- Der Tag verging, das Dunkel brach herein,
Und Nacht entzog die Wesen auf der Erden
All ihren Müh’n; da rüstet’ ich allein
- Mich zu dem harten Krieg und den Beschwerden
Des Wegs und Mitleids, und jetzt soll ihr Bild
Gemalt aus sicherer Erinn’rung werden.
- O Mus’, o hoher Geist, jetzt helft mir mild!
Erinn’rung, die du schriebst, was ich gesehen,
Hier wird sich’s zeigen, ob dein Adel gilt!
- "Jetzt, Dichter," fing ich an, "bevor wir gehen,
Erwäge meine Kraft und Tüchtigkeit,
Kann sie die große Reise wohl bestehen?
- Du sagst, daß Silvius’ Vater in der Zeit,
im Körper noch und noch ein sterblich Wesen,
Sei eingedrungen zur Unsterblichkeit.
- Doch da der ew’ge Gegner alles Bösen
in seinen Empire’n zum Stifter ihn
Der Mutter Roma und des Reichs erlesen,
- Kann jeder, dem Vernunft ihr Licht verlieh’n,
Beim hocherhabnen Zweck es wohl ergründen,
Daß er nicht unwert solcher Huld erschien.
- Denn Rom und Reich, um Wahres zu verkünden,
Gestiftet wurden sie, die heil’ge Stadt
Zum Sitz für Petri Folger zu begründen.
- Durch diesen Gang, den du ihm nachrühmst, hat
Er Kunde des, wodurch er siegt’, empfangen
Und Grund gelegt zur heil’gen Herrscherstatt.
- Ist das erwählte Rüstzeug hingegangen,
So stärkt’ es in dem Glauben dann die Welt,
In dem der Weg des Heiles angefangen.
- Doch ich? Warum? Wer hat mir’s freigestellt?
Äneas nicht noch Paul, ich, dessen Schwäche
Nicht ich, noch jemand dessen würdig hält,
- Wenn ich dorthin zu kommen mich erfreche,
So fürcht’ ich, daß mein Kommen töricht sei.
Du, Weiser, weißt es besser, als ich spreche."
- Und wie wer will und nicht will, mancherlei
Erwägt und prüft und fühlt im bangen Schwanken,
Mit dem, was er begonnen, sei’s vorbei;
- So ich – das, was ich leicht und ohne Wanken
Begonnen hatte, gab ich wieder auf,
Entmutigt von den wechselnden Gedanken.
- "Verstand ich dich," so sprach der Schatten drauf,
"So fühlst du Angst und Schrecken sich erneuen,
Und Feigheit nur hemmt deinen weitern Lauf.
- Das Beste macht sie oft den Mann bereuen,
Daß er zurückespringt von hoher Tat,
Gleich Rossen, die vor Truggebilden scheuen.
- Doch hindre sie dich nicht am weitern Pfad,
Drum höre jetzt, was ich zuerst vernommen,
Da mir’s um dich im Herzen wehe tat.
- Mich, nicht in Höll’ und Himmel aufgenommen,
Rief eine Frau, so selig und so schön,
Daß ihr Geheiß mir wert war und willkommen.
- Mit Augen, gleich dem Licht an Himmelshöhn
Begann sie gegen mich gelind und Ieise,
Und jeder Laut war englisches Getön:
- O Geist, geboren einst zu Mantuas Preise,
Des Ruhm gedauert hat und dauern wird,
Solang die Sterne zieh’n in ihrem Kreise,
- Mein Freund, doch nicht der Freund des Glückes, irrt
In Wildnis dort, weil Wahn im Weg’ ihn störte,
So daß er sich gewandt, von Furcht verwirrt.
- Schon irrte, fürcht’ ich, also der Betörte,
Daß ich zu spät zum Schutz mich aufgerafft,
Nach dem, was ich von ihm im Himmel hörte.
- Du geh; es sei durch deiner Rede Kraft,
Durch das, was sonst ihm Not, sein Leid geendet,
So sei ihm Hilf und Ruhe mir verschafft.
- Beatrix; bin ich, die ich dich gesendet;
Mich trieb die Lieb’ und spricht aus meinem Wort.
