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78.

Basel, 8. Okt. 1884.

Ich möchte Sie gerne als Eaufortier an der Arbeit sehen; dies Genre muss einen aparten Reiz haben, sonst hätten sich nicht so viele Maler damit auf das Eifrigste eingelassen.

Dass Paris seinen alten Charme für Sie nicht mehr hat, ist ganz in der Ordnung; denken Sie nur, was für ein alter Pariser Sie schon sind. Und dann hat Frankreich doch seit 1870 absolut an Täuschungsfähigkeit unendlich verloren und Paris mit. Rechnen Sie nur nach, was für Organe der Wirkung auf Europa verlorengegangen sind. Alle berühmten Autoren, mit Ausnahme von V. Hugo, sind tot; von der Grossen Oper erwartet in ganz Europa kein Mensch mehr die Parole. Eine italienische Oper wie die, welche zur Zeit des grossen Pariser Ensembles auch für Italien und die Welt den Sukzess entschied, gibt es nicht mehr – und endlich: während früher Europa beständig gewärtig war, dass eine Pariser Emeute die Gestalt der Welt verändern könne von heut auf morgen, könnte jetzt in Paris geschehen, was da wollte, ohne andere Länder anzustecken. Was Euch bleibt, ist einzig nur noch die Herrschaft der Kleidermode, denn in den Künsten haben die andern Länder das Blaguieren und die Reklame auch gelernt. Alle Eure jetzigen Pariser Maler miteinander haben nicht mehr die Magie ausgeübt wie der eben verstorbene Makart.

Nach diesem geschichtsphilosophischen Speech kehre ich wieder zu Ihren Pariser Berichten zurück. Die Bauveränderungen und Neuaufstellungen in der Galerie des antiques können unmöglich viel taugen. Die Perspektiven mögen gewonnen haben, aber für irgendein Studium der Skulpturen sind ganze grosse Gegenden dieses Erdgeschosses ein für allemal zu finster. Wenn man überhaupt nicht ein neues Museum etwa an der Stelle der Tuilerien baut, so kommt man nie aus dem pétrin heraus.

Also Akademie und Modelle, wenn auch etwas teuer. Ich habe aber in Wien doch oft denken müssen, dass die unbewusste Anmut (selbst bei Weibern, die nicht mehr eigentlich jung und schön waren) reichlich dem Wesen der Pariserin gleichsteht, und die Sprechstimmen, auf welche ich so viel gebe, sind in Wien reicher und schöner. Inzwischen muss ich an einer kleinen Scène d'opéra comique sinnen, in welcher Sie, das Modell und das sanft herumrollende chevalet droit die handelnden Wesen sein würden. – Auch zum Crayon anglais wünsche ich besten Erfolg; ich darf mich rühmen, dass ich in meinem stillen Busen oft nicht begreifen konnte, dass die Maler nicht statt der Kohle ein ebenso weiches, breit angebendes Material erfunden hatten, und nun besitzt man es also.

Heute war ein Herr aus Bern hier, welchem ich im Schweizerhof bei dreissig Bilder taufen musste; glücklicherweise waren darunter eine Anzahl ausgezeichneter Sachen.

Gestern ist das grosse schweizerische Lehrerfest zu Ende gegangen. Ich bin davon auf keine Weise inkommodiert worden; ein Besuch eines Teilnehmers verfehlte mich zweimal, und darüber bin ich ganz vollkommen getröstet.

Wissen Sie, wobei ich Sie u. a. beneide? dafür, das Sie Boulevard Rochechouart und anderswo in den Mappen der Bilderhändler kramen können. Dies kann man absolut nur in Paris, wo ich zumal Quai Malaquais halbe Tage damit zugebracht und öfter ein gutes Stück Geld vertan habe. Für meine Zwecke – Akquisition kunsthistorischer Vorzeigeblätter – ist nur in Paris auf praktische Weise gesorgt, weil sich die Antiquare die Mühe nehmen, ihre Sachen nach Preisen und Gattungen zu sortieren, und weil sie viel wohlfeiler sind als ihre Kollegen in Berlin, Wien und London.

Am 20. d. fangen unsere Kollegien an, und dann kommen bald zwei Extravorlesungen coram publico samt einer dritten am Ende des Winters. Ich habe diesmal für alle drei genau vorgearbeitet und drei Wochen damit verloren. Mit welchem Widerwillen ich im siebenundsechzigsten Jahre in der Aula auftrete, darf ich den Leuten gar nicht sagen.


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