- Zwäng’ einst dies heil’ge Lied, zu dem die Erde,
Zu dem der Himmel mir den Stoff gereicht,
Durch das auf lang’ ich blaß und mager werde,
- Die Grausamkeit, die mich von dort verscheucht,
Wo ich, ein Lamm, geruht in schöner Hürde,
Jedwedem Wolfe feind, der sie umschleicht,
- Mit anderm Ton und Haar, als Dichter, würde
Ich kehren und am Taufquell dort empfah’n
Im Lorbeerkranz des Dichters höchste Würde.
- Denn dort betrat ich jenes Glaubens Bahn,
Durch welchen Gott bekannt die Seelen werden,
Für den mit Petri Licht die Stirn umfah’n.
- Da naht’ ein Licht aus der der sel’gen Herden,
Aus der der Erste derer vorgewallt,
Die Christ als Stellvertreter ließ auf Erden.
- Beatrix sprach, umstrahlt die Lichtgestalt
Von neuer Lust: "Sieh ihn, sich zu uns neigend,
Den Herrn, für den man nach Galizien wallt."
- Wie wenn die Taub’, aus hohen Lüften steigend,
Zur Taube fliegt, wie sich das Paar umkreist,
Und fröhlich girrt, die heiße Liebe zeigend;
- So war’s, wie jetzo der und jener Geist
Der hohen Fürsten freudig sich empfingen,
Lobend die Kost, die man dort oben speist.
- Dann standen nach dem Freudentanz und Singen
Die beiden Lichter schweigend vor mir dort,
So feurig, daß die Augen mir vergingen.
- Und selig lächelnd fuhr Beatrix fort:
"Der du geschrieben hast, erlauchtes Leben,
Was gut sei, komm’ allein von diesem Ort,
- O laß dein Wort die Hoffnung hier erheben;
Du stellst ja, wie du weißt, so oft sie vor,
Als Jesus sich den dreien kundgegeben." –
- "Du, fasse Mut – das Antlitz heb empört
An unserm Strahl muß reisen der Beglückte,
Der von der Erde kommt zum sel’gen Chor."
- Als so das zweite Feuer mich erquickte,
Hob ich die Augen zu den Bergen auf,
Vor deren Last ich erst das Antlitz bückte.
- "Läßt unsers Kaisers Gnade deinen Lauf,
Bevor du stirbst, zu seinem Hofe gehen,
Führt er zu seinen Grafen dich herauf,
- Um, wenn du das Geheimste hier gesehen,
Die Hoffnung, die euch dort im Herzen blüht
In dir und andern heller anzuwehen,
- So sage, was sie ist? Ob im Gemüt
Sie dir entkeimt? Woher du sie entnommen?"
Das zweite Feuer sprach’s, in Licht entglüht.
- Und sie, durch die in mir die Kraft entglommen
Zum hohen Flug, war mit der Antwort schon
In diesen Worten mir zuvorgekommen:
- "Die Kirche, die da kämpft, hat keinen Sohn
Von stärkrer Hoffnung – also zeigt’s geschrieben
Die Sonn’ auf unsres Freudenreiches Thron.
- Drum aus Ägypten, nach des Herrn Belieben,
Kommt er nach Zion, wo das Licht ihm tagt,
Eh’ ihn des Kampfes Ende vorgeschrieben.
- Zwei andre Punkt’, um die du ihn befragt,
Nicht um zu wissen, nein, damit er sage,
Wie diese Tugend hier noch dir behagt,
- Lass’ ich ihm selbst; denn nicht, wie jene Frage,
Sind sie ihm schwer, nicht Reiz zur Prahlerei;
Und helf ihm Gott, daß er sie würdig trage."
- Dem Schüler gleich, der seinem Meister frei
Entgegenkommt und freudig und besonnen,
Daß, was er weiß, kund in der Antwort sei,
- Sprach ich: "Die Hoffnung ist der künft’gen Wonnen
Erwartung und gewisse Zuversicht,
Durch Gnad’ und früheres Verdienst gewonnen.
- Von vielen Sternen kam mir dieses Licht;
Der höchste Sänger macht’ es mir entbrennen,
Der im Gesang vom höchsten Horte spricht.
