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Durch gewundene kleine Gassen gelangten sie schließlich auf den in der Mitte der Stadt gelegenen Markt. Unterwegs sahen sie viele Menschen mit abgehauenem Arm oder Bein. Das waren Verbrecher, die Beute verheimlicht oder gestohlen hatten. Die Strafen, die von den Kalifen und Emiren für Ungehorsam oder Übertretungen der Gebote des Propheten auferlegt wurden, waren fürchterlich. Und sogar bei leichten Verfehlungen, wie z. B. für Tabakrauchen, wurden die Leute bis aufs Blut und bis zur Besinnungslosigkeit mit Karbatschen geschlagen. Während die Kalifen selbst die Vorschriften nur nach außen hin befolgten und sich zu Hause alles zu tun erlaubten, bestraften sie die armen Leute so, daß sie ihnen an einem Abend ihr ganzes Hab und Gut raubten und ihnen nichts anderes übrig blieb, als zu betteln. Viele von ihnen verhungerten dann natürlich. An den im Freien zum Verkauf aufgestellten Tischen mit Lebensmitteln wimmelte es von derartigen Bettlern.
Das erste, was die Aufmerksamkeit der Kinder auf dem Markte auf sich zog, war ein dort auf einem Bambusrohr aufgespießter menschlicher Kopf. Das Gesicht war ausgetrocknet, fast schwarz, die Kopf- und Barthaare hingegen waren weiß wie Milch. Einer der Soldaten erklärte Idrys, daß dies Gordons Kopf sei. Als Staß das hörte, ergriff ihn tiefe Wehmut, Empörung und brennendes Verlangen nach Rache; zugleich aber erstarrte ihm vor Entsetzen das Blut in den Adern. So also hatte dieses heldenhafte Leben dieses Ritters ohne Furcht und Tadel, dieses gerechten und guten Menschen, den man sogar im Sudan geliebt hatte, enden müssen. Und die Engländer waren ihm nicht zur rechten Zeit zu Hilfe gekommen, sie hatten sogar den Rückzug angetreten, ohne seine menschlichen Reste christlich zu bestatten, sondern sie einfach den Schmähungen dieser Wilden überlassen!
In diesem Augenblick wurde Staß' Glauben an die Engländer stark erschüttert. Bis dahin hatte er gemeint, daß England für das kleinste Unrecht, das man einem seiner Bürger zufügte, bereit wäre zu einem Kriege gegen die ganze Welt. Im Grunde seiner Seele hatte die Hoffnung geschlummert, daß nach dem Mißlingen der Verfolgung sich auch zum Schutze der Tochter Rawlisons eine große englische Armee bis nach Chartum und weiter aufmachen würde. Und jetzt mußte er sich davon überzeugen, daß Chartum und das ganze Land sich in den Händen des Mahdi befand, und daß die ägyptische Regierung und auch England mehr daran dachten, Ägypten vor einer weiteren Eroberung zu schützen, als an die Befreiung der europäischen Gefangenen aus der Sklaverei. Er begriff, daß er und Nel in einen Abgrund gestürzt waren, aus dem es keine Rettung gab. Und dieser Gedanke in Verbindung mit den Greueltaten, die er auf der Straße von Omdurman gesehen hatte, schlugen ihn vollends nieder. Die in ihm wohnende Energie machte für einen Augenblick einer dumpfen Ergebung in sein Schicksal und der Furcht vor der Zukunft Platz. In diesem Zustand begann er, sich fast gedankenlos auf dem Markt und an den Verkaufsstellen umzusehen, an denen Idrys Lebensmittel einhandelte. Die Händlerinnen, zumeist Frauen aus dem Sudan und Negerinnen, verkauften Dziuben, d. h. Weiße, mit bunten Flicken benähte Leinenkittel, ferner von den Akazien gewonnenen Gummi, ausgehöhlte Kürbisse, Glasperlen, Schwefel und allerhand Matten. Tische mit Lebensmitteln gab es nur wenige, die alle von einer großen Menge umlagert wurden. Die Mahdisten kauften zu unglaublich hoch getriebenen Preisen hauptsächlich getrocknetes Fleisch von Haustieren, aber auch Büffel-, Antilopen- und Giraffenfleisch. An Datteln, Feigen, Manioka und Durra fehlte es ganz. Nur selten wurden Wasser mit Honig von wilden Bienen und Hirsekörner, die in einer Abkochung von Tamarinde erweicht waren, feilgeboten.
