- Wenn sie, die hell die ganze Welt verklärt,
Von unsrer Hemisphär’ herabgeschwommen
Und rings der Tag ersterbend sich verzeiht,
- Dann zeigt der Himmel, erst von ihr entglommen,
Von ihr allein, viel Sterne rings im Rund,
Die all ihr Licht von einem Licht entnommen.
- Dies war’s, was jetzt vor meiner Seele stund,
Als unsrer Welt und ihrer Herrscher Zeichen
Stillschweigen ließ den benedeiten Mund.
- Denn alle Lichter, jene wonnereichen,
Erglänzten mehr im Sang, an dessen Macht
Nicht irdischer Erinnrung Schwingen reichen.
- O Lieb’, umkleidet mit des Lächelns Pracht,
Wie sah ich Glanz dich in die Funken gießen,
Die heil’ger Sinn allein dort angefacht!
- Dann, als die Edelsteine, die mit süßen
Lichtstrahlen hold das sechste Licht erhöh’n,
Die Engelsglocken wieder schweigen ließen,
- Schien mir’s, es zeig’ in murmelndem Getön
Ein Fluß, von Fels zu Felsen niederfallend,
Wie reich sein Quell entstand auf Bergeshöh’n.
- Und wie ein Ton, aus reiner Laute schallend,
An ihrem Hals sich formt und wie der Wind
Durchs Mundloch eindringt, die Schalmei durchhallend;
- So hatte jener Murmelton geschwind
Sich bis zum Hals des Adlers aufgeschwungen
Und drang, wie aus der Kehle, süß und lind
- Und ward zur Stimm’, und, dort hervorgedrungen,
Ward er gebildet zum erwünschten Wort,
Und wohl behält mein Herz, was mir erklungen.
- "Den Teil in mir, der bei den Adlern dort
Die Sonne sieht und trägt, schau’ an!" so hoben
Die Wort’ itzt an und fuhren weiter fort:
- "Denn von den Feuern, die mein Bild gewoben,
Stehn, die hier glänzen an des Auges Statt,
In allen Würden vor den andern oben.
- Der, so den Platz des Augenapfels hat,
Des Heil’gen Geistes Sänger war’s und brachte
Die Bundeslade fort von Stadt zu Stadt.
- Wie der, der ihn begeistert, seiner achte
Und seines Sangs, das kann er jetzo sehn,
Da er dem Wert gleich die Belohnung machte.
- Von fünf, die um mein Aug’ als Braue stehn,
Sieh nächst dem Schnabel den, der eh’mals Weile
Dem Heer gebot auf einer Witwe FIeh’n.
- Wie, wer nicht Christo folgt zu seinem Heile,
Dies teuer büßt, das hat er nun erkannt
In dieser Wonn’ und in dem Gegenteile.
- Der Nächst’ im Kreise, der mein Aug’ umspannt,
Ist jener, der den Tod auf fünfzehn Jahre
Durch wahre Reue von sich abgewandt.
- Jetzt sieht er ein, der Herr, der ewig Wahre,
Bleib’ ewig wahr, obwohl sein Urteil sich
Auf würd’ges Fleh’n von heut auf morgen spare.
- Der nachfolgt, führte das Gesetz und mich,
Durch guten Sinn zu schlimmem Tun bewogen,
Nach Griechenland, weil er dem Hirten wich.
- Jetzt sieht er, daß, vom Guten abgezogen,
Das Übel, das in Trümmern euch begräbt,
Ihm dennoch nichts von seiner Wonn’ entzogen.
- Sieh Wilhelm, wo der Bogen abwärts strebt,
Ob dessen Tod des Landes Bürger weinen,
Das weint, weil Karl und Friederich gelebt.
- Jetzt sieht er, Gott liebt zärtlich, als die Seinen,
Gerechte Fürsten, und, in Glanz erhellt,
Läßt er dies hier in frohem Blitz erscheinen.
- Wer glaubt’ es in der wahnbefangnen Welt,
Daß Ripheus, den Trojaner, hier im Runde
Des fünften Lichtes heil’ger Glanz enthält?
- Jetzt hat er wohl von Gottes Gnade Kunde
Und siehet mehr, als eurer Welt sich zeigt,
Dringt auch sein Blick nicht bis zum tiefsten Grunde."
