- Wer wohl verstehn will, was ich nun gesehen,
Bild’ itzt sich ein und lass im Geist das Bild,
Indes ich spreche, fest, wie Felsen, stehen,
- Fünfzehen Sterne, die man am Gefild
Des Himmels in verschiedner Gegend findet,
So glanzvoll, daß ihr Licht durch Nebel quillt;
- Den Wagen, der um unsern Pol sich windet,
Und sein Gewölb’ bei Tag und Nacht durchreist,
Drob er beim Deichselwenden nicht verschwindet;
- Bild’ ein sich, was der Mund des Hornes weist,
Das anfängt an der Himmelsachse Grenzen,
Um die das erste Rad nie rastend kreist;
- Die Sterne denk’ er sich in zweien Kränzen,
Die, dem gleich, der sich zur Erinnrung flicht
An Ariadnens Tod, am Himmel glänzen,
- Umringt den einen von des andern Licht,
Und beid’ im Kreis gedreht in solcher Weise,
Daß dem, der vorgeht, der, so folgt, entspricht;
- Dann glaub’ er, daß sich ihm ein Schatten weise
Des wahren Sternbilds, welches, zweigereiht,
Den Punkt, auf dem ich stand, umtanzt’ im Kreise.
- Denn was wir kennen, steht ihm nach, so weit,
Als nur der Chiana träger Lauf dem Rollen
Des fernsten Himmels weicht an Schnelligkeit.
- Dort sang man nicht von Bacchus, von Apollen,
Nein, drei in einem – Gott und Mensch nur eins,
Die Lieder waren’s, welche dort erschollen.
- Als Sang und Tanz des heiligen Vereins
Vollbracht war, wandt’ er sich zu uns, von Streben
Zu Streben, ewig froh des sel’gen Seins.
- Und jenes Licht hört’ ich die Stimm’ erheben
Im eintrachtsvollen Kreis, das mir vorher
Erzählt des heil’gen Armen Wunderleben.
- Es sprach zu mir: Das eine Stroh ist leer
Und wohlverwahrt die Saat, allein entglommen
Von süßer Liebe, dresch’ ich dir noch mehr.
- Du glaubst: Der Brust, aus der die Ripp’ entnommen
Zum Stoff des Weibes, deren Gaum hernach
Der ganzen Welt so hoch zu stehn gekommen,
- Und jener, die, als sie der Speer durchstach,
So nach wie vor so große G’nüge brachte,
Daß sie die Macht jedweder Sünde brach,
- Sei alles Licht, das je dem Menschen lachte,
Und des er fähig ist, voll eingehaucht
Von jener Kraft, die jen’ und diese machte;
- Und staunst, daß ich vorhin das Wort gebraucht:
Der fünfte Glanz sei bis zum tiefsten Grunde
Der Weisheit, wie kein zweiter mehr, getaucht.
- Erschließ itzt wohl die Augen meiner Kunde;
Mein Wort und deinen Glauben siehst du dann
Im Wahren, wie den Mittelpunkt im Runde.
- Das, was nicht stirbt, und das, was sterben kann,
Ist nur als Glanz von der Idee erschienen,
Die, liebreich zeugend, unser Heer ersann.
- Denn jenes Licht des Lebens, das entschienen
Dem ew’gen Lichtquell, ewig mit ihm eins,
Und mit der Lieb’, als dritter, eins in ihnen,
- Eint gnädiglich die Strahlen seines Scheins
Sie, wie in Spiegeln, in neun Himmeln zeigend,
Im ewigen Verein des einen Seins.
- Von dort sich zu den letzten Kräften neigend,
Wird schwächer dann der Glanz von Grad zu Grad,
Zuletzt nur Dinge kurzer Dauer zeugend.
- Die Dinge, die mein Wort bezeichnet hat,
Sind die Erschaffnen, welche die Bewegung
Des Himmels zeugt, so mit wie ohne Saat.
