- Zur Fahrt in bess’re Fluten aufgezogen
Hat seine Segel meines Geistes Kahn,
Und läßt nun hinter sich so grimme Wogen.
- Zum zweiten Reiche hin geht seine Bahn,
Wohin zur Reinigung die Geister schweben,
Um würdig dann dem Himmelreich zu nah’n.
- Doch hier mag sich die tote Dichtung heben,
O heil’ge Musen, da ich euer bin!
Hier mög’ empor Kalliopeia streben!
- Sie folge mir mit jenem Ton dahin,
Des Streich, die armen Elstern einst erschreckend,
Verzweiflung bracht’ in ihren stolzen Sinn.
- Des Saphirs holde Farbe, ganz bedeckend
Des reinen Äthers heiteres Gebäu
Und bis zum ersten Kreise sich erstreckend,
- Erschuf vor mir der Augen Wonne neu,
Sobald ich jetzt der toten Luft entklommen,
Die Aug’ und Brust getrübt in Nacht und Scheu.
- Der schöne Stern, der Lieb’ erregt, entglommen
Im Osten, hatt’ in Lächeln ihn verklärt,
Die Fisch’ umschleiernd, die mit ihm gekommen.
- Dann rechts, dem andern Pole zugekehrt,
Erblickt’ ich eines Viergestirnes Schimmer,
Des Anschau’n nur dem ersten Paar gewährt.
- Der Himmel schien entzückt durch sein Geflimmer.
O du verwaistes Land, du öder Nord,
Du siehst den Glanz der schönen Lichter nimmer.
- Als ich darauf vom Viergestirne fort
Ein wenig hin zum andern Pole sah,
Da war verschwunden schon der Wagen dort.
- Und einen Greis, allein, sah ich mir nahe,
Der Ehrfurcht also wert an Mien’ und Art,
Daß mir, als ob’s mein Vater sei, geschähe.
- Lang war, mit weißem Haar vermischt, sein Bart
Und gleich dem Haar des Haupts, das, niedersinkend
Als Doppelstreif, der Brust zur Hülle ward.
- Sein Angesicht, die heil’gen Strahlen trinkend
Des Viergestirnes, war so schön und klar,
Als sah’ ich es, vom Schein der Sonne blinkend.
- "Wer seid ihr, die ihr fortflieht, wunderbar,
Aus ew’ger Haft, dem blinden Strom entgegen"
Er sprach’s, bewegt des Bartes greises Haar,
- "Wer leitet’ euch? Wer leuchtet’ euren Wegen,
Daß ihr entstiegt den Schatten tiefer Nacht,
Die, ewig achwarz, der Hölle Täler hegend
- Verlor des Abgrunds Satzung ihre Macht?
Hat neuer Ratschluß durch der Hölle Pforte
Verdammt’ in meine Grotten hergebracht?" –
- Hier fühlt’ ich mich erfaßt von meinem Horte,
Und ehrerbietig macht er Brau’n und Knie
Mir alsogleich mit Hand und Wink und Worte
- Und sprach: "Nicht durch mich selber bin ich hie;
Ein Weib kam bittend aus den höchsten Sphären,
Darob ich diesem mein Geleit verlieh.
- Doch da’s dein Will’ ist, daß ich dich belehren
Von unserm wahren Zustand soll, wie mag
Mein Will’ ein andrer sein, als zu gewähren!
- Nicht sahe dieser noch den letzten Tag,
Doch war er nah ihm, so vom Wahn verblendet,
Daß er gewiß in kurzer Frist erlag.
- Um ihn zu retten, ward ich abgesendet,
Und hierzu fand ich diesen Weg nur gut,
Auf welchem ich mich jetzt hierher gewendet.
- Ich zeigt’ ihm schon der Sünder ganze Brut,
Nun aber ist er die zu sehn bereitet,
Die hier sich läutern unter deiner Hut.
- Lang wär’s zu sagen, wie ich ihn begleitet.
Kraft kam von oben, helfend, daß ich ihn,
Um dich zu hören und zu sehn, geleitet.
