- O menschliche Begier voll Wahn und Trug,
Wie mangelhaft sind doch die Syllogismen,
Die dir herabzieh’n des Gefieders Flug!
- Der ging dem Jus nach, der den Aphorismen;
Der sucht’ als Priester Ehren und Gewinn;
Der herrschte durch Gewalt, der durch Sophismen;
- Der stahl, der hatt’ ein Staatsamt nur im Sinn;
Der mühte sich, in Fleischeslust befangen,
Und jener gab dem Müßiggang sich hin;
- Indes ich, allem diesem Tand entgangen,
Im Himmel oben mit Beatrix war,
So herrlich und so ruhmvoll dort empfangen.
- Still stand nun jeder von der sel’gen Schar
Im Kreis zurückgekehrt zur ersten Stelle,
Und stellte sich, wie Licht auf Leuchtern, dar.
- Da schien es mir, aus jenem Schimmer quelle,
Der mich zuerst gesprochen, neuer Laut,
Und lächelnd sprach er dann in reinrer Helle:
- "Wie, wenn ins ew’ge Licht mein Auge schaut,
Mich dieses ganz mit seinem Strahl entzündet,
So ist mir deines Denkens Grund vertraut.
- Du zweifelst noch und hörtest gern verkündet
In offnen Worten und verständlich breit,
So, daß sie deine Fassungskraft ergründet,
- Was wohl mein ob’ges Wort: Wo wohl gedeiht –
Und dann: Kein zweiter kam ihm gleich – bedeutet.
Und hier ist nötig scharfer Unterscheid.
- Die ew’ge Vorsicht, die das Weltall leitet,
Mit jener Weisheit, die in Tiefen ruht,
Zu welchen kein erschaffnes Auge gleitet,
- Damit sich dem Geliebten ihre Glut,
Die Glut der Braut, die er mit lautem Schreie
Sich anvermählt hat durch sein heil’ges Blut,
- Sichrer in sich und ihm getreuer, weihe,
Hat, ihr zur Gunst, zwei Fürsten ihr bestallt.
Und hier und dorten führen sie die zweie.
- Der eine war von Seraphsglut umwallt,
Der andre zeigt’ im Glanz der Cherubinen
Die Weisheit dort im ird’schen Aufenthalt.
- Von einem sprech’ ich, weil, wen man von ihnen
Auch preisen mag, man nie vom andern schweigt,
Da beide wirkten, einem Zweck zu dienen.
- Beim Bach, der von Ubaldos Hügel steigt,
Und dem Tupino, hebt sich, zwischen beiden,
Ein Berg, des Abhang fruchtbar grün sich neigt.
- Von ihm muß Hitz’ und Frost Perugia leiden,
Und hinter diesem Berg liegt Gualdo dicht,
Und fühlt mit Nocera des Joches Leiden.
- Dort, wo sich seines Abhangs jähe bricht,
Dort sah man einer Sonne Glanz entbrennen,
Gleich der am Ganges klar im hellsten Licht.
- Nicht möge man den Ort Ascesi nennen,
Denn wenig sagt, wer aIso ihn benannt;
Nein, was er war, gibt Orient zu erkennen.
- Schon als der Glanz nicht fern dem Aufgang stand,
Begann er solche Kraft zu offenbaren,
Daß sich dadurch erquickt die Erde fand.
- Denn mit dem Vater stritt er, jung an Jahren,
Für eine Frau, vor der der Freuden Tor
Die Menschen fest, wie vor dem Tod, verwahren,
- Bis vor dem geistlichen Gericht und vor
Dem Vater sie zur Gattin er sich wählte
Und täglich lieber hielt, was er beschwor.
- Sie, des beraubt, der sich ihr erst vermählte,
Blieb ganz verschmäht mehr als elfhundert Jahr’,
Da, bis zu diesem, ihr der Freier fehlte,
- Obgleich durch sie Amicias in Gefahr
So sicher ruht’, als dessen Stimm’ erklungen,
Des Mächt’gen, der der Erd’ ein Schrecken war;
- Obgleich sie standhaft, kühn und unbezwungen,
Als selbst Maria unten blieb, sich dort,
An Christi Kreuz, zu ihm emporgeschwungen.
