- In Sang, nach liebentglühter Frauen Art,
ließ sie zuletzt der Rede Schluß verhallen:
"Heil, wem bedeckt jedwede Sünde ward."
- Und gleichwie Nymphen, in der Waldnacht Hallen,
Hier vor der Sonne Strahlen fliehend, dort
Aufsuchend ihren Schimmer, einsam wallen;
- Ging sie dem Strom entgegen hin am Bord,
Ich, folgend kleinem Schritt mit kleinem Schritte,
Ging sie begleitend gegenüber fort.
- Kaum hundert waren mein’ und ihrer Tritte,
Da bog mit beiden Ufern sich der Bach,
Und ostwärts ging ich durch des Waldes Mitte.
- Nicht lange zog ich dieser Richtung nach,
Da sah ich sich zu mir die Schöne wenden:
"Mein Bruder, halt’ itzt Ohr und Auge wach!"
- Sie sprach’s, und gleich durchlief von allen Enden
Ein schnell entstandner Glanz den großen Hain;
Ich glaubt’, es möge mich ein Blitzstrahl blenden,
- Doch weil, wie kommt, so geht des Blitzes Schein
Und dieser Glanz sich dauernd nur vermehrte,
So dacht’ ich still bei mir: Was mag das sein?
- Und durch die Luft, die helle, lichtverklärte,
Zog süßer Laut, und eifrig schalt ich jetzt.
Daß Evas Frevelmut zu viel begehrte.
- Wo Erd’ und Himmel nicht sich widersetzt,
Da fühlt’ ein Weib sich, kaum der Ripp’ entsprossen,
Vom Schleier, der ihr Aug’ umzog, verletzt.
- O hätte sie sich fromm in ihm verschIossen,
Hätt’ ich die überschwänglich große Lust,
Wohl früher schon und länger dann genossen.
- Nachdem ich zweifelnd, meiner kaum bewußt,
In diesen Erstlingswonnen fortgegangen,
Mit Drang nach größern Freuden in der Brust,
- Da glüht’, als war’ ein Feuer aufgegangen,
Die Luft im Laubgewölb’ – es scholl ein Ton,
Und deutlich hört’ ich bald, daß Stimmen sangen.
- Hochheil’ge Jungfrau’n, wenn ich öfter schon
Frost, Hunger, Wachen treu für euch ertragen,
Jetzt treibt der Anlaß mich, jetzt fordr’ ich Lohn.
- Laßt auf mich her des Pindus Wellen schlagen,
Urania sei meine Helferin,
Was schwer zu denken ist, im Lied zu sagen.
- Ich glaubte sieben Bäume weiterhin
Von Gold zu schau’n, allein vom Schein betrogen
War durch den weiten Zwischenraum mein Sinn.
- Denn als ich nun so nahe hingezogen,
Daß sich vom Umriß, der den Sinn betört,
Gestalt und Art durch Ferne nicht entzogen,
- Da ließ die Kraft, die den Verstand belehrt,
Anstatt der Bäume Leuchter mich erkennen,
Und deutlich ward Hosiannasang gehört.
- Und oben sah ich das Geräte brennen,
Und heller ward die Flamm’ als Lunas Licht
In Monats Mitt’ um Mitternacht zu nennen.
- Zum Führer wandt’ ich staunend mein Gesicht,
Doch nichts vermocht’ er weiter vorzubringen,
Als was ein tief erstauntes Antlitz spricht.
- Da blickt’ ich wieder nach den hohen Dingen,
Die langsamer als eine junge Braut,
Sich stillbewegend, mir entgegengingen.
- "Was bist du doch", so schalt die Schöne laut,
"Für die lebend’gen Lichter so entglommen,
Daß nicht auf das, was folgt, dein Auge schaut?"
- Und hinter ihnen sah ich Leute kommen,
Wie man dem Führer folgt, weiß ihr Gewand,
Weiß, wie man nichts auf Erden wahrgenommen.
- Das Wasser glänzte mir zur linken Hand,
Worin, wenn ich in seinen Spiegel sähe,
Ich meine linke Seite wiederfand.
- Als ich am rechten Platze war, so nahe,
Daß nur der Fluß mich schied, hemmt’ ich den Schritt,
Um besser zu erschau’n, was dort geschahe.
- Ich sah, wie jede Flamme vorwärts glitt,
Und hinter jeder blieb ein helles Strahlen,
Das, Pinselstrichen gleich, die Luft durchschnitt.