- Oh’ alle die, so deinen Namen nennen,
Hoffen auf dich – so sang der Gottesmann –
Und wer, der glaubt, wie ich, sollt’ ihn nicht kennen.
- Du träufeltest mir feine Tropfen dann
Ins Herz durch deinen Brief, mit solchem Segen,
Daß ich die Flut auf andre gießen kann."
- Indem ich sprach, sah ich’s im Licht sich regen,
Und, wie ein Blitz, schnell und von Glanz umsprüht,
Mit zitterndem Gefunkel sich bewegen.
- "Die Liebe," weht’ es, "die mich noch durchglüht
Für jene Tugend, welche mir durchs Grauen
Des Kampfs gefolgt, bis mir die Palm’ erblüht,
- Heißt mich durch sie dich letzen und erbauen,
Und gern vernehm’ ich dieses noch von dir:
Auf was heißt deine Hoffnung dich vertrauen?" –
- "Die alt’ und neuen Schriften zeigen mir",
Sprach ich, "das Ziel, das denen Gott bescheidet,
Die er geliebt, und dieses seh’ ich hier.
- Jesajas zeigt vom Doppelkleid bekleidet,
Sie all in ihrem Land – und dieses Land,
Das süße Leben ist’s, das hier euch weidet.
- In denen, so, die Palmen in der Hand,
In weißen Kleidern vor dem Lamme stehen,
Macht’s klarer noch dein Bruder mir bekannt." –
- Als ich geendet, tönt’ es aus den Höhen:
Ihr Hoffen sei auf dich! – und aus dem Tanz
Der Sel’gen hört’ ich die Erwid’rung wehen.
- Dann zwischen beiden drin entglüht’ ein Glanz,
So hell, daß, wär’ dem Krebs ein solcher eigen,
Es würd’ ein Wintermond zum Tage ganz.
- Wie froh aufsteht und geht und in den Reigen
Die Jungfrau tritt, aus eitelm Triebe nicht,
Nur dem Verlobten Ehre zu erzeigen;
- So schwebte zu den zwei’n das neue Licht,
Die ich so eilig in lebend’gem Kreise
Sich schwingen sah, wie’s heißer Lieb’ entspricht.
- Einstimmt’ es zu dem Lied und zu der Weise;
Und, gleich der Braut, sah sie die Herrin an,
Stillschweigend, unbewegt bei solchem Preise.
- "Er ruht’ am Busen unsers Pelikan;
Ihn hat der Herr zur großen Pflicht erlesen,
Als er den Martertod am Kreuz empfah’n."
- Sie sprach’s; ihr Blick war, wie er erst gewesen;
Nicht mehr Aufmerksamkeit war jetzt darin
Als erst, bevor sie dies gesagt, zu lesen.
- Wie der, der nach dem Sonnenrande hin,
Der sich verfinstern soll, die Blicke sendet
Und, um zu sehn, verliert des Auges Sinn;
- So stand ich, zu dem letzten Glanz gewendet.
Da klang es: "Was nicht ist an diesem Ort,
Was suchst du’s hier und stehst drum hier geblendet?
- Mein Leib ist jetzt noch Erd’ auf Erden dort,
Und bleibt’s mit andern, bis die sel’gen Scharen
Die Zahl erreicht, gesetzt vom ew’gen Wort.
- Zum Himmel sind zwei Lichter nur gefahren,
Bekleidet mit dem doppelten Gewand:
Und dieses laß einst deine Welt erfahren."
- Als dieses Wort gesprochen war, da stand
Der Kreis der Flammen still, samt dem Gesange,
Zu welchem sich dreifaches Weh’n verband,
- Gleichwie nach Müh’n und schwerem Wogendrange,
Die Ruder, so die Flut durchwühlt, zugleich
Allsämtlich ruh’n bei einer Pfeife Klange,
- Ach, wie ward ich vor Angst und Sorge bleich,
Als ich mich nun zu Beatricen kehrte,
Und, zwar ihr nah und im beglückten Reich,
- Doch sie nicht sah, die ich zu sehn begehrte.
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