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89.

Basel, 17. Febr. 1887.

Auf Ihren werten Brief vom 11. Januar habe ich zuerst gedudlet War ich saumselig im Antworten. und dann kam die Zeit, da ich meine letzte Aulavorlesung rüsten musste und im Hinblick darauf nicht von der besten Laune war. Nun ist dieselbe vorübergegangen Das Thema lautete: Die Allegorie in den bildenden Künsten., und mir graut nun erst wieder vor nächstem Winter, da diese odiöse Verpflichtung wieder eintreten wird, wenn ich noch lebe und auch nur leidlich gesund bin. Die grosse und schwerere Hälfte meines Amtes, die Geschichtsprofessur, hat wohl mit Ende Juli aufgehört, aber der Rest, die Kunstgeschichte, macht mir bei Abnahme meiner Kräfte jetzt noch Mühe, und ich begreife gar nicht mehr, wie ich das volle Doppelamt mit zehn Stunden wöchentlich so lange habe führen können.

Um den Anblick des Familienbildes Buckingham von van Dyck sind Sie recht zu beneiden. Unsereiner muss mit einem Stoss mittelmässiger Photographien und mit verblassten Erinnerungen hantieren, selbst für die bekannten, längst in öffentlichen Galerien aufgestellten Sachen, und von den cose rare aus dem Privatbesitz gewinne ich nie eine Ahnung.

Die Pariser mögen indessen ihren Tour Eiffel bauen, trotz allen Jammerrufes aller Zelebritäten, welcher dieser Tage vom Ministerium ist zurückgewiesen worden. Glauben Sie mir, kein denkender Mensch hier hält die deutschen Kriegssorgen für ein blosses Reichstagswahlmanöver, sondern die preussische Regierung sieht den Krieg wirklich nahe vor sich, weil sie aus Russland Kunden hat, die sie nicht an die grosse Glocke hängen darf. Den überlegenen Verstand Bismarcks sehe ich u. a. daraus, dass er Euren Boulanger mündlich im Reichstag und dann durch seine ganze Presse beharrlich angeklagt hat, denn nun können die Franzosen wegen point d'honneurs nicht anders, als diesen Mann zum Anführer im Kriege zu machen, und zwar nicht bloss als Kriegsminister hinter einem Bureau, sondern sichtbar vor einer Front; in Berlin aber weiss man, dass derselbe eine Mediokrität ist, und eine solche wünscht man. Wenn nicht jede Feinheit in Frankreich, wenigstens in dem wortführenden, erstorben wäre, so müsste man dies mit Händen greifen. Es ist möglich, dass der ganze Krieg einstweilen unterbleibt, wenn Russland im Frühjahr gegen die Türkei zieht und man es sich dort embourbieren lässt, aber fertig wäre man auch damit noch nicht. Sobald es drohend aussieht, werden Sie wohl am besten tun, aus Paris zu scheiden. Es wird zwar uns hier gefährlich gehen, möge siegen wer da wolle, aber man ist doch zu solchen Zeiten am besten daheim.

Mit Mailand ist dieser Tage lebhafter Verkehr gewesen wegen Verdis Otello, und St. hat mir und andern Texte, Parodien, Artikel und einen umständlichen Brief geschickt. Es ist für uns etwas wie eine Wette, ob das unsern Augen und Ohren noch unbekannte Werk lebensfähig sein werde oder nicht. Unter den Artikeln war einer von grösster Schönheit: der Bericht eines provinziell berühmten und ausgesungenen Baritons, welcher vom Standpunkt der früheren Melodienoper aus den Otello kritisierte; man blieb dabei im Zweifel, ob der Verfasser nicht im heimlichen Herzen dem Bariton recht gebe.

Nächsten Montag feiern Hagenbach und August Socin Der Physiker Eduard Hagenbach und der Chirurg Socin, einst zwei Leuchten der Basler Hochschule. ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum. Ich selbst habe mir seinerzeit allen Jubel der Art verbeten, da ich nichts für so lästig halte, als einen ganzen Tag hindurch gegenüber von Deputationen, Bankett und Kommers den boeuf gras vorzustellen, und bleibe auch diesmal völlig zu Hause, was man ja bei mir von jeher gewohnt ist.


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