Idrys war ganz verzweifelt. Es zeigte sich, daß angesichts solcher Preise das ganze ihm von Fatima zum Leben eingehändigte Geld bald zu Ende sein würde, und daß ihm dann nichts übrigbliebe, als zu betteln. Seine letzte Hoffnung war Smain, und sonderbarerweise rechnete auch Staß jetzt einzig auf Smains Hilfe.
Nach Verlauf einer Stunde kehrte Nur-el-Tadhil vom Kalifen Abdullah zurück. Es war klar, daß ihm etwas Unangenehmes begegnet war, denn er kam in schlechter Laune. Und als Idrys ihn nun fragte, ob er nichts von Smain gehört hätte, antwortete er verdrießlich.
»Dummkopf, glaubst du, daß der Kalif und ich nichts Besseres zu tun haben, als für dich Smain zu suchen.«
»Was soll ich denn nun aber anfangen?«
»Tu, was du willst. Ich habe dich in meinem Hause übernachten lassen und dir einige gute Winke gegeben, jetzt aber will ich nichts weiter von dir wissen.«
»Schön, wo aber soll ich zur Nacht hin?«
Mit diesen Worten ging er mit seinen Soldaten fort. Idrys konnte ihn nur durch vieles Bitten dazu bewegen, daß er ihm die Kamele und den Rest der Karawane samt den Arabern, die sich ihm zwischen Assuan und Wadi-Halfa angeschlossen hatten, zum Marktplatz nachschickte. Gegen Mittag kamen diese Leute auch an, und es stellte sich heraus, daß alle zusammen nicht wußten, was sie beginnen sollten. Die beiden Beduinen begannen sich mit Idrys und Gebhr zu zanken, da sie behaupteten, daß die beiden ihnen eine ganz andere Aufnahme versprochen und sie also betrogen hätten. Nach langen Streitigkeiten und Beratungen beschlossen sie endlich, sich an der Grenze der Stadt Laubhütten aus Zweigen und dem Rohr der Hirse zu bauen und sich so eine Unterkunft für die Nacht zu sichern. Das übrige wollten sie der Vorsehung und – der Zeit überlassen.
Nachdem sie die Hütten, deren Bau bei den Sudanesen und Negern sehr schnell vonstatten geht, fertiggestellt hatten, begaben sich alle außer Chamis, der für das Abendessen zu sorgen hatte, zum öffentlichen Gebetplatz. Der Weg war nicht schwer zu finden, denn aus ganz Omdurman strömte die Menge des Volkes dahin. Es war ein großer Platz, der teils von einer Dornenhecke, teils von einem Lehmzaun eingeschlossen wurde, den man vor kurzem zu bauen begonnen hatte. In der Mitte erhob sich ein Holzpodium, von dem aus der Prophet die Menge belehrte. Vor dem Podium waren für den Mahdi, die Kalifen und die Scheichs Schaffelle ausgebreitet. Zu beiden Seiten waren die Standarten der Kalifen in den Boden gesteckt, die im Winde flatterten und in den verschiedensten Farben schimmerten wie große Blumen.
Dichte Reihen von Derwischen umgaben den Platz von allen vier Seiten, und ein Wald von Spießen ragte ringsum empor, denn fast alle Krieger waren mit einem solchen ausgerüstet.
Ein Glück für Idrys, Gebhr und die anderen Teilnehmer der Karawane war es, daß man sie für das Gefolge eines der Emire hielt und sie deshalb bis zu den ersten Reihen der Versammelten vordringen ließ. Die Ankunft des Mahdi wurde durch schöne und feierliche Töne aus der großen Umbai angekündigt, und als er den Platz betrat, erschallten die durchdringenden Laute von Pfeifen, das Dröhnen von Trommeln, das Geklapper von Steinen in ausgehöhlten Kürbissen und das Pfeifen auf den vorderen Elefantenzähnen, was alles zusammen einen Höllenlärm verursachte. Eine unbeschreibliche Begeisterung erfaßte die Menge. Einige warfen sich auf die Knie, andere schrien aus Leibeskräften: »O von Gott Gesandter! O Siegreicher! O Barmherziger! O Gnädiger!« Das währte so lange, bis der Mahdi das Podium betrat. Dann trat sogleich Todesstille ein. Der Mahdi erhob die Hände, legte die Daumen an die Ohren und betete eine Zeitlang.
