- Indes sein Blick nach seiner Wonne flammte,
Tat er mit heil’gem Wort mir dieses kund,
Sich unterziehend freiem Lehreramte:
- "Sie zu Mariens Fuß, die euch gesund
Und heil gemacht, die Erste dort der Frauen,
Die Schönste, die euch krank gemacht und wund.
- Im Range, den die dritten Sitze bauen,
Wirst du sodann die Rahel unter ihr,
Mit Beatricen, deiner Herrin, schauen.
- Sara, Rebekka, Judith zeigen dir
Sich mit des Ahnfrau, der im Bußgesange
Voll Reu’ ausrief: Herr, schenk’ Erbarmen mir!
- Absteigend stufenweis von Rang zu Range,
Gereiht, wie Kunde dir mein Wort verlieh,
Von Blatt zu Blatt mit ihrer Namen Klange.
- Hebräerfrau’n, vom siebten Kreis ab, wie
Bis hin zu ihm, ward dieser Sitz zuteile,
Und dieser Blume Locken scheiden sie,
- Weil sie, wie gläubig sich der Blick zum Heile,
Das Christus gab, gewandt, als Mauer stehn,
Daß sich durch sie die heil’ge Stiege teile.
- Hier, wo die Blume reich und voll und schön
Entfaltet ist, hier sitzen die Verklärten,
Die gläubig auf den künft’gen Christ gesehn.
- Dort, wo noch leerer Raum für viel Gefährten
Im Halbkreis ist, dort sitzen die gereiht,
Die ihren Blick auf den Gekommnen kehrten.
- Wie hier der Fürstin Stuhl in Herrlichkeit
Und unter ihr die ändern zu gewahren,
Und wie sie bilden solchen Unterscheid;
- So dort der Stuhl des Täufers, der erfahren,
Der immer Heil’ge, Wüst’ und Märtyrpein
Und dann der Hölle Nacht in zweien Jahren.
- Franz, Benedikt und Augustin – sie reih’n
Sich unter ihm, die Scheidewand zu bauen,
Mit andern unterhalb von Reih’n zu Reih’n.
- Hier magst du Gottes hohe Vorsicht schauen,
Denn Glaube, welcher vor- und rückwärts sieht,
Erfüllt gleich zahlreich diese Gartenauen.
- Und von der Stieg’ abwärts, die dies Gebiet
In zwei geschieden, sitzen solche Seelen,
Die eigenes Verdienst nicht herbeschied,
- Nein, fremdes – nur darf der Beding nicht fehlen –
Denn hier sind alle, die dem Leib entfloh’n,
Bevor sie noch vermochten, selbst zu wählen.
- Dies merkst du an den Angesichtern schon
Und an den Stimmen, die noch kindlich klingen,
Wenn du wohl spähst und horchst auf ihren Ton.
- Noch seh’ ich schweigend dich mit Zweifeln ringen,
Doch lösen werd’ ich dir das feste Band,
Mit welchem dich die Grübelei’n umschlingen.
- Aus unsers ew’gen Königs weitem Land
Ist auch des kleinsten Zufalls blindes Walten,
Wie Hunger, Durst und Traurigkeit, verbannt.
- Nach ewigem Gesetz muß sich gestalten
Was du hier siehst, und muß sich, wie der Ring
Zum Finger paßt, so unter sich verhalten.
- Daher auch, wer dem Truge früh entging
Und zu der Wahrheit kam, nicht ohne Gründe
Mehr oder minder Herrlichkeit empfing.
- Der Fürst, durch den dies Reich, entrückt der Sünde,
In solcher Lieb’ und solcher Wonne ruht,
Daß keiner ist, des Wille höher stünde,
- Verteilt den Seelen, seiner heitern Glut
Entstammt, nach eigner Willkür seine Gaben;
Und g’nüge hier, was kund die Wirkung tut.
- Und hiervon legt in jenen Zwillingsknaben
Die Heil’ge Schrift ein deutlich Beispiel dar,
Die sich bekämpft im Leib der Mutter haben.
- Und also krönt der Gnade Schein ihr Haar,
Und also scheint das höchste Licht in ihnen
Nach ihrem Werte mehr und minder klar.
- Verschieden, nicht nach dem, was sie verdienen,
Sind sie von Grad zu Grade hier gestellt,
Nur wie auf sie des Schöpfers Huld geschienen.
