- So lang, wenn beide Kinder der Latone
Bedeckt von Wag’ und Widder stehn, am Rand
Des Horizonts, vereint in einer Zone,
- Die Wage des Zenit in gleichem Stand
Sie beide zeigt, bis dann vom Gleichgewichte,
Den Halbkreis tauschend, sie sich abgewandt:
- So lang, des Lächelns Glut im Angesichte,
Sah schweigend fest den Punkt Beatrix an,
Der meinen Blick besiegt mit seinem Lichte.
- "Ich red’ und frage nicht," so sprach sie dann,
"Da, was du hören willst, ich dort erkenne
Im Punkt, wo anhebt jedes Wo und Wann.
- Nicht daß er – was nicht sein kann – selbst gewönne,
Nein, daß der Glanz von seiner Herrlichkeit
Im Widerglanz ich bin verkünden könne,
- Hat er, der Ew’ge, außerhalb der Zeit
Und des Begriffs, wie’s ihm gefiel, die Gluten
Erschaffner Lieb’ an ewiger geweiht.
- Nicht daß, wie starr, erst seine Kräfte ruhten;
Denn früher nicht und später nicht ergoß
Der Geist des Herrn sich, schwebend ob den Fluten.
- Auch Form und Stoff, vermischt und rein, entsproß
Zugleich, vortretend herrlich und vollkommen,
Drei Pfeile von dreisehnigem Geschoß.
- Und wie im Widerschein des Strahls, vom Kommen
Zum vollen sein, kein Zwischenraum zu sehn,
Wenn rein Kristall im Sonnenglanz entglommen;
- So ließ der Herr hervor drei Strahlen gehn,
All im vollkommnen Glanz zugleich gesendet,
Und sonder Unterscheidung im Entstehn.
- Der Wesen Ordnung ward zugleich vollendet,
Und hoch am Gipfel wurden die gereiht,
Welchen er reine Tätigkeit gespendet.
- Die Tiefe ward reiner Empfänglichkeit,
Empfänglichkeit und Tatkraft ist mittinnen,
Verknüpft und nie von diesem Band befreit.
- Zwar Hieronymus läßt vom Beginnen
Die Engel bis von dem der andern Welt
Den Zeitraum von Jahrhunderten entrinnen;
- Doch läßt die Wahrheit, die ich dargestellt,
Sich vielfach aus der Heil’gen Schrift bewähren,
Wie’s dir auch, wenn du wohl bemerkst, erhellt.
- Auch die Vernunft kann dies beinah erklären;
Nicht konnten ja so lang, so folgert sie,
Die Lenker des, was lenkbar ist, entbehren.
- Der Liebesschöpfung Wo und Wann und Wie
Erkennst du – nun, so daß in dem Gehörten
Dir schon dreifache Labung angedieh.
- Allein bevor man zwanzig zählt’ empörten
Die Engel sich zum Teil, so daß sie nun
Im Fall der Elemente trägstes störten.
- Die Bleibenden begannen drauf das Tun,
Das du erkennst, so selig in Entzücken,.
Daß sie in ihrem Kreislauf nimmer ruh’n.
- Grund war des Falls, daß jener sich berücken
Von frevlem Hochmut ließ, der dir erschien,
Dort, wo auf ihn des Weltalls Bürden drücken –
- Die du bei Gott hier siehest, sah’n auf ihn
Bescheiden und mit Dank für seine Gaben,
Da er nur Kraft zu solchem Schau’n verlieh’n.
- Drum wurden sie zum Schauen so erhaben
Durch Gnadenlicht und ihr Verdienst gestellt,
Daß sie vollkommen festen Willen haben.
- Und zweifelfrei verkünd’ es einst der Welt:
Verdienstlich ist’s, die Gnade zu empfangen,
Je wie sich offen ihr die Lieb’ erhält.
- Jetzt, wenn ins Herz dir meine Lehren drangen,
Errennst du ganz den englischen Verein
Und brauchst nicht andre Hilfe zu verlangen.
- Doch weil den Engeln jene, die ihr Sein
Auf Erden dort in Schulen euch erklären,
Verstand, Erinnerung und Willen leih’n,
- So zeig’ ich, um dich völlig zu belehren,
Dir noch die Wahrheit rein und unbefleckt,
Die jene dort verwirren und verkehren.