- Allein nicht mehr in Rätseln red’ ich fort;
Franziskus und die Armut sieh in ihnen,
Die dir geschildert hat mein breites Wort.
- Der Gatten Eintracht, ihre frohen Mienen
Und Lieb’ und Wunder und der süße Blick
Erweckten heil’gen Sinn, wo sie erschienen.
- Und solchem Frieden eilte, solchem Glück
Barfuß erst Bernhard nach, der Ehrenwerte,
Und glaubte doch, er bliebe träg zurück.
- O neuer Reichtum! Gut von echtem Werte!
Egid, Silvester folgten bald dem Mann
Barfuß, weil hoher Reiz die Frau verklärte.
- Der Vater und der Meister ging sodann
Nach Rom mit deiner Frau und mit den Seinen,
Die schon des niedern Strickes Band umspann.
- Nicht feig sich beugend sah man ihn erscheinen,
Als Peter Bernardones niedrer Sohn,
Mocht’ er auch ärmlich und verächtlich scheinen,
- Nein, kund tat er vor Innocenzens Thron
Den strengen Plan mit königlicher Würde,
Und der besiegelte die Stiftung schon.
- Dann, als die Schar der Armen in der Hürde
Des Hirten wuchs, des Wunderleben hier,
Im Himmelsglanz, man besser singen würde,
- Verlieh der frommen heiligen Begier,
Auf Gottes Eingebung, zum Eigentume
Honorius der zweiten Krone Zier.
- Dann predigend, aus Durst nach Märtyrtume,
Kühn in des stolzen Sultans Gegenwart,
Von Christi und von seiner Folger Ruhme,
- Fand zur Bekehrung er das Volk zu hart,
Drob, da ihm hier sein edles Werk nicht glückte,
Von ihm bebaut Italiens Garten ward.
- Und auf AIvernas Felsenböhen drückte
Das letzte Siegel noch ihm Christus ein,
Das dann zwei Jahre seine Glieder schmückte.
- Als der, der ihn berufen, aus der Pein
Zur Wonn’ ihn rief, den Lohn hier zu erwerben,
Daß er sein Knecht war, niedrig, arm und klein,
- Empfahl er noch, als seinen rechten Erben,
Den Brüdern seine Frau, ihm lieb und wert,
Zu treuer Lieb’ im Leben und im Sterben.
- Eh’ ihrem Schoß die Seele, schon verklärt,
Entfloh, heimkehrend zu des Vaters Reiche,
Ward nur die Erd’ als Sarg von ihm begehrt.
- Jetzt denke selbst, wer dem an Würde gleiche,
Der, sein Genoß, durchs Meer führt Petri Kahn,
Daß er auf g’radem Weg das Ziel erreiche.
- Dies Amt hatt’ unser Patriarch empfah’n,
Und gute Ware trägt auf deiner Reise,
Wer treu ihm folgt auf der befohlnen Bahn.
- Doch deine Herd’ ist jetzt nach neuer Speise
So lüstern, daß sie üppig hüpft und springt
Und sich zerstreut und irrt vom rechten Gleise.
- Je weiter hin der Schäflein Herde dringt,
Dem Hirten fern sich irrend zu zerstreuen,
Je minder Milch zum Stalle jedes bringt.
- Wohl gibt’s noch welche, die den Schaden scheuen.
Die folgen, angedrängt dem Hirten, nach,
Doch wenig Tuch gibt Kutten diesen Treuen.
- Jetzt aber, war mein Wort nicht trüb und schwach,
Verblieb dein Ohr, aufmerksam meinen Lehren,
Rufst du zurück dem Geiste, was ich sprach,
- Dann wird’s Befried’gung deinem Wunsch gewähren,
Dann zeigt der Baum, von dem ich pflückte, sich,
Und meines Tadels Grund wird sich erklären:
- Wo wohl gedeiht, wer nicht dem Wahne wich."
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