- So g’nügt’ es in der Jugendzeit der Welt
Unschuld’gen, um zum Heile zu gelangen,
Daß Glaubenslicht der Eltern Geist erhellt.
- Dann mußte, wie die erste Zeit vergangen,
Was männlich war, zuvor zur Seligkeit
Durch die Beschneidung noch die Kraft empfangen.
- Doch, als gekommen war der Gnade Zeit,
Blieb ohne die vollkommne Taufe Christi
Die UnschuId in der ew’gen Dunkelheit.
- Jetzt schau’ ins Antlitz, das dem Antlitz Christi
Am meisten gleicht, und deine Kraft erhoh’n
Wird seine Klarheit zu dem Anschau’n Christi."
- Lust strahlt’ aus dem Gesicht, so klar und schön,
Die er zu ihr durch jene Heil’gen schickte,
Erschaffen, zu durchfliegen jene Höh’n,
- Daß nichts, was ich noch je zuvor erblickte,
Mich aIso mit Bewunderung durchdrang,
Nichts mich so sehr durch Gottes Bild erquickte.
- Die Liebe, die zuerst sich niederschwang,
Verbreitete vor ihr jetzt das Gefieder,
Indem sie – Sei begrüßt, Maria! sang.
- Und alsogleich antworteten die Lieder
Der Sel’gen Geister diesem Himmelslied, –
Und heitrer strahlten rings die Wonnen wider.
- "O Heil’ger, du, den Lieb’ herniederzieht,
Der du für mich dem süßen Ort entronnen,
Wo ew’ge Vorsicht dir den Sitz beschied;
- Wer ist der Engel, der mit solchen Wonnen
Im Blick Marias mit dem seinen ruht
Und scheint an ihr in Liebe sich zu sonnen?"
- So wandt’ ich mich zu ihm mit heiterm Mut
Und sah ihn in Marias Glanz entbrennen,
Gleichwie den Morgenstern in Sonnenglut.
- Und er: "Was Seel’ und Engel haben können
Von Zuversicht und Schönheit, er bekam
Es ganz von Gott, wie wir’s ihm alle gönnen,
- Weil er zu ihr einst mit der Palme kam,
Als Gottes Sohn die Lasten, die euch drücken,
Nach seinem heil’gen Willen übernahm.
- Doch folge meinem Wort mit deinen Blicken,
Und von dem frommen und gerechten Reich
Wirst du den hohen Adel jetzt erblicken.
- Die zwei dort, an der höchsten Wonne reich,
Weil sie die Nächsten sind der Benedeiten,
Sind zweien Wurzeln dieser Rose gleich.
- Der Vater sitzt zu, ihrer linken Seiten,
Des kühner Gaum der Menschheit fort und fort
Zu kosten gibt so herbe Bitterkeiten.
- Sieh rechts der heil’gen Kirche Vater dort,
Dem dieser Blume Schlüssel übergeben
Auf Erden hat der Heiland, unser Hort.
- Und jener, welcher noch im Erdenleben
Das Mißgeschick der schönen Braut erblickt,
Die Wundenmal’ erwarben, sitzt daneben.
- Neben dem andern sitzt, in Ruh’ beglückt,
Des Volkes Führer, das der Herr mit Manna
Trotz Undanks, Tück’ und Wankelmuts erquickt
- Dort sitzt, dem Petrus gegenüber, Anna
Und blickt die Tochter so zufrieden an,
Daß sie den Blick nicht abkehrt beim Hosianna.
- Und gegenüber sitzt dem ersten Ahn
Lucia, die die Herrin dir gesendet,
Als du den Blick gesenkt zur schlimmen Bahn.
- Doch bald ist nun dein hoher Traum beendet,
Drum tun wir, wie der gute Schneider tut,
Der, soviel Zeug er hat, ins Kleid verwendet.
- Die Augen richten wir aufs höchste Gut
Und dringen so, indem wir nach ihm sehen,
So tief als möglich in die reine Glut.
- Gewiß, und nicht vielleicht, muß rückwärts gehen,
Wer vorwärts hier die kühnen Flügel schwingt,
Denn Gnad’ erlangt man hier allein durch Flehen;
- Gnade von jener, die dir Hilfe bringt,
Und folgen wirst du mir, wenn deine Liebe
Zu ihr empor mit meinem Worte dringt."
- Und also betet’ er mit brünst’gem Triebe:
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