- O hätt’ ich Reime von so heiserm Schalle,
So rauh, wie sie erheischt dies Loch voll Graus,
Auf welchem ruh’n die andern FeIsen alle,
- Dann drückt’ ich, was ich will, vollkommner aus,
Doch, sie nicht habend, geh’ ich nur mit Bangen
Jetzt an die Rede, wie zum harten Strauß.
- Denn nicht ein Spiel ist ja mein Unterfangen,
Den Grund des Alls dem Liede zu vertrau’n,
Und nicht mit Kinderlallen auszulangen.
- Doch fördern meine Reim’ itzt jene Frau’n,
Amphions Hilf an Thebens Mau’r und Toren,
Dann wohl entspricht mein Lied der Tat an Grau’n.
- O schlechtster Pöbel, an dem Ort verloren,
Der hart zu schildern ist, oh wärst du doch
In unsrer Welt als Zieg’ und Schaf geboren.
- Wir waren nun im dunkeln Brunnenloch
Tief unterm Riesen, näher schon der Mitte,
Und nach der hohen Mauer sah ich noch.
- Da hört’ ich sagen: "Schau’ auf deine Schritte,
Daß du den Armen nicht im Weiterzieh’n
Die Häupter stampfen magst mit deinem Tritte."
- Drum wandt’ ich mich, und vor mir hin erschien
Und unter meinen Füßen auch ein Weiher,
Der durch den Frost Glas, und nicht Wasser, schien.
- Die Donau bleibt im Frost vom Eise freier,
Und nah dem Pol, selbst in der längsten Nacht,
Deckt nicht den Sanais ein so dichter Schleier.
- Und wäre Tabernik herabgekracht
Und Pietrapan, nicht hätte nur am Saume
Bei ihrem Sturz das Eis krick krick gemacht.
- Wie abends, wenn die Bäuerin im Traume
Noch Ähren liest – die Schnauze vorgestreckt,
Der Frösche Volk quäkt aus dem nassen Raume;
- So bis dahin, wo sich die Scham entdeckt,
Fahl, mit dem Ton des Storchs die Zähne schlagend,
War elend Geistervolk im Eis versteckt,
- Zur Tiefe hingewandt das Antlitz tragend,
Vom Froste mit dem Mund und von den Weh’n
Des Herzens mit den Augen Zeugnis sagend.
- Als ich ein Weilchen erst mich umgesehn,
Schaut’ ich zum Boden hin und sah von oben
Zwei, eng umfaßt, vermischt das Haupthaar, stehn.
- "Ihr, die ihr drängend Brust an Brust geschoben,
Wer seid ihr?" sprach ich – dann, als sie auf mich,
Die Hälse rückend, ihre Blick’ erhoben,
- Sah ich die Augen, feucht erst innerlich,
Von Tränen träufeln, die, noch kaum ergossen,
Zu Eis erstarrten; und sie schlossen sich,
- Fest, wie nie Klammern Holz an Holz geschlossen,
Drum stießen sich im Grimme wilden Streits,
Gleich zweien Böcken, diese Qualgenossen.
- Und einer, der sein Ohrenpaar bereits
Durch Frost verlor, brach, stets gebückt, das Schweigen:
Was hängst du so am Schauspiel unsres Leids?
- Soll ich, wer diese beiden sind, dir zeigen?
Das Tal, das des Bisenzio Flut benetzt,
War ihnen einst und ihrem Vater eigen.
- Ein Leib gebar sie, und durchsuche jetzt
Kaina ganz, du findest sicher keinen
Mit besserm Grund in dieses Eis versetzt;
- Nicht ihn, des Brust und Schatten einst durch einen
Stoß seines Speers durchbohrt des Artus Hand;
Focaccia nicht, noch ihn, des Kopf den meinen
- So deckt, daß mir die Aussicht gänzlich schwand.
Den, hörst du SassoI Mascheroni nennen,
Du, ein Toskaner, sicher leicht erkannt.
- Jetzt hör’, um mir nur schleunig Ruh’ zu gönnen,
Ich, Camicion, erwarte den Carlin
Und werde neben ihm mich brüsten können:"
- Noch sah ich viele Hundesfratzen zieh’n
Vor großem Frost in diesem tiefen Kreise,
Und schaudre noch vor dem, was mir erschien.
