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»Macaulay berichtet, daß nach der Schlacht von Roßbach das Bild des »großen Königs« auf viele englische Wirtshausschilder gemalt wurde, und daß man noch zu Macaulays Zeiten in England an den Wänden alter » guter Stuben« für jedes Bild des englischen Königs Georg II. zwanzig Bilder Friedrichs des Großen finden konnte. Die Engländer hatten Grund, Friedrich II. zu rühmen, der sich ihnen so ungemein nützlich gemacht hatte. Es gibt romantische Deutsche, die in Derartigem den Beweis friderizianischer Größe sehen möchten. Bismarck war nachdenklicher; die weite Verbreitung gewisser königlicher Bildnisse veranlaßte ihn zu folgender weltgeschichtlichen Warnung vor den Gefahren die aus der friderizianischen und aus ähnlichen Legenden erwachsen; »den Söhnen und Enkeln zum Verständnis der Vergangenheit und zur Lehre für die Zukunft«, schrieb Bismarck:
»»Friedrich der Große hat sein Blut nicht fortgepflanzt; seine Stelle in unserer Vorgeschichte muß aber auf jeden seiner Nachfolger wirken als eine Aufforderung, ihm ähnlich zu werden …; man kann von den europäischen Völkern im allgemeinen sagen, daß diejenigen Könige als die volkstümlichsten und beliebtesten gelten, welche ihrem Lande die blutigsten Lorbeeren gewonnen, zuweilen auch wieder verscherzt haben. Karl XII. hat seine Schweden eigensinnig dem Niedergange ihrer Machtstellung entgegengeführt, und dennoch findet man sein Bild in den schwedischen Bauernhäusern als Symbol des schwedischen Ruhmes häufiger als das Gustav Adolfs. Friedliebende, civilistische Volksbeglückung wirkt auf die christlichen Nationen Europas in der Regel nicht so werbend, so begeisternd wie die Bereitwilligkeit, Blut und Vermögen der Untertanen auf dem Schlachtfelde siegreich zu verwenden. Ludwig XIV. und Napoleon, deren Kriege die Nation ruinirten und mit wenig Erfolg abschlossen, sind der Stolz der Franzosen geblieben, und die bürgerlichen Verdienste anderer Monarchen und Regierungen treten gegen sie in den Hintergrund. Wenn ich mir die Geschichte der europäischen Völker vergegenwärtige, so finde ich kein Beispiel, daß eine ehrliche und hingebende Pflege des friedlichen Gedeihens der Völker für das Gefühl der letzteren eine stärkere Anziehungskraft gehabt hätte als kriegerischer Ruhm, gewonnene Schlachten und Eroberungen selbst widerstrebender Landstriche.«
»So sprach Bismarck. – Die Franzosen haben übrigens aufgehört, ihren großen Ludwig »groß« zu nennen; vielleicht weil er nicht genug Schlachten gewonnen hat. Ich beglückwünsche die Preußen, daß sie die »Größe« Friedrichs II. als malerischen Beinamen beizubehalten willens sind; der