- Laß dir’s gefallen, daß er hier erschien.
Er sucht die Freiheit – wie sie wert zu halten,
Weiß, wer um sie des Lebens sich verzieh’n.
- Du weißt’s, du ließest gern sie zu erhalten,
In Utica die Hülle blutbenetzt,
Die hell am großen Tag sich wird entfalten.
- Nicht ward der ew’ge Schluß von uns verletzt.
Er lebt und mich hält Minos nicht gefangen.
Ich bin vom Kreis, wo deine Martia jetzt,
- Noch keuschen Aug’s, dir ausspricht das Verlangen,
O heil’ge Brust, als dein sie anzusehn,
Drum woll’ uns, ihr zuliebe, wohl empfangen.
- Laß uns durch deine sieben Reiche gehn,
Dann grüß’ ich sie von dir in jenen Hallen,
Willst, dort erwähnt zu sein, du nicht verschmäh’n."
- "Gefiel auch", sprach er, "Martia mir vor allen,
Da ich gelebt, so daß ich ihr erwies,
Wodurch ich irgend wußt’, ihr zu gefallen,
- Doch jetzt nicht mehr bewegen darf mich dies,
Da sie dort wohnt jenseits der nächt’gen Wogen,
Wie festgesetzt ward, als ich sie verließ.
- Doch hat ein Himmelsweib dich hergezogen,
Wie du gesagt, was braucht’s da Schmeichelei’n?
Sie will, dies g’nügt, und treulich wird’s vollzogen
- Drum geh, zum weitern Weg ihn einzuweih’n.
Ihn muß ein Gurt von glatter Bins’ umschnüren,
Dann wasch ihm das Gesicht vom Schmutze rein.
- Das Aug’ umnebelt, will sich’s nicht gebühren,
Zum ersten Diener, der vom sel’gen Land
Herabgekommen ist, ihn hinzuführen.
- Rings trägt der kleinen Insel tiefster Strand,
Wo Wog’ und Woge sich im Wechsel jagen,
Viel Binsen am morastig weichen Rand.
- Die andern Pflanzen, welche Blätter tragen
Und sich verhärten, kommen da nicht auf,
Wo’s gilt, sich schmiegen, wenn die Wellen schlagen.
- Doch kehrt von dort nicht rückwärts euren Lauf;
Die Sonne zeigt – seht, dort ersteht sie eben! –
Euch dann den leichtern Weg den Berg hinauf."
- Hier sah ich ihn vor meinem Blick verschweben;
Stumm stand ich auf und sah auf meinen Hort,
In seinen Schutz und Willen ganz ergeben.
- Er sprach: "Sohn, folge mir jetzt rückwärts. Dort
Neigt mehr und mehr die Ebene sich immer
Nach ihren letzten tiefsten Grenzen fort."
- Schon trieb das Morgenrot mit lichtem Schimmer
Die Frühe vor sich her, und vom Gestad
Erkannt’ ich weit hinaus des Meers Geflimmer.
- Nun gingen wir dahin auf ödem Pfad,
Wie wer, verirrt, zum rechten Wege schreitend,
Sein Gehn umsonst glaubt, bis er ihn betrat.
- Wir sahn den Tau bald, mit der Sonne streitend,
Doch, weil er dort an schatt’ger Stelle war,
Sich minder schnell in leichtem Dunst verbreitend.
- Worauf mein Hort mit seiner Hände Paar
Sanft die zerstreuten, weichen Gräser deckte,
Drob ich, denn seinen Vorsatz nahm ich wahr,
- Ihm die betränte Wang’ entgegenstreckte.
Rein wusch er mir die Farbe der Natur,
Die erst der Schmutz der Hölle ganz versteckte.
- Nun gingen wir dahin auf öder Flur
Am Strande fort, der nie ein Schiff erblickte,
Das wieder heim zum Vaterlande fuhr.
- Dort, so wie der geboten, der uns schickte,
Umgürtet er mit schwachen Binsen mich,
Und wo er nur die niedre Pflanze knickte,
- Erhob sie neu aus ihrer Wurzel sich.
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