- Und weiter ging zum Mittelpunkt die Reise,
Auf welchem ruht des ganzen Alls Gewicht,
Und selber zittert’ ich beim ew’gen Eise.
- War’s Vorsatz, war’s Geschick – ich weiß es nicht,
Genug, es stieß mein Fuß beim Weitergehen
Durch viele Häupter, eins ins Angesicht.
- "Was trittst du mich?" – so hört’ ich’s heulend schmähen,
"Rächst du noch schärfer Montapert an mir?
Wenn aber nicht, weswegen ist’s geschehen? –"
- "Mein Meister," sprach ich, "harr’ ein wenig hier,
Denn gern belehrt’ ich mich von diesem näher,
Dann folg’ ich, wie dir’s gut dünkt, eilig dir."
- Still stand, wie ich gewünscht, der hohe Seher,
Und jener fluchte noch so wild wie erst,
Da sprach ich: "Wer bist du, du arger Schmäher?"
- "Und du, der du durch Antenora fährst,"
Sprach er, "wer du, der so stößt andrer Wangen,
Daß es zu arg war’, wenn du lebend wärst?" –
- "Ich lebe", sagt’ ich. "Hättest du Verlangen
Nach Ruf, so wird er dir durch mich zuteil,
Drum wirst du wohl mit Freuden mich empfangen."
- Drauf er: "Ich wünsche nur das Gegenteil,
Drum packe dich – in diesen Eisesmassen
Verspricht solch Schmeichelwort ein schlechtes Heil."
- Da griff ich nieder, ihn beim Schopf zu fassen,
Und sagt’ ihm: "Nötig wird’s, daß du dich nennst,
Soll ich ein Haar auf deinem Kopfe lassen."
- Und er: "Ob du mich zausen magst, du kennst
Mich dennoch nicht – nichts sollst du hier erkunden,
Wenn du mir tausendmal ins Antlitz rennst."
- Ich hielt sein Haar um meine Hand gewunden,
Und ob schon ausgerauft manch Büschel war,
Schaut’ er hinab und bellte gleich den Hunden.
- Da rief ein andrer: "Bocca, nun fürwahr,
Du ließest schon genug die Kiefern klingen,
Jetzt bellst du noch? Plagt dich der Teufel gar?"
- "Dich", rief ich, "mag ich nicht zum Reden zwingen,
Verräter du, allein zu deiner Schmach
Will ich zur Erde wahre Nachricht bringen."
- "Erzähle, was du willst, doch hintennach",
Rief Bocca, "magst du diesen nur nicht schönen,
Der eben jetzo so geläufig sprach.
- Sieh ihn für’s Gold der Franken hier belohnen
Und sage, daß Duera da nicht fehlt,
Wo ziemlich kühl und frisch die Sünder wohnen.
- Und fragt man noch, wen sonst dies Eis verhehlt,
Dort siehst du Becherias Augen triefen,
Den jüngst die Florentiner abgekehlt.
- Auch wohnt Soldanier jetzt in diesen Tiefen,
Gan, Sribaldello, der Faenzas Tor
Den Feinden aufschloß, da noch alle schliefen."
- Wir gingen fort, und, etwas weiter vor,
War, Haupt auf Haupt gedrückt, ein Paar zu finden,
Das fest in einem Loch zusammenfror.
- Wie man aus Hunger nagt an harten Rinden,
So fraß der Obre hier den Untern an
Da, wo sich Nacken und Gehirn verbinden.
- Wie in die Schläfe Menalipps den Zahn
Einst Sydeus voll von wilder Wut geschlagen,
So ward von ihm dem Schädel hier getan.
- "O du, der du mit viehischem Behagen
Den Haß an diesem stillst, an dem du nagst,
Weshalb", begann ich, "magst du dich beklagen?
- Und hör’ ich, daß du dich mit Recht beklagst,
Und wer er sei, und was dein Nagen räche,
So sollst du dort erstehn, wo du erlagst,
- Wenn diese nicht verdorrt, mit der ich spreche."
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