Die Kinder standen nicht weit entfernt und konnten ihn daher gut sehen. Er war ein Mann mittleren Alters, sonderbar feist, wie aufgetrieben, und fast schwarz. Staß, der ein ungewöhnlich scharfes Auge hatte, bemerkte, daß sein Gesicht tätowiert war. An dem einen Ohre hing ein großer Ring aus Elfenbein. Er trug eine weiße Dziuba und ein weißes Käppchen auf dem Kopfe; die Füße waren nackt, da er, als er das Podium betrat, die roten Halbstiefel abgeworfen und bei den Schaffellen zurückgelassen hatte, wo er nachher das Gebet verrichtete. Seine Kleidung wies nicht den geringsten Luxus auf. Nur zeitweise führte der Wind einen starken Geruch von Sandelöl Stark duftendes, im Orient aus dem Sandelbaum bereitetes Öl. herüber, den die Gläubigen gierig mit geblähten Nüstern und vor Wonne verzückten Augen einsogen.
Staß hatte sich im allgemeinen den Propheten anders vorgestellt, diesen fürchterlichen Mann, der Tausende von Menschen geplündert und ermordet hatte, und er konnte des Staunens kein Ende finden, wenn er auf dieses dicke Gesicht sah mit dem sanften Blick, den schwimmenden Augen und dem ewigen Lächeln, das gewissermaßen seinen Lippen angeheftet war. Er hatte geglaubt, daß ein Mensch wie der Mahdi einen Hyänen- oder einen Krokodilskopf auf seinen Schultern tragen müsse, und nun sah er einen runden Kürbis vor sich, der Bildern ähnelte, die den Vollmond darstellen.
Jetzt begann der Prophet seine Predigt. Seine tiefe und wohlklingende Stimme war auf dem ganzen Platze zu vernehmen, so daß jedes seiner Worte zu den Ohren der Gläubigen drang. Er drohte zuerst mit den Strafen, die Gott denen schicke, die die Vorschriften des Mahdi übertraten, die Beute verheimlichten, sich mit Meris betranken, stahlen, die Feinde in der Schlacht schonten und Tabak rauchten. Solcher Vergehen wegen schicke Allah dem Sünder Hunger und Krankheit, die sein Gesicht in eine Honigwabe verwandelte Pocken.. Das Leben auf Erden gleiche einem durchlöcherten Wassersacke. Reichtum und Luxus versiegen im Sande, der die Toten bedeckt. Allein der Glaube sei wie eine Kuh, die süße Milch gibt. Die Pforten des Paradieses würden sich nur den Siegern öffnen. »Wer die Feinde besiegt, erwirbt sich die Erlösung. Wer für den Glauben stirbt, wird in der Ewigkeit leben! Glücklich, hundertmal glücklich die, die schon den Tod im Kampfe erlitten haben!«
»Wir wollen für den Glauben sterben!« antwortete im lauten Chor die Menge. Und der Höllenlärm erhob sich wieder für einige Zeit. Die Trompete und die Trommeln ertönten, die Krieger schlugen mit den Schwertern und Speeren aneinander.
Die Begeisterung für den Krieg verbreitete sich wie eine Flamme durch die Reihen. Einige riefen: »Der Glaube wird siegen!« andere: »Durch den Tod ins Paradies!« Staß verstand nun, warum die ägyptischen Truppen diesen wilden Scharen nicht widerstehen konnten.