- Wie in die Luft die kleine Lerche steigt,
Erst singend flattert, aber dann, zufrieden,
Vom letzten süßen Ton gesättigt, schweigt;
- So schien mir jenes Bild, durch das hienieden
Des Höchsten ew’ger Wille zu uns spricht,
Der jedem Ding das, was es ist, beschieden.
- Und barg ich auch den Zweifel minder dicht,
Als Glas die Farbe, litt er doch mein Schweigen,
Und längres Harren auf Verkündung nicht.
- Er zwang dies Wort, dem Munde zu entsteigen:
"Was sah ich dort!" durch seines Dranges Macht,
Denn Freudenfunkeln sah ich dort sich zeigen.
- Im Auge hellre Gluten angefacht,
Sprach drauf der Adler, um mich aufzuregen,
Den Staunen fesselte bei solcher Pracht:
- "Ich sah, du glaubest dies, doch nur deswegen,
Weil ich’s gesagt, und siehest nicht das Wie?
Wie wir Verborgenes zu glauben pflegen,
- Wie man der Sache Namen lernt, doch sie
Nicht kann nach ihrem Wesen unterscheiden,
Wenn nicht ein anderer uns Licht verlieh.
- Das Reich der Himmel muß Gewalt erleiden,
Wenn Kraft der Lieb’ und Hoffnung es bekriegt,
Denn Gottes Wille wird besiegt von beiden;
- Nicht wie ein Mensch dem Stärkern unterliegt;
Nein, er siegt, denn er will sich ja ergeben.
Drob er, besiegt durch seine Güte, siegt.
- Du staunst beim ersten und beim fünften Leben
In meiner Brau’ und nennst es wunderbar,
Daß beide hier in hellem Glanze schweben.
- Als Christen, nicht als Heiden, starb dies Paar.
Der glaubt’ ans Leiden, das schon eingetroffen,
Der zweit’ an das, das noch zu dulden war.
- Der ist vom Höllenschlund, der nimmer offen
Zur Rückkehr war, zum Leib zurückgekehrt,
Und dies verdankt er nur lebend’gem Hoffen;
- Lebend’gem Hoffen, das von Gott begehrt,
Ihn zu befreien aus des Todes Banden,
Damit er lebe, wie das Wort gelehrt.
- Und die ruhmwürd’ge Seele kehrt’ erstanden
Auf kurze Zeit zum Leib und glaubt’ an ihn,
Des Allmacht auf ihr FIeh’n ihr beigestanden.
- Und fühlte, glaubend, sich so hell erglüh’n
In wahrer Liebe, daß sie dieser Wonnen
Bei ihrem zweiten Tode wert erschien.
- Der zweit’, aus Gnade, die so tiefem Bronnen
Entquollen ist, daß nie die Kreatur
Die Quell’ erspähen kann, wo er begonnen,
- Weiht’ all sein Lieben einst dem Rechte nur,
Drum hob ihn Gott empor zu Gnad’ und Gnaden
Und zeigt’ ihm künftiger Erlösung Spur.
- Er glaubt’ an sie und schalt sodann, entladen
Des Heidentums, von seinem Stanke frei,
Die, so noch wandelten auf falschen Pfaden.
- Anstatt der Taufe standen ihm die drei,
Die du am rechten Rad im Tanz gesehen,
Wohl tausend Jahre vor der Taufe bei.
- O Gnadenwahl, wie tief verborgen stehen
Doch deine Wurzeln jenem Blick, der nicht
Vermag den Urgrund völlig zu erspähen!
- Kurz sei dein Urteil, Mensch, wie dein Gesicht,
Da wir nicht all die Auserwählten wissen,
Wir, die wir schau’n in Gottes ew’ges Licht.
- Und süß ist uns auch das, was wir vermissen,
Da daraus uns das höchste Heil entquillt,
Daß dessen, was Gott will, auch wir beflissen."
- So reichte jenes gottgeliebte Bild,
Der schwachen Sehkraft Stärkung zu bereiten,
Mir Arzeneien, wundersüß und mild.
- Und wie mit lieblichem Geschwirr der Saiten
Die guten Lautner guter Sänger Lied
Zu größrer Süßigkeit des Sangs begleiten;
- So regt’, indes der Adler mich beschied,
Der benedeiten Lichter Paar, zusammen,
Wie man die Augen blicken sieht,
- Bei seinem Wort die hellen Wonneflammen.
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