- Weil ich vor Angst und banger Furcht erblich,
Als ich den Herrn sah sich zurückbewegen,
Verschloß Virgil die eigne Furcht in sich.
- Aufmerksam stand er dort, wie Horcher pflegen,
Denn, weit zu schau’n, war ihm die Dunkelheit
Der schwarzen Luft und Nebelqualm entgegen.
- Er sprach: "Wir siegen doch in diesem Streit –
Wenn nicht – doch hab’ ich nicht ihr Wort vernommen?
Er säumt fürwahr doch gar zu lange Zeit."
- Ich sah es deutlich ein, zurückgenommen
Sei durch der Rede Folge der Beginn,
Da beide mir verschieden vorgekommen.
- Drum lauscht’ ich sorgenvoll und zagend hin,
Denn ich erklärte mir vielleicht noch schlimmer,
Als er es war, des halben Wortes Sinn.
- "Kommt wohl ein Geist in diese Tiefe nimmer
Vom ersten Grad, wo nichts zur Qual gereicht,
Als daß erstorben jeder Hoffnungsschimmer?"
- So fragt’ ich ihn, und jener sprach: "Nicht leicht
Geschieht’s, daß auf dem Weg, den wir durchliefen,
Ein andrer meines Grads dies Land erreicht.
- Wahr ist’s, daß ich vordem in diesen Tiefen
Durch der Erichtho Zauberei’n erschien,
Die oft den Geist zum Leib zurückberiefen.
- Kaum war mein Geist vom Fleisch entblößt, als ihn
Die Zauberin beschwor in jene Mauer,
Um eine Seel’ aus Judas Kreis zu zieh’n.
- Dort ist die tiefste Nacht, der bängste Schauer,
Am fernsten von des Himmels ew’gem Licht.
Ich weiß den Weg – drum scheuche Furcht und Trauer.
- Der Sumpf hier, welcher Stank verhaucht, umflicht
Die qualenvolle Stadt, durch deren Pforten
Man ohne Zorn die Bahn sich nimmer bricht."
- Mehr sprach er, doch mich zog von seinen Worten
Der hohe Turm und bannte mit Gewalt
Den Blick ans Feuer auf dem Gipfel dorten.
- Drei Höllenfurien sah ich dort alsbald,
Die, blutbefleckt, g’rad’ aufgerichtet, stunden,
Und Weibern gleich an Haltung und Gestalt,
- Mit grünen Hadern statt des Gurts umbunden,
Mit kleinern Schlangen aber, wie mit Haar,
Und Ottern rings die grausen Schläf’ umwunden.
- Und jener, dem bekannt ihr Anblick war,
Der Sklavinnen der Fürstin ew’ger Plagen,
Sprach: "Nimm die wilden Erinnyen wahr.
- Zur linken Seite sieh Megären ragen,
Inmitten ist Tisiphone zu schau’n,
Und rechts Alecto in Geheul und Klagen."
- Die Brust zerriß sich jede mit den Klau’n,
Und sie zerschlugen sich mit solchem Brüllen,
Daß ich mich an den Dichter drängt’ aus Grau’n.
- "Medusas Haupt! auf, laßt es uns enthüllen,"
Sie riefen’s, niederbückend, allzugleich.
"Was wir versäumt an Theseus, zu erfüllen."
- "Wende dich um, die Augen schließe gleich!
Wenn sie bei Gorgos Anblick offenständen,
Du kehrtest nimmer in des Tages Reich!"
- Er sprach’s und eilte, selbst mich umzuwenden,
Verließ sich auch auf meine Hände nicht
Und schloß die Augen mir mit seinen Händen.
- Ihr, die erhellt gesunden Geistes Licht,
Bemerkt die Lehre, die, vom Schlei’r umgeben,
In dich verbirgt dies seltsame Gedicht.
- Ich hört’ ein Krachen mächtig sich erheben
Auf trüber Flut, mit einem Ton voll Graus,
Daß die und jene Hüfte schien zu beben.
