Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens
Johann Peter Eckermann

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Mittwoch, den 10. Februar 1830

Mit Goethe zu Tisch. Er sprach mit wahrer Anerkennung über das Festgedicht Riemers zur Feier des 2. Februar. »Überhaupt,« fügte Goethe hinzu, »was Riemer macht, kann sich vor Meister und Gesellen sehen lassen.«

Wir sprachen sodann über die ›Klassische Walpurgisnacht‹, und daß er dabei auf Dinge komme, die ihn selber überraschen. Auch gehe der Gegenstand mehr auseinander, als er gedacht.

»Ich habe jetzt etwas über die Hälfte,« sagte er, »aber ich will mich dazuhalten und hoffe bis Ostern fertig zu sein. Sie sollen früher nichts weiter davon sehen, aber sobald es fertig ist, gebe ich es Ihnen mit nach Hause, damit Sie es in der Stille prüfen. Wenn Sie nun den achtunddreißigsten und neununddreißigsten Band zusammenstellten, so daß wir Ostern die letzte Lieferung absenden könnten, so wäre es hübsch, und wir hätten den Sommer zu etwas Großem frei. Ich würde im ›Faust‹ bleiben und den vierten Akt zu überwinden suchen.« Ich freute mich dazu und versprach ihm meinerseits jeden Beistand.

Goethe schickte darauf seinen Bedienten, um sich nach der Großherzogin-Mutter zu erkundigen, die sehr krank geworden und deren Zustand ihm bedenklich schien.

»Sie hätte den Maskenzug nicht sehen sollen,« sagte er, »aber fürstliche Personen sind gewohnt, ihren Willen zu haben, und so ist denn alles Protestieren des Hofes und der Ärzte vergeblich gewesen. Dieselbige Willenskraft, mit der sie Napoleon widerstand, setzt sie auch ihrer körperlichen Schwäche entgegen; und so sehe ich es schon kommen, sie wird hingehen, wie der Großherzog, in voller Kraft und Herrschaft des Geistes, wenn der Körper schon aufgehört haben wird zu gehorchen.«

Goethe schien sichtbar betrübt und war eine Weile stille. Bald aber sprachen wir wieder über heitere Dinge, und er erzählte mir von einem Buch, zur Rechtfertigung von Hudson Lowe geschrieben.

»Es sind darin Züge der kostbarsten Art,« sagte er, »die nur von unmittelbaren Augenzeugen herrühren können. Sie wissen, Napoleon trug gewöhnlich eine dunkelgrüne Uniform. Von vielem Tragen und Sonne war sie zuletzt völlig unscheinbar geworden, so daß die Notwendigkeit gefühlt wurde, sie durch eine andere zu ersetzen. Er wünschte dieselbe dunkelgrüne Farbe, allein auf der Insel waren keine Vorräte dieser Art; es fand sich zwar ein grünes Tuch, allein die Farbe war unrein und fiel ins Gelbliche. Eine solche Farbe auf seinen Leib zu nehmen, war nun dem Herrn der Welt unmöglich, und es blieb ihm nichts übrig, als seine alte Uniform wenden zu lassen und sie so zu tragen.

Was sagen Sie dazu? Ist es nicht ein vollkommen tragischer Zug? Ist es nicht rührend, den Herrn der Könige zuletzt so weit reduziert zu sehen, daß er eine gewendete Uniform tragen muß? Und doch, wenn man bedenkt, daß ein solches Ende einen Mann traf, der das Leben und Glück von Millionen mit Füßen getreten hatte, so ist das Schicksal, das ihm widerfuhr, immer noch sehr milde; es ist eine Nemesis, die nicht umhin kann, in Erwägung der Größe des Helden, immer noch ein wenig galant zu sein. Napoleon gibt uns ein Beispiel, wie gefährlich es sei, sich ins Absolute zu erheben und alles der Ausführung einer Idee zu opfern.«

Wir sprachen noch manches dahin Bezügliche, und ich ging darauf ins Theater, um den ›Stern von Sevilla‹ zu sehen.


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