- Nicht hemmt’ uns Gehn im Reden, Red’ im Gehn;
Der Lauf ging beim Gespräch so rasch vonstatten,
Wie eines Schiffs bei guten Windes Weh’n.
- Und die, wie’s schien, zweimal gestorbnen Schatten,
Sie sogen Staunen durch die Augen ein,
Da sie bemerkt mein irdisch Leben hatten.
- "Wohl eil’ger", sprach ich weiter, "würd’ er sein,
Zum Platz zu zieh’n, der dort ihm angewiesen,
War’ er nicht aufgehalten von uns zwei’n.
- Doch sprich, wo ist Piccarda? Wer von diesen,
Von welchen jeder Blick jetzt auf mir ruht,
Ward durch den Ruf im Leben einst gepriesen?"
- "Sie, meine Schwester, einst so schön als gut,
Trägt dort, wo wir das ew’ge Licht erkennen,
Die Krone des Triumphs mit heiterm Mut."
- Sprach’s, und darauf: "Hier darf man alle nennen,
Denn, vom heilsamen Fasten abgezehrt,
Würd’ einer sonst den andern nimmer kennen.
- Sieh dort" – er sprach’s, den Finger hingekehrt –
"Den Buonagiunta; sieh dort den Erblaßten,
Vom Hunger mehr als jeden sonst, verheert,
- Des Arme dort die heil’ge Kirch’ umfaßten.
Er war von Tours und büßt hier manchen Schmaus
Von weinersäuften Aal mit schwerem Fasten."
- Noch wählt’ er manchen von der Schar heraus
Und nannt’ ihn mir, was jeden sehr erfreute,
Und keiner sah drum trüb und finster aus.
- Ich Sah den Bonifaz, der viel Leute
Mit Pfründenfett geatzt; den Ubaldin,
Der an den Zähnen selbst vor Hunger käute;
- Sah den Marchese, den, trotz allem Zieh’n
Aus seinem Krug, der Durst nur ärger brannte,
Und dem der Mund beständig trocken schien.
- Doch wie, wer viel sah, eins nur wählt. So wandte
Ich mein Gesicht nun zu dem Buonagiunt,
Der, wie es schien, mich dort am besten kannte.
- Er murmelt’ in sich, und von seinem Mund,
An dem sich hier der Schlemmer Sünden rächen,
Ward etwas wie das Wort Gentucca kund.
- Ich sprach: "Der du das Schweigen abzubrechen
So lüstern scheinst, sprich so, daß man’s versteht,
Und dich und mich befriedige dein Sprechen."
- Drauf er: "Ein Weib, das noch entschleiert geht,
Gibt dir dereinst an meiner Stadt Behagen,
So sehr man diese Stadt auch immer schmäht.
- Du wirst dorthin die Rede mit dir tragen,
Und trog mein Murmeln dich, in kurzer Zeit
Wird dir die Wirklichkeit er klarer sagen.
- Doch sprich, erblick’ ich den in meinem Leid,
Der jene neuen Weisen fand, beginnend:
Ihr Frau’n, die ihr der Liebe kundig seid."
- Drauf ich: "Dem Hauch der Liebe lausch’ ich sinnend;
Was sie mir immer vorspricht, nehm’ ich wahr
Und schreib’ es nach, nichts aus mir selbst ersinnend."
- "Die Schlinge, Bruder," sprach er, "seh’ ich klar,
Die von dem neuen süßen Stil gehalten
Mich diesseits hat, Guitton’ und den Notar.
- Ich seh’, ihr lasset nur die Liebe walten,
Und eure Feder folgt, wie sie gebeut,
Wir aber ließen sie nicht also schalten.
- Wer, Beifall suchend, keck sie überbeut,
Gibt Schwulst, statt des, was euch Natur verliehen."
Er schwieg und schien befriedigt und erfreut.
- Wie Vögel, die zum Nil im Winter ziehen,
Sich oft versammeln in gedrängtem Hauf
Und schneller dann in Streifen weiterfliehen;
- So machten alle dort sich wieder auf,
Die, abgewandt, sich eilig fort begaben,
Durch Magerkeit und Willen leicht zum Lauf.
- Und gleich wie einer, atemlos vom Traben,
Die andern läßt, um ganz gemach zu gehn,
Bis ausgeschnauft die heißen Laugen haben,
- So war es mit Forese jetzt gescheh’n;
Er, hinter mir, ließ zieh’n die heil’ge Herde
Und sprach: "Wann werd’ ich wohl dich wiedersehn?"