Als der Lärm sich etwas gelegt hatte, erhob der Prophet von neuem seine Stimme. Er erzählte von seinen Visionen und von seiner göttlichen Sendung. Allah hatte ihm befohlen, den Glauben zu reinigen und ihn über die ganze Welt zu verbreiten. Wer ihn nicht als den Mahdi, den Erlöser, anerkenne, der sei dem ewigen Tode verdammt! »Das Ende der Welt ist nahe, aber zuvor ist es Pflicht der Gläubigen, Ägypten zu erobern, Mekka und alle die Länder, die jenseits des Meeres von Heiden bewohnt werden. Das ist der unerschütterliche Wille Gottes, den nichts zu ändern vermag. Viel Blut wird noch vergossen werden. Viele Krieger werden nimmer in ihre Zelte zu ihren Frauen und Kindern zurückkehren; aber das Glück derer, die im heiligen Kampfe fallen, kann keines Menschen Zunge schildern.« –
Dann streckte er die Arme den Versammelten entgegen und schloß: »Und so segne ich, der Erlöser und Diener Gottes, der den heiligen Krieg predigt, euch, ihr Krieger, und den Krieg selbst. Ich segne eure Mühen, eure Wunden, euren Tod! Ich segne den Sieg und weine über euch wie ein Vater, der euch liebgewonnen hat! – –«
Und er begann zu weinen. Die Menge brüllte und lärmte, als er vom Podium herunterstieg. Alle weinten. Unten angekommen, nahmen zwei Kalifen, Abdullah und Ali-uled-Helu, den Mahdi unter den Arm und führten ihn zu den Schlafstellen, wo er niederkniete. In dieser Pause fragte Idrys Staß erregt, ob unter den Emiren nicht auch Smain wäre.
»Nein«, antwortete der Knabe, der umsonst mit seinen Blicken nach dem bekannten Gesicht Smains ausgespäht hatte. »Ich sehe ihn nirgends, vielleicht ist er bei der Einnahme Chartums gefallen.«
Auch Chamis, der ihn von Port Said her kannte, hatte ihn gleichfalls nicht herausfinden können.
Das Gebet des Mahdi währte lange. Der Prophet fuchtelte dabei mit Händen und Füßen wie ein Clown umher, er hob verzückt die Augen und rief wiederholt: »Da ist er! da ist er!«
Die Sonne neigte sich schon nach Westen, als er aufstand und nach Hause ging. Die Kinder hatten nun Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, mit welchen Ehren die Derwische ihren Propheten umgaben. Die ganze Menschenmenge folgte ihm, sie zerkratzten die Erde an den Stellen, die seine Füße berührt hatten, und schlugen sich und stritten sich um diesen Vorzug, denn sie glaubten, daß der Sand, den seine Füße betraten, Gesunde behütete und Kranke heilte.
Der Gebetplatz leerte sich allmählich. Idrys, der selbst nicht wußte, was er beginnen sollte, wollte schon mit den Kindern und dem ganzen Schwarm zu Chamis und zum Nachtlager zurückkehren, als plötzlich derselbe Grieche, der am Morgen die Kinder beschenkt hatte, vor ihnen stand.
»Ich habe dem Mahdi von euch erzählt,« sagte er auf arabisch, »und der Prophet will euch sehen.«
»Ich danke Allah und dir, Herr!« rief Idrys. »Werden wir an der Seite des Propheten auch Smain finden?«
»Smain ist in Faschoda«, antwortete der Grieche.
Dann wandte er sich auf englisch zu Staß:
»Es ist möglich, daß der Prophet euch unter seine Obhut nimmt, da ich mich bemüht habe, ihn dazu zu überreden. Ich sagte ihm, daß man seine Barmherzigkeit dann unter allen weißen Völkern rühmen werde. Hier gehen fürchterliche Dinge vor, und ihr werdet ohne seine Fürsorge durch Hunger und Entbehrungen oder auch durch die Hand der Rasenden umkommen. Aber ihr müßt ihn für euch zu gewinnen suchen, und das hängt von dir ab.«
»Was soll ich tun, mein Herr?« fragte Staß.