Vom Ort komm’ ich, wohin mein Wunsch sich wendet.
- Und steh’ ich erst vor meinem König dort,
So werd ich oft dich loben und ihm preisen –
Sie sprach’s und schwieg, und ich begann sofort:
- O Weib voll Kraft, du Lehrerin der Weisen,
Durch das die Menschheit alles überragt,
Was lebt in jenes Himmels kleinern Kreisen!
- Spät dächt’ ich, wie mir dein Befehl behagt,
Zu tun, tat’ ich sogleich, was du gebietest.
Wohl deutlich haft du deinen Wunsch gesagt,
- Doch sage mir, warum du dich nicht hütest
Herabzugeh’n zum Mittelpunkt vom Licht,
Wohin du schon zurückzukehren glühtest.
- Willst du es denn so tief ergründen, spricht
Die Hohe darauf, so will ich’s kürzlich sagen.
Ich fürchte mich vor diesem Dunkel nicht.
- Vor solchem Übel ziemt sich wohl zu zagen,
Das mächtig ist und leicht uns Schaden tut,
Vor solchem nicht, bei welchem nichts zu wagen.
- Gott schuf mich so, daß ich in seiner Hut
Frei von den Nöten bin, die euch durchschauern,
Und nicht ergreift mich dieses Brandes Glut.
- Ein edles Weib im Himmel sieht mit Trauern
Das Hindernis, zu dem ich dich gesandt,
Drum kann der harte Spruch nicht länger dauern.
- Sie flehte, zu Lucien hingewandt:
Dein Treuer braucht dich jetzt im harten Streite,
Darum empfehl’ ich ihn in deine Hand.
- Lucia, die sich ganz dem Mitleid weihte,
Bewegte sich zum Orte, wo ich war,
In Ruhe sitzend an der Rahel Seite.
- Sie sprach: Beatrix, Gottes Preis fürwahr!
Hilfst du ihm nicht, ihm, der aus großer Liebe
Für dich entrann aus der gemeinen Schar,
- Als ob dein Ohr taub seinen Klagen bliebe,
Als sähest du ihn nicht im Wirbel dort,
Bedroht, mehr als ob Meeressturm ihn triebe?
- Nicht eilt so schnell auf Erden einer fort,
Den Gier nach Glück und Furcht vor Leid betören,
Wie ich herabgeeilt bei solchem Wort,
- Von meinem Sitz in jenen sel’gen Chören,
Vertrau’nd auf deiner würd’gen Rede Macht,
Die Ruhm dir bringt und allen, die sie hören –
- Als nun Beatrix solches vorgebracht,
Da wandte sie die Augenstern’ in Zähren,
Und dies hat mich nur schneller hergebracht.
- So komm’ ich denn daher auf ihr Begehren,
Das Untier von dir scheuchend, dem’s gelang,
Den kurzen Weg des schönen Bergs zu wehren.
- Was also ist dir? Warum weilst du bang?
Was herbergst du die Feigheit im Gemüte?
Was weicht dein Mut, dein kühner Tatendrang,
- Da sich drei heil’ge Himmelsfrau’n voll Güte
Für dich bemüh’n und dir mein Mund verspricht,
Daß ihre treue Sorge dich behüte?"
- Gleichwie die Blum’ im ersten Sonnenlicht,
Beim nächt’gen Reif gesunken und verschlossen,
Den Stiel erhebt und ihren Kelch entflicht;
- So hob die Kraft, erst schmachtend und verdrossen,
In meinem Herzen sich zu gutem Mut,
Und ich begann, frohsinnig und entschlossen:
- "O wie ist sie, die für mich sorgte, gut!
Wie freundlich bist auch du, der den Befehlen
Der Herrlichen so schnell Genüge tut l
- Schon fühl’ ich mich zu heißer Sehnsucht stählen
Von deinem Wort, schon fühl’ ich, nicht mehr bang,
Vom ersten Vorsatz wieder mich beseelen.
- Drum auf, in beiden ist ein gleicher Drang,
Herr, Führer, Meister, auf zum großen Wege!"
Ich sprach’s zu ihm, und, folgend seinem Gang,
- Schritt ich daher auf waldig rauhem Stege.
|