- Ich war am Ort, wo’s widerhallend brauste
Vom Wasser, das da stürzt’ ins nächste Tal,
Als ob ein Schwarm von Bienen summt’ und sauste;
- Da rannten Schatten her, drei an der Zahl,
Und trennten sich von einer größern Bande,
Die hinlief durch des Feuerregens Qual,
- Und schrien: "Halt du, wir sehn es am Gewande
Dir deutlich an, du bist hierher versetzt
Aus unserm eignen schnöden Vaterlande."
- Ach, alt’ und neue Wunden, eingeätzt
Von Flammen, sah ich nun in ihrem Fleische,
Und noch voll Mitleid denk’ ich ihrer jetzt.
- Mein Meister horcht’ auf dieses Schmerzgekreische
Und sah mich an und sprach: "Hier harren wir!
Bedenke jetzt, was Höflichkeit erheische.
- Denn wäre nicht der Feuerregen hier,
Nach der Natur des Orts, so würd’ ich sagen:
Die Eile zieme, mehr als ihnen, dir."
- Ich stand und hörte neu ihr altes Klagen;
Zu uns gekommen waren alle nun,
Da sah ich sie sich selbst im Kreise jagen.
- Wie nackende gesalbte Kämpfer tun,
Die Griff und Vorteil zu erforschen pflegen,
Indessen noch die Püff’ und Stöße ruh’n;
- So sah ich sie im Kreise sich bewegen,
Mir immerdar das Antlitz zugewandt,
Und Hals und Fuß an Richtung sich entgegen.
- Und einer sprach: "Wenn dieser lockre Sand
Und unsre Not uns nicht verächtlich machte.
Und unsre Haut, so rußig und verbrannt,
- Dann unser Flehn, ob unsers Rufs, beachte;
Sprich, wer bist du? Wie lebend hier erscheinst?
Und was dich sicher her zur Hölle brachte?
- Der, welchem du mich folgen siehst, war einst,
Muß er auch nackt hier und geschunden rennen.
Von höherm Range wohl, als du vermeinst.
- Wer hörte nicht Gualdradas Enkel nennen,
Den Guidoguerra, dessen Schwert und Geist
Wohl Puglia und Florenz als tüchtig kennen?
- Der hinter mir den lockern Sand durchkreist,
Tegghiajo ist’s, des Rat man noch auf Erden,
Obwohl man ihm nicht folgt’, als heilsam preist.
- Ich, ihr Genoss’ in schrecklichen Beschwerden,
Bin Jakob Rusticucci, und mich ließ
Mein böses, wildes Weib so elend werden." –
- Wenn irgend was vor’m Feuer Schutz verhieß.
So stürzt’ ich gern mich unter sie hernieder,
Auch litt, so glaub’ ich, wohl mein Meister dies.
- Allein verbrannt hätt’ ich auch meine Glieder,
Drum unterdrückte Furcht in mir die Lust,
Die Jammervollen zu umarmen, wieder.
- "Nicht der Verachtung bin ich mir bewußt,"
Begann ich, "nur des Leids für euch Geplagte,
Und schwer verwinden wird es meine Brust.
- Ich fühlt’ es, als mein Herr mir Worte sagte,
Durch welche mir es deutlich ward und klar,
Daß, wer hier komme, hoch auf Erden ragte.
- Ich bin aus eurer Stadt, und nimmerdar
Wird eures Tuns ruhmvoll Gedächtnis schwinden,
Das immer mir auch lieb und teuer war.
- Ich ließ’ die Gall, um süße Frucht zu finden,
Die mein wahrhafter Führer prophezeit,
Doch muß ich erst zum Mittelpunkt mich winden."
- "Soll lang’ noch deine Seele das Geleit
Der Glieder sein," so sprach nun er dagegen,
"Soll leuchten noch dein Ruf nach deiner Zeit,
- So sage mir, bewohnen, wie sie pflegen,
Wohl unsre Stadt noch Kraft und Edelmut?
Sind sie verbannt und völlig unterlegen?
- Denn Borsiere, welcher diese Glut
Seit kurzem teilt, und dort mit andern schreitet,
Erzählt’ uns manches, was uns wehe tut! –"
- "Neu Volk und schleuniger Gewinn verleitet
Zu Unmaß dich und Stolz, der dich betört,
Florenz, und dir viel Leiden schon bereitet!"
- Ich rief’s, das Aug’ emporgewandt, verstört.
Starr sah’n die drei sich an bei meinen Reden,
Wie man sich anstarrt, wenn man Wahrheit hört.
- "Wir wünschen Glück, wenn du so wohlfeil jeden
Abfert’gen kannst," war aller Gegenwort,
"Und dir’s bekommt, nach Herzenslust zu reden.
- Entkommst du einst aus diesem dunkeln Ort
Und siehst den Sternenglanz, den schönen, süßen,
Und sagst dann froh und heiter: Ich war dort,
- Vergiß dann nicht, die Welt von uns zu grüßen!" -
Hier aber brachen sie den Kreis und floh’n
Voll Eil’ und wie mit Flügeln an den Füßen.
- Eh’ man ein Amen ausspricht, waren schon
Sie alle drei aus meinem Blick verschwunden.
Drum ging sogleich mein Meister auch davon.
- Ich folgt’ ihm nach, um Weitres zu erkunden,
Worauf uns bald des Stroms Gebraus erklang,
So nah, daß wir uns sprechend kaum verstunden.
- Gleich jenem Flusse mit dem eignen Gang,
Des Fluten ostwärts vom Berg Veso toben.
Vom Apennin an seinem linken Hang;
- Das stille Wasser heißt er erst dort oben,
Dann senkt er sich und wird bei Forli bald
Des ersten Namens wiederum enthoben –
- Des Sturz dort ob Sankt Benedikt erschallt.
Wo seine Wellen in den Abhang brausen,
Der groß für Tausend ist zum Aufenthalt:
- So brach von einem Felsenhang voll Grausen
Der rotgefärbte Fluß sich brüllend Bahn,
Und kaum ertrug das Ohr sein wildes Sausen.
- Mit einem Stricke war ich umgetan,
Und manches Mal mit diesem Gurte dachte
Ich das gefleckte Panthertier zu seh’n.
- Nachdem ich los von mir den Gürtel machte,
Wie ich vom Führer mir geboten fand,
Macht’ ich ein Knäuel draus, das ich ihm brachte.
- Er aber kehrte dann sich rechter Hand
Und schleuderte zum tiefen Felsenschlunde
Das Knäul hinunter ziemlich weit vom Rand.
- "Entsprechend", dacht’ ich, "muß die neue Kunde
Dem neuen Wink und diesem Blicke sein,
Womit mein Meister schaut zum tiefen Grunde."
- Stets präge doch der Mensch sich Vorsicht ein
Mit solchen, die des Herzens Sinn erspähen,
Und nicht sich halten an die Tat allein.
- Er sprach: "Bald werden wir auftauchen sehen,
Was ich erwart’; und das, was du gedacht,
Wird deutlich bald vor deinen Blicken stehen."
- Bei Wahrheit, die der Lüge gleicht, habt acht,
Soviel ihr könnt, euch nimmer auszusprechen,
Sonst werdet ihr ohn’ eure Schuld verlacht.
- Doch kann ich mich zu reden nicht entbrechen
Und schwör’, o Leser, dir, bei dem Gedicht,
Dem nimmer möge Huld und Gunst gebrechen:
- Ich sah durch jene Lüfte schwarz und dicht
Ein Bild, nach oben schwimmend, sich erheben,
Dem Kühnsten wohl ein wunderbar Gesicht –
- Wie jemand kehrt, der sich hinabbegeben.
Den Anker, der im Felsenrisse steckt,
Zu lösen, wenn er sich beim Aufwärtsstreben
- Von unten einzieht und nach oben streckt.
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