrecklichen »Waldteufel«, wie die Neger den Gorilla nennen, mit zerschmettertem Schädel und Nacken niederzustrecken. Zur größeren Sicherheit oder auch aus angeborenem Jähzorn nagelte King ihn noch mit seinen Hauern an die Erde. Und er hörte erst auf, sich an ihm zu rächen, als Staß, durch das Geschrei und Gebrüll beunruhigt, mit der Flinte von der Hütte her angerannt kam und ihm aufzuhören befahl.
Der Gorilla lag in einer Lache von Blut, das Sabà schlürfte, und das Kings Hauer rot gefärbt hatte, ein Riese an Größe, mit verdrehten Augen und gefletschten Zähnen, noch immer schreckenerregend, obgleich er nicht mehr lebte. Der Elefant trompetete im Triumphgefühl des Siegers, und der vor Entsetzen aschfahle Nasibu erzählte Staß, was vorgefallen war. Einen Augenblick überlegte Staß, ob er Nel nicht herführen sollte, um ihr den ungeheuren Affen zu zeigen. Dann aber verwarf er diese Absicht; denn plötzlich kam ihm ein schrecklicher Gedanke. Wie leicht konnte Nel, die oft auf der »Insel« allein umherging, ein Gleiches zugestoßen sein!
Es zeigte sich also, daß der Lindeberg keine so sichere Zuflucht bot, als es am Anfang den Anschein hatte.
Staß kehrte nach Nels Hütte zurück und erzählte ihr von dem Vorfall. Sie hörte neugierig und mit vor Schreck weit geöffneten Augen zu, indem sie ein um das andere Mal wiederholte:
»Siehst du, was ohne King geschehen wäre!«
»Das ist wahr! – Unter der Obhut eines solchen Kindermädchens braucht man für das Kind nicht zu fürchten. Darum gehe bis zu unserer Abreise keinen Schritt ohne ihn aus.«
»Die Vorräte sind fertiggestellt, die Gepäckstücke verteilt; es bleibt nur noch die Tiere zu beladen, und wir können schon morgen aufbrechen.«
»Zu unseren Väterchen!«
»Wenn Gott will«, antwortete Staß ernst.