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Basel, Mittwoch, 24. Febr. 1886.
Nach Ihrem werten Schreiben vom 2. ds. war ich zunächst sehr begierig nach den Radierungen, welche nun dieser Tage angelangt sind. Beide zeigen ungemeine Fortschritte; die Breitlandschaft hat alle wünschbare Haltung und vorn und auf dem Weidenbaum rechtes Sonnenlicht, nur der Himmel lässt in den Wolkenzügen noch einiges zu wünschen übrig. In der anderen Landschaft ist die Rêveuse vorzüglich geraten und zeigt, was Sie den Weiblein abzugewinnen wissen; diese hier hat type und man sieht: sie kann nur aus französischer Schule stammen. Das Gewässer im Walde und die Fahrer sind deliziös; der einzige Fehler ist, dass das Schwarz im Vordergrund links zu mächtig geworden ist.
In »Ajustierung und Drapierung« von Weiblein sind Sie gewiss schon passé maître und in Paris ohnehin an der einzig gültigen Stelle, denn in Deutschland fliegt einem das nirgends so an, auch nicht für Idealtrachten. Hamon, Gleyre u. a. haben lauter Weiber gemalt, welche bien mises sind, und das verderbt auch die feierliche antike Szene niemals. Und es wird immer verstanden und goûtiert werden, besonders in denjenigen Zeiten, da man den rohen Sensationsrealismus wieder einmal von Herzen sattbekommen hat.
Was Tizian und das »Zusammenhalten« seiner Szenen durch die Landschaft betrifft, so sollten Sie doch einmal nach London, und wenn Sie auch nur die National-Gallery sähen mit dem Bacchanal und mit der wonnevollen Madonna con S. Caterina; dann womöglich Bridgewater-Gallery mit Diana und Aktäon! Ihre Analyse der Vierge au lapin ist völlig einleuchtend, und ganz schlagend haben Sie in Tizian die Kraft erkannt, seine jedesmalige Vision in voller Macht festzuhalten, bis er fertig war. Daher das Ganze als solches so erstaunlich wirkt, was man auch am einzelnen aussetze. Auch Bilder, in welchen z. B. die Madonna einen nur wenig sympathischen Ausdruck hat, nehmen eben doch vollen Anteil an jener geheimnisvollen Gesamtkraft. Dass man Tizian einfach für einen »Gott« erklärt, wie unser Freund in Mailand, das mag hernach geschehen, nachdem man ergründet hat, was zu ergründen ist.
Ende Dezember habe ich der Behörde mein Begehren eingegeben auf Demission Ende Juli, d. h. mit Schluss des Sommersemesters, und mich dabei bereit erklärt, um die Hälfte der bisherigen Besoldung einstweilen Kunstgeschichte in fünf Stunden wöchentlich weiterzulesen. Gott sei Dank! Denn für die zehnstündige Tätigkeit tauge ich nicht mehr. Ich habe nicht warten wollen, bis man mir es verdeuten würde, es sei Zeit, zu gehen, sondern ich trete ab bei noch (scheinbar vorhandenen) vollen Kräften. Nun freue ich mich auf den nächsten Winter wie ein törichtes Kind.
25. Febr.
Ich hoffte heute noch ein freies Viertelstündchen zum Schwatzen übrig zu haben, allein der Teufel hat seinen Schwanz auf diesen Vormittag gelegt, und ich kann Ihnen nur eben in aller Eile Adieu sagen.