- Die Wesen, die des Anschau’ns Lust geschmeckt,
Verwenden nie den Blick vom ew’gen Schimmer
Des Angesichts, in dem sich nichts versteckt.
- Drum unterbricht das Neu’ ihr Schauen nimmer,
Drum brauchen sie auch die Erinnrung nicht,
Denn ungeteilt bleibt ja ihr Denken immer.
- So träumt ihr unten wach beim Tageslicht;
Ihr glaubt und glaubt auch nicht, was ihr verbreitet,
Doch ärger kränkt dies Letzte Recht und Pflicht.
- Der eine Weg ist’s nicht, auf dem ihr schreitet
Bei eurem Forschen; drob ihr irregeht,
Von Lust am Schein und Eitelkeit verleitet.
- Doch, wer dies tut, wird minder hier verschmäht,
Als wer die HeiI’gen Schriften leeren Possen
Hintansetzt und sie freventlich verdreht.
- Nicht denkt man, wieviel teures Blut geflossen,
Sie auszusäh’n; nicht, wie Gott dem geneigt,
Der demutsvoll an sie sich angeschlossen.
- Zu glänzen strebt ein jeder itzt und zeigt
Sich in Erfindungen, die der verkehrte
Pfaff predigt, der vom Evangelium schweigt.
- Der sagt, daß rückwärts Lunas Lauf sich kehrte
Bei Christi Leiden und sich zwischenschob
Und drum der Sonn’ herabzuscheinen wehrte.
- Der, daß von selbst das Licht erlosch und drob
Den Spanier, den Juden und den Inder
Zu gleicher Zeit die Finsternis umwob.
- Lapi und Bindi hat Florenz weit minder,
Als Fabeln, die man von den Kanzeln schreit
Das Jahr hindurch, des Aberwitzes Kinder,
- So daß die Schäflein, blind zu ihrem Leid,
Wind schlucken, wo sie sich zu weiden meinen.
Und nicht entschuldigt sie Unwissenheit.
- Nicht sprach der Herr zur Ersten der Gemeinen:
Geht hin und tut der Erde Possen kund! –
Nein, wahre Lehre spendet er den Seinen.
- Von ihr ertönt’ im Kampf des Jüngers Mund,
Wenn er, die Welt zum Glauben hinzulenken,
Mit Schild und Speer des Evangeliums stund.
- Jetzt predigt man von Possen und von Schwänken,
Und die Kapuze schwillt, wenn alles lacht,
Und, der sie trägt, braucht sonst an nichts zu denken.
- Drin hat solch Vögelein sein Nest gemacht,
Daß, säh’ man’s, es den Wert dem Ablaß raubte,
Den man beim Volk so hoch in Preis gebracht.
- Drob wuchs die Dummheit so in manchem Haupte,
Daß, möcht’ ein Priesterwort das tollste sein,
Man ohne Prüfung und Beweise glaubte.
- Und damit mästet Sankt Anton das Schwein,
Und andre, die noch ärger sind denn Sauen,
Falschmünzer, reich an trügerischem Schein.
- Doch seitwärts führt’ ich dich von diesen Auen;
Drum, daß zugleich sich kürze Zeit und Pfad,
Mußt du jetzt wieder g’rade vorwärts schauen –
- So sehr vervielfacht sind von Grad zu Grad
Der unzählbaren sel’gen Engel Scharen,
Daß ihrer Zahl nicht Sinn noch Sprache naht.
- Und Daniel will, dies kannst du wohl gewahren,
Wenn er zehntausendmal zehntausend spricht,
Uns nicht bestimmte Zahlen offenbaren.
- Das ihnen allen strahlt, das erste Licht,
So vielfach wird’s von ihnen aufgenommen,
Als Engel schau’n in Gottes Angesicht.
- Drum, da vom Schau’n der Liebe Gluten kommen,
Ist auch verschieden ihre Süßigkeit
Hier lauer, dorten glühender entglommen.
- Sieh jetzt die Hoheit, die Unendlichkeit
Der ew’gen Kraft, die, teilend ihren Schimmer,
So unzählbaren Spiegeln ihn verleiht,
- Und ein’ in sich bleibt ewiglich und immer."
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