- Aleph, Pape Satan, Pape Satan!
Erhob, rauh kluchzend, Plutus seine Stimme.
Und er, der alles wohl verstand, begann:
- "Getrost, nicht fürchte dich vor seinem Grimme,
Durch alle seine Macht wird’s nicht verwehrt,
Daß ich mit dir den Felsen niederklimme."
- Und dann, zu dem geschwoIlnen Mund gekehrt,
Rief er: "Wolf, schweige, du Vermaledeiter!
Von deiner Wut sei in dir selbst verzehrt!
- Wir gehn nicht ohne Grund zur Tiefe weiter,
Dort will man’s, dort, wo einst den Stolz mit Schmach
Gezüchtigt Michael, der Himmelsstreiter."
- Gleichwie die Segel, wenn der Mast zerbrach,
Erst aufgebläht zum Knäuel niederrollen,
So fiel das Untier, das so drohend sprach.
- So ging’s zum vierten Kreis im schmerzenvollen
Unsel’gen Schacht, der alle Schuld umfängt,
Von welcher je im Weltall Kund’ erschollen.
- Gerechtigkeit des Herrn, dein Walten drängt
So neue Mühn zusammen, solche Plagen!
O blinde Schuld, die hier den Lohn empfängt!
- Wie der Charybdis Wogen sich zerschlagen,
Zum Gegenstoß gewälzt von Süd und Nord,
So muß sich hier das Volk im Wirbel jagen.
- Noch nirgend war die Schar so groß wie dort.
Laut heulend kamen sie von beiden Enden
Und wälzten Lasten mit den Brüsten fort.
- Und stießen sich, um sich beim Prall zu wenden,
Und dann zurück im Bogenlauf zu zieh’n,
Und schrien sich zu: Was halten? – Was verschwenden?
- So durch den Kreis, in dem kein Lichtstrahl schien,
Ging’s beiderseits dann nach der andern Seite,
Indem sie beid’ ihr schändlich Schmähwort schrien.
- Dann wandte jeder sich zum neuen Streite,
Sobald er seines Zirkels Hälft’ umkreist;
Und ich, der ich den Armen Mitleid weihte,
- Sprach: "Meister, o wie zagt, wie bangt mein Geist
Wer ist dies Volk? Die links hier scheinen Pfaffen!
Ist’s jeder, der uns eine Glatze weist ?
- Und er: "Dies sind die Blinden, Geistesschlaffen.
Sie wußten in der Welt zum Geben nie
Und nie zum Sparen sich ein Maß zu schaffen.
- Und dies erhellt aus dem, was jeder schrie,
Wenn sie im Kreis gelangt zu zweien Orten;
Da trennt der Gegensatz des Lasters sie.
- Die mit den Glatzen waren Pfaffen dorten;
Auch öffneten wohl Papst und Kardinal
Dem Geiz als Zwingherrn ihres Herzens Pforten."
- Drauf sprach ich: "Meister, kenn’ in dieser Zahl
Ich keinen, der im Schmutz so eitlen Strebens
Sich hier erworben hat die ew’ge Qual?"
- Und er zu mir: "Dein Suchen ist vergebens,
Unkenntlich macht sie ihr verdientes Los
Durch Kot und Schmutz bewußtlos dunkeln Lebens.
- So kommen stets zum Stoß und Gegenstoß,
Bis sie erstehn – die mit verschnittnen Haaren,
Die mit geschlossner Faust – dem Grabesschoß.
- Versetzt hat sie schlecht Geben und schlecht Sparen
Von jener heitern Welt in diesen Zwist;
Nicht sag’ ich welchen, denn du kannst’s gewahren.
- Sieh hier, mein Sohn, welch eitles Ding es ist
Um jenes Gut Fortunens, das die Leute
Zum Kampfe reizt und zu Gewalt und List.
- Gib diesen Müden alles Gold zur Beute,
Das sie gehabt, ja alles Gold der Welt,
Und keine Stunde Ruh’ gibt’s ihnen heute."