Vor allem, wenn du vor ihm erscheinst, falle in die Knie. Und wenn er dir die Hand reicht, so küsse sie ehrfurchtsvoll und flehe ihn an, daß er euch beide unter seine Fittiche nimmt.«
Hier unterbrach der Grieche sich und fragte:
»Versteht jemand von diesen Leuten Englisch?«
»Nein, Chamis ist bei der Hütte geblieben, und Idrys und Gebhr verstehen nur einzelne Worte, und die anderen auch das nicht einmal.«
»Das ist gut. Dann höre weiter, es muß alles voraus bedacht werden. Der Mahdi wird dich wahrscheinlich fragen, ob du bereit bist, seinen Glauben anzunehmen. Darauf antworte sofort ›Ja‹ und sage, daß beim ersten Augenaufschlag von seinem Anblick ein unbekanntes Licht der Gnade sich auf dich ergossen habe, hörst du, ›ein unbekanntes Licht der Gnade‹. Das wird ihm gefallen, und er wird dich vielleicht unter den Mulazems, d. h. unter seinen eigenen Leibdienern einreihen. Ihr werdet dann in Wohlhabenheit leben können und alle Bequemlichkeiten erlangen, die euch vor Krankheiten schützen werden. Handelst du anders, so wirst du dich und diese arme Kleine ins Verderben stürzen, und mich dazu, der nur euer Bestes will, verstehst du?«
Staß biß die Zähne aufeinander und antwortete nicht, aber sein Gesicht war starr, und die Augen leuchteten düster. Als der Grieche das sah, sprach er weiter:
»Ich weiß, mein Junge, daß es eine sehr peinliche Sache ist, aber es gibt keinen anderen Ausweg. Alle, die man nach dem Massaker in Chartum am Leben gelassen hat, haben sich zu der Lehre des Mahdi bekannt. Nur einige katholische Missionare und Nonnen taten es nicht, aber das ist etwas ganz anderes. Der Koran verbietet, Geistliche zu töten, und obwohl ihre Lage eine fürchterliche ist, so droht ihnen wenigstens nicht der Tod. Für Laien dagegen gibt es keine andere Rettung. Ich wiederhole dir, alle sind zum Mohammedanismus übergetreten, Deutsche, Italiener, Kopten, Engländer, Griechen – ich selbst.«
Und hier, obwohl Staß ihm versichert hatte, daß niemand von ihnen Englisch verstand, dämpfte er seine Stimme dennoch:
»Ich brauche dir wohl nicht erst zu sagen, daß dies kein Verleugnen des Glaubens ist, keinerlei Verrat, keine Abtrünnigkeit. Im Herzen blieb jeder, was er war, und Gott sieht das wohl. – Vor der Übermacht muß man sich beugen, wenn auch nur zum Schein. – Die Pflicht eines jeden ist, sein Leben zu schützen, und es wäre Wahnsinn, ja sogar Sünde, dich der Gefahr auszusetzen. Und wozu? Des Scheines wegen, einiger Worte wegen, die man in seinem Innern verleugnet? – Bedenke, daß nicht nur dein Leben, sondern auch das deiner kleinen Kameradin in deiner Hand liegt, und darüber darfst du nicht verfügen. – Ich gebe dir die Versicherung, daß, wenn Gott dich aus diesen Händen befreit, du dir keine Vorwürfe zu machen brauchst; auch andere werden es nicht tun, dir so wenig – wie uns allen.« –
Indem der Grieche so sprach, versuchte er augenscheinlich, sein eigenes Gewissen zu täuschen, ebenso täuschte er sich über Staß' Schweigen, das er jetzt als ein Zeichen der Furcht ansah. Er sprach deshalb dem Knaben Mut zu:
»Das sind die Häuser des Mahdi«, sagte er. »Er zieht es vor, in Omdurman in diesen Holzbuden zu wohnen als in Chartum, obwohl ihm dort Gordons Palast zur Verfügung stände. Nur Mut, verliere den Kopf nicht! Beantworte alle Fragen entschlossen. Man schätzt hier die Kühnheit. Denke nicht, daß der Mahdi dich gleich anbrüllen wird wie ein Löwe. Nein! Er lächelt immer, selbst dann, wenn er nichts Gutes im Sinn hat.«
Nach diesen Worten schrie er der Menge, die vor dem Hause stand, zu, daß sie den Gästen des Propheten den Weg freigeben sollte.