- Ihr Wachs ist ungleich, und die Kraft der Prägung
Und von des Urgedankens Glanz gewahrt
Man drum hier schwächere, dort stärkre Regung;
- Daher denn auch von Bäumen gleicher Art
Bald bessere, bald schlechtre Früchte kommen,
Und euch verschiedne Kraft des Geistes ward –
- War’ irgendwo das Wachs rein und vollkommen,
Und ausgeprägt mit höchster Himmelskraft,
Rein würde das Gepräg’ dann wahrgenommen.
- Doch die Natur gibt’s immer mangelhaft
Und wirkt dem Künstler gleich, der wohl vertrauen
Der Übung kann, doch dessen Hand erschlafft.
- Drum, bildet heiße Lieb’ und klares Schauen
Der ersten Kraft, dann wird sie, rein und groß,
Vollkommenes erschaffen und erbauen.
- So ward gewürdiget der Erdenkloß,
Die tierische Vollkommenheit zu zeigen,
Und so geschwängert ward der Jungfrau Schoß.
- Darum ist deine Meinung mir auch eigen:
Daß menschliche Natur in jenen zwei’n
Am höchsten stieg und nie wird höher steigen.
- Hielt’ ich mit meinen Lehren jetzo ein,
So würdest du die Frage nicht verschieben:
Wie könnt’ ein dritter ohnegleichen sein?
- Doch, daß erscheine, was versteckt geblieben,
So denke, wer er war, und was zum FIeh’n,
Als ihm gesagt ward: "Bitt’!" ihn angetrieben.
- Aus meiner Rede konntest du ersehn:
Als König fleht’ er um Verstand, beflissen,
Damit dem Reiche g’nügend vorzustehn,
- Nicht um der Himmelslenker Zahl zu wissen,
Nicht, ob Notwend’ges und Zufälligkeit
Notwendiges als Schluß ergeben müssen;
- Nicht, was zuerst bewegt, Bewegung leiht;
Nicht, ob ein Dreieck in dem halben Kreise
Noch anderen, als rechten Winkel, beut –
- Was ich gemeint, erhellt aus dem Beweise.
Du siehst: eine Seher sondergleichen war
Durch Königsklugheit jener hohe Weise,
- Auch ist mein Wort: dem nie ein zweiter, klar;
Von Kön’gen sprach ich nur an jenem Orte,
Die selten gute sind, ob viele zwar.
- Mit diesem Unterschied nimm meine Worte,.
Daß nicht im Streit damit dein Glaube sei
Vom ersten Vater und von unserm Horte.
- Und dieses leg’ an deine Füße Blei
Und mache schwer dich, gleich dem Müden, gehen
Zum Ja! und Nein! wo nicht dein Auge frei,
- Weil die selbst unter Toren niedrig stehen,
Die sich zum Ja und Nein, ohn’ Unterschied,
Gar schnell entschließen, eh’ sie deutlich sehen;
- Drob sich die Meinung, wie es oft geschieht,
Zum Irrtum neigt, und dann im Drang des Lebens
Die Leidenschaft das Urteil mit sich zieht –
- Wer nach der Wahrheit fischt und, irren Strebens,
Die Kunst nicht kennt, der kehrt nicht, wie er geht,
Und schifft vom Strand drum schlimmer als vergebens,
- Wie ihr dies an Melissus deutlich seht
Und an Parmenides und andern vielen,
Die gingen, eh’ sie nach dem Ziel gespäht;
- Drob Arius und SabeII in Torheit fielen.
Gleich Schwertern waren sie dem heil’gen Wort
Und machten die geraden Blicke schielen.
- Nicht reiß’ euch Wahn zum schnellen Urteil fort,
Gleich denen, die das Korn zu schätzen wagen,
Das eh’ es reift, vielleicht im Feld verdorrt.
- Denn öfters sah ich erst in Wintertagen
Den Dornenbusch gar rauh und stachlicht stehn.
Und auf dem Gipfel dann die Rose tragen.
- Und manches Schiff hab’ ich im Meer gesehn,
Gerad’ und flink auf allen seinen Wegen,
Und doch zuletzt am Hafen untergehn.
- Nicht glauben möge Hinz und Kunz deswegen,
Weil dieser stiehlt und der als frommer Mann
Der Kirche schenkt, mit Gott schon Rat zu pflegen.
- Da der erstehn und jener fallen kann.
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