- Und ich: "Mein Meister, sprich, wenn dir’s gefällt,
Wer ist Fortuna doch, die, wie ich hörte,
In ihren Klau’n der Erde Güter hält?"
- Und er zu mir: "O Arme, Trugbetörte!
Unwissende, zum Schlimmsten stets geneigt!
O daß mein Spruch jetzt aller Wahn zerstörte!
- Er, dessen Weisheit alles übersteigt,
Erschuf die Himmel und gab ihnen Leitung,
Daß jedem Teil sich jeder leuchtend zeigt,
- Durch seines Lichts gleichmäßige Verbreitung.
So gab er schaffend auch die Dienerin
Dem Erdenglanz zur Führung und Begleitung.
- Von Volk zu Volk, von Blut zu Blute hin,
Bringt sie das eitle Gut, das nirgends dauert,
Und kümmert nicht sich um der Menschen Sinn.
- Dies Volk befiehlt, ein andres dient und trauert,
Wie jene Führerin das Urteil spricht,
Die, wie die Schlang’ im Gras, verborgen lauert.
- Nichts gegen sie hilft eurer Weisheit Licht,
Sie sorgt, erkennt, vollzieht in ihrem Reiche,
Und weicht darin den andern Göttern nicht.
- Nie haben Stillstand ihre Wechselstreiche;
So macht sie, von Notwendigkeit gejagt,
Aus Reichen Arme, dann aus Armen Reiche.
- Sie ist’s, die ihr ans Kreuz oft wütend schlagt,
Von der ihr oft, wenn ihr, anstatt zu schmollen,
Sie loben solltet, fälschlich Böses sagt.
- Doch sie, die Sel’ge, hört nicht euer Grollen;
In andrer erstgeschaffnen Seligkeit
Und Wonne, läßt sie ihre Kugel rollen. –
- Doch eilig weiter jetzt zu größerm Leid!
Die Stern’, aufsteigend, als ich fortgeschritten,
Gehn abwärts itzt, und unser Weg ist weit."
- Am andern Rand ward nun der Kreis durchschnitten,
An einem Quell, der siedend dort entspringt,
Des Wellen fort durch einen Graben glitten.
- Mehr trüb’ als schwarz ist seine Flut und bringt,
Wenn man ihr folgt, hinab zu rauhen Wegen,
Durch die man mit Beschwerde niederdringt.
- Dann qualmt ein Sumpf, mit Namen Styx, entgegen
Dort, wo der traur’ge Fluß vom Laufe ruht,
Am Fuß des greulichen Gestad’s gelegen.
- Dort stand ich nun und sah nach jener Flut,
Und jäh im Sumpfe Leute, kot’ge, nackte,
Zugleich des Jammers Bilder und der Wut.
- Man schlug sich nicht mit Fäusten nur, man hackte
Mit Haupt und Brust und Füßen auf sich ein,
Indem man wild sich mit den Zähnen packte.
- Mein Meister sprach: "Sohn, sieh in dieser Pein
Die Seelen derer, so der Zorn bezwungen.
Auch unterm Wasser müssen viele sein;
- Und wenn ein Seufzer ihnen sich entrungen.
Dann steigen BIasen auf von ihrer Not,
Drum sieh von Kreisen diese Flut durchschwungen.
- Und immer rufen sie, versenkt im Kot:
Wir waren elend einst im Sonnenschimmer
Und hegten Groll und Tücke bis zum Tod,
- Und elend sind wir nun im Schlamm noch immer.
Dies Lied klingt gurgelnd vor aus ihrem Schlund,
Stets schluckend, enden sie die Worte nimmer.
- So gingen, zwischen Pfuhl und festem Grund,
Wir an dem schmutz’gen Teich in weitem Bogen,
Den Blick gewandt zum Volk mit Schlamm im Mund,
- Bis wir zu eines Turmes Fuß gezogen.
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