- "Nicht weiß ich es. Doch glaub’ ich, daß der Erde",
Versetzt’ ich, "nicht so schnell mein Geist entfleugt,
Als ich nach diesem Strand mich sehnen werde.
- Denn seh’ ich dort den Ort, der mich erzeugt,
Tagtäglich mehr vom Guten sich entblößen
Und jämmerlich bereits zum Sturz gebeugt!"
- Und er: "Jetzt geh, den Stifter alles Bösen
Seh’ ich am Schweif des Pferds geschleppt zum Ort,
Von welchem Reu’ und Tränen nie erlösen.
- Stets schneller geht der Lauf des Tieres fort,
Und endlich läßt’s den Leib des Jammervollen
Zerstampft, entstellt, ein widrig Scheusal, dort.
- Nicht lange werden diese Kreise rollen"
–Zum Himmel blickt er auf – "und klar wird dir,
Was dämmernd nur mein Wort dir zeigen sollen.
- Du bleibe jetzt; die Zeit ist teuer hier,
Und daß ich gleichen Schritts mit dir gegangen,
Dies kostet mich bereits zuviel von ihr."
- Wie einer, wenn die Reiter vorwärts drangen,
Hervorsprengt aus der Reih’, in der er ritt,
Den Ruhm des ersten Angriffs zu erlangen,
- So trennt’ er sich von uns mit größerm Schritt,
Indes ich hinter ihm mit meinem Horte
Und mit dem andern Meister weiterschritt.
- Schon war er vor uns an so fernem Orte,
Daß ihm mein Blick dahin durch weiten Raum,
Wie die Erinnrung folgte seinem Worte;
- Als wir voll Obstes einen andern Baum
Mit üppigem Gezweig nicht fern entdeckten,
Da wir uns bogen um des Kreises Saum.
- Und Leute, die hinauf die Hände streckten,
Schrien auf zum Laub, das in die Lüfte steigt,
Den Kindlein gleich, den gierigen, geneckten,
- Die bitten, während der Gebetne schweigt,
Und, um zu schärfen die Begier, ihr Sehnen
Hoch hinhält und es frei und offen zeigt.
- Dann gingen sie, geheilt vom eitlen Wähnen;
Wir aber schritten zu dem Baum heran,
Der alle Bitten abweist, alle Tränen.
- "Vorüber schreitet, denn ihr dürft nicht nah’n!
Der Baum, der Even reizt’, ist weiter oben.
Von ihm hat dieser seinen Keim empfah’n."
- So sprach, ich weiß nicht wer, vom Baume droben,
Weshalb Virgil mit Statius, engverschränkt,
Und mir hinging, wo sich die Felsen hoben.
- "An die verfluchten Wolkensöhne denkt,"
Sprach’s, "die dem Theseus mit den Doppelbrüsten
Im Kampf getrotzt, von zuviel Wein getränkt.
- An die Hebräer denkt und ihr Gelüsten,
Und denkt, weshalb verschmäht hat Gideon,
Mit ihnen gegen Midian sich zu rüsten."
- So gingen wir, dem Felsen nah, davon,
Und hörten aus des Laubs geheimer Regung
Des Gaumens Schuld und ihren schlechten Lohn.
- Dann aber ging’s mit freierer Bewegung
Auf breitem Pfad an laufend Schritte fort,
Und jeder schwieg in sinniger Erwägung.
- "Was geht ihr drei so ernst erwägend dort?"
Rief’s plötzlich nun, ich aber fuhr zusammen,
Gleich einem scheuen Roß, bei diesem Wort.
- Mein Haupt kehrt’ ich dorthin, woher zu stammen
Die Rede schien, und sah in rotem Schein
Glas und Metall nie so im Ofen flammen,
- Wie einen hier, der sprach: "Hier geht ihr ein,
Wollt ihr empor zur freien Höhe kommen,
Und im Genuß des ew’gen Friedens sein."
- Mir hatte das Gesicht sein Glanz benommen,
Drum wandt’ ich mich zu meinen Führern hin,
Wie wer dem folgt, was er durchs Ohr vernommen.
- Und wie des Morgenrots Verkünderin,
Die, Düfte raubend, in den Blüten wühlte,
Die Mailuft, weht, die süße Schmeichlerin,
- So fühlt’ ich an der Stirn ein Weh’n, so fühlte
Ich ein Gefieder, sanft bewegt, das mir
Das Antlitz mit Ambrosiadüften kühlte.
- Und dann erklang dies Wort: "O selig ihr,
Die ihr die Gnad’ empfingt, daß unverdüstert
Des Geistes Licht euch bleibt von der Begier,
- Indem euch nur, wie’s ziemt, nach Speise lüstert."
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