- Nicht anders war es, als des Sturms Gebraus –
Wild durch der kalten Dünste Kampf mit lauen,
Stürzt er durch Wälder, Äste reißt er aus,
- Durch nichts gehemmt, jagt Blüten durch die Auen;
Stolz wälzt er sich in Staubeswirbeln vor,
Und Hirt und Herden flieh’n voll Angst und Grauen.
- Die Augen löst’ er mir. "Jetzt schau’ empor,
Dorthin, wo du den schärfsten Rauch entquellen
Dem Schaume siehst auf diesem alten Moor."
- Wie Frösche, sich zerstreuend, durch die Wellen
Vor ihrem Feind, der Wasserschlange, flieh’n,
Bis sie am Strand in Scharen sich gesellen,
- So sah ich schnell, als einer dort erschien,
Das Tor von den zerstörten Seelen leeren
Und ihn mit trocknem Fuß den Styx durchzieh’n.
- Er schien den Qualm vom Antlitz abzuwehren,
Vor sich bewegend seine linke Hand,
Und dieser Dunst nur schien ihn zu beschweren.
- Ich sah’s, er sei vom Himmel hergesandt.
Zum Meister kehrt’ ich mich, doch, auf sein Zeichen,
Neigt’ ich mich schweigend, jenem zugewandt.
- Mir schien er einem Zornigen zu gleichen.
Er kam zum Tore, das sein Stab erschloß,
Und ohne Widerstreben sah ich’s weichen.
- "O ihr verachteter, vestoßner Troß!"
Begann er an dem Tor, dem schreckensvollen,
"Woher die Frechheit, die hier überfloß?
- Was seid ihr widerspenstig jenem Wollen,
Das nimmermehr sein Ziel verfehlen kann?
Wird er die Qual, wie oft, euch mehren sollen?
- Was kämpft ihr gegen das Verhängnis an,
Obwohl eu’r Zerberus, ihr mögt’s bedenken,
Mit kahlem Kinn und Halse nur entrann?"
- Dann sah ich ihn zurück die Schritte lenken.
Uns sagt’ er nichts, und achtlos ging er fort,
Als müsst’ er ernst auf andre Sorgen denken,
- Als die um kleine Ding’ am nächsten Ort.
Worauf wir beide nach der Festung schritten,
Nun völlig sicher durch das heil’ge Wort.
- Auch ward der Eingang uns nicht mehr bestritten;
Und ich, des Wunsches voll, mich umzusehn
Nach dieser Stadt Verhältnis, Art und Sitten,
- Ließ, drinnen kaum, das Aug’ im Kreise gehn,
Und rechts und links war weites Feld zu schauen,
Von Martern voll und ungeheuren Weh’n.
- Gleichwie wo sich der Rhone Wogen stauen,
Bei Arles, und bei Pola dort am Meer,
Das Welschland schließt und netzt der Grenze Gauen,
- Grabhügel sind im Lande rings umher,
Wo auf unebnem Grunde Tote modern;
So hier, doch schreckte dieser Anblick mehr,
- Denn zwischen Gräbern sieht man Flammen lodern,
Und alle sind so durch und durch entflammt,
Daß keine Kunst mehr Stahl und Eisen fodern.
- Halboffen ihre Deckel allesamt,
Und draus erklingen solche Klagetöne,
Daß man erkennt, wer drinnen, sei verdammt.
- Und ich: Verkünde, Meister, wer sind jene,
Die, hier begraben, sonder Ruh’ und Rast
Vernehmen lassen solches Schmerzgestöhne?
- Und er: "Hauptketzer hält der Ort umfaßt,
Und die den Sekten angehangen haben,
In größrer Zahl, als du gerechnet hast-
- Denn Gleiche sind zu Gleichen hier begraben,
Und mehr und minder glüht jedwedes Mal"–
Er sprach’s, worauf wir rechtshin uns begaben,
- Fortschreitend zwischen hoher Mau’r und Qual.
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