Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens
Johann Peter Eckermann

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Sonntag, den 15. Februar 1824

Heute vor Tisch hatte Goethe mich zu einer Spazierfahrt einladen lassen. Ich fand ihn frühstückend, als ich zu ihm ins Zimmer trat; er schien sehr heiterer Stimmung.

»Ich habe einen angenehmen Besuch gehabt,« sagte er mir freudig entgegen; »ein sehr hoffnungsvoller junger Mann, Meyer aus Westfalen, ist vorhin bei mir gewesen. Er hat Gedichte gemacht, die sehr viel erwarten lassen. Er ist erst achtzehn Jahre alt und schon unglaublich weit.

Ich freue mich,« sagte Goethe darauf lachend, »daß ich jetzt nicht achtzehn Jahre alt bin. Als ich achtzehn war, war Deutschland auch erst achtzehn, da ließ sich noch etwas machen; aber jetzt wird unglaublich viel gefordert, und es sind alle Wege verrannt.

Deutschland selbst steht in allen Fächern so hoch, daß wir kaum alles übersehen können, und nun sollen wir noch Griechen und Lateiner sein, und Engländer und Franzosen dazu! Ja obendrein hat man die Verrücktheit, auch nach dem Orient zu weisen, und da muß denn ein junger Mensch ganz konfus werden.

Ich habe ihm zum Trost meine kolossale Juno gezeigt, als ein Symbol, daß er bei den Griechen verharren und dort Beruhigung finden möge. Er ist ein prächtiger junger Mensch! Wenn er sich vor Zersplitterung in acht nimmt, so kann etwas aus ihm werden.

Aber, wie gesagt, ich danke dem Himmel, daß ich jetzt, in dieser durchaus gemachten Zeit, nicht jung bin. Ich würde nicht zu bleiben wissen. Ja selbst wenn ich nach Amerika flüchten wollte, ich käme zu spät, denn auch dort wäre es schon zu helle.«


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