- So sah man sieben Streifen oben strahlen,
Sie allesamt in jenen Farben bunt,
Die Phöbes Gurt und Phöbus’ Bogen malen.
- Nicht ward ihr Ende meinem Auge kund,
Doch sah ich, daß an beiden äußern Grenzen
Zehn Schritt der erste von dem letzten stund.
- Und wie ich also sah den Himmel glänzen,
Da zogen drunten, zwei an zwei gereiht,
Zweimal zwölf Greise her in Lilienkränzen.
- Und alle sangen: "Sei gebenedeit
In Adams Töchtern! Herrlich und gepriesen
Sei deine Huld und Schön’ in Ewigkeit."
- Und als nun die beblümten frischen Wiesen,
Die jenseits das Gestad des Bachs begrenzt,
Die Auserwählten nach und nach verließen,
- Sah ich, wie Stern um Stern am Himmel glänzt,
Vier Tiere dort zunächst sich offenbaren,
Und jedes ward mit grünem Laub bekränzt
- Und war versehn mit dreien Flügelpaaren,
Mit Augen ihre Federn ganz besetzt,
Wie die des Argus, als er lebte, waren.
- Nicht viel der Reime, Leser, wend’ ich jetzt
Auf ihre Form, denn sparsam muß ich bleiben,
Da größrer Stoff mich noch in Kosten setzt.
- Laß von Ezechiel sie dir beschreiben;
Von Norden sah er sie, so wie er spricht,
Mit Sturm, mit Wolken und mit Feuer treiben.
- Wie ich sie fand, beschreibt sie sein Bericht,
Nur stimmt Johannes in der Zahl der Schwingen
Mir völlig bei und dem Propheten nicht.
- Es stellt’ im Raum sich, den die Tier’ umfingen,
Ein Siegeswagen auf zwei Rädern dar,
Des Seil’ an eines Greifen Hälse hingen.
- Und in die Streifen ging der Flügel Paar,
Die hoch, den mittelsten umschließend, standen,
So, daß kein Streif davon durchschnitten war.
- Sie hoben sich so hoch, daß sie verschwanden;
Gold schien, soweit er Vogel, jedes Glied,
Wie sich im andern Weiß und Rot verbanden.
- Nicht solchen Wagen zum Triumph beschied
Rom dem Augustus, noch den Afrikanen;
Ja, arm erschiene dem, der diesen sieht,
- Sols Wagen, der, entrückt aus seinen Bahnen,
Verbrannt ward auf der Erde frommes Fleh’n
Durch Zeus’ gerechten Ratschluß, wie wir ahnen,
- Man sah im Kreis drei Frau’n sich tanzend dreh’n
Am Rande rechts, und hochrot war die eine,
Gleich lichter Glut der Flammen anzusehn.
- Die zweite glänzte hell in grünem Scheine,
Gleich dem Smaragden, und die dritte schien
Wie frisch gefallner Schnee an Weiß’ und Reine.
- Die Weiße sah man bald den Reigen zieh’n,
Die Rote dann, und nach dem Sang der letzten
Die andern langsam gehn und eilig flieh’n.
- Links vier im Purpurkleid, die sich ergötzten,
Und, wie die eine, mit drei Augen, sang,
Nach ihrer Weis im Tanz die Schritte setzten.
- Nach allen diesen kam den Pfad entlang,
Ungleich in ihrer Tracht, ein paar von Alten,
Doch gleich an Ernst und Würd’ in Mien’ und Gang.
- Der erste war für einen Freund zu halten
Des Hippokrat, den die Natur gemacht,
Um ihrer Kinder liebste zu erhalten.
- Der andre schien aufs Gegenteil bedacht,
Mit einem Schwert, und durch das scharfe, lichte,
Ward ich diesseits des Bachs in Angst gebracht.
- Dann kamen vier daher, demüt’ge, schlichte,
Und hinter ihnen kam ein Greis, allein
Und schlafend, mit scharfsinnigem Gesichte.
- Die sieben schienen gleich an Tracht zu sein
Den ersten zweimal zwölf, doch nicht umblühten
Die Häupter Lilienkränz’ in weißem Schein,
- Rosen vielmehr und andre rote Blüten,
Und wer vom weiten sie erblickte, schwor,
Daß oberhalb der Brau’n sie alle glühten.
- Mir gegenüber fuhr der Wagen vor,
Worauf ein Donnerhall mein Ohr ereilte,
Und sich des Zugs Bewegung schnell verlor,
- Der jetzt zugleich mit seinen Fahnen weilte.
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