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Basel, 4. Febr. 1883.
Endlich ist es die höchste Zeit, Ihnen für Ihr wertes Schreiben vom 28. Dezember zu danken und Ihnen ein so glückliches neues Jahr zu wünschen, als man einander bei gegenwärtiger Weltlage wünschen kann. Bei Ihnen in Frankreich sieht es von Tag zu Tag lehrreicher aus; kommen musste ja alles, aber dass es vom Tode Gambettas aus so geschwind kommen würde, das haben wir nicht erwartet.
Wahrscheinlich überhören Sie, versenkt in Ihre Kunst, jetzt alles, was nah und fern vorgeht. Ihre freie Phantasie über Ihre beiden Geliebten, Weib und Landschaft, lässt einigermassen erraten, auf was es hinaus will. Meine unmassgebliche Meinung ist, dass Ihnen schon jetzt für das Arrangement und Agencement kleiner Figuren im landschaftlichen oder architektonisch reichen Raum hie und da ein ganz meisterlicher Wurf gelingen kann und dass Sie nicht nötig haben, das Ziel in solcher Sternenweite entfernt zu sehen.
Grössere Figuren in einer Landschaft, so gross, dass sie im Raum mit derselben konkurrieren, finden Sie z. B. in Giorgiones berühmter Pastorale im Louvre; ja hier sind die Figuren schon das Überwiegende. Die Gattung hat aber ihre bedeutenden Schwierigkeiten, und man kommt besser durch, wenn entweder die Landschaft oder die Figuren und dann ganz entschieden vorherrschen. Die Schule der Caracci ist hierin sehr lehrreich, weil sie es mit allen Stufen der gegenseitigen Proportionen beider versucht hat. – Im Lauf der Zeit werden Sie noch die verschiedensten Visionen haben in betreff der Verbindung jener beiden »Geliebten«; da werden Mythen, Edeldamen im Walde, badende Mädchen in einer Seeschlucht u. dgl. aufrücken, wovon ich vielleicht das Wenigste mehr erlebe. Endlich kommt dann der Griff, vermöge dessen Sie das Zeitalter am Nacken nehmen und zur Anerkennung Ihres Genres zwingen. Ich sage »endlich« – es kann aber auch sehr bald kommen.
M. hat neulich nach Nervi reisen und den Leichnam seines dort verstorbenen Schwagers aus Bern mit sich nach Bern führen müssen, weil dessen Mutter es wünschte. Wenn doch um Gottes willen dieser Leichentransport aus vermeintlicher Pietät einmal aus der Mode käme und man die Leute da begrübe, wo sie gestorben sind! – Die Mailänder Theatersaison scheint eher mager zu sein, und ein Impresario dreier Theater hat sich dieser Tage erschossen, wie denn überhaupt das Fallieren, Drausgehen, Durchbrennen mit amtlich anvertrauten Summen ein förmlicher Sport zu werden droht. Es soll mir niemand mehr falsche Tröste vormachen wollen; die Tatsache ist, dass es im bürgerlichen Leben deutlich abwärts geht. Bei der geringsten Erschütterung der öffentlichen Sicherheit wird man inne werden, welches der wirkliche status rerum ist.
Dieser Tage war hier eine vortreffliche Aufführung von Cosi fan tutte und nächstens wird eine Wiederholung stattfinden, unter Umständen sogar zwei. Das ganze musikalische Basel war anwesend, und man hat sich überzeugt, dass selbst dieser unmöglichste aller Texte nicht stört, sobald schön und munter gesungen und gegeigt wird; man empfand das Ganze wie ein deliziöses flüchtiges Parfüm. – Morgen ist Tell, da aber ein Wagnersänger (Schott) in dieser Rolle gastiert und ich keine Wagnersänger mehr leiden kann, gehe ich nicht hin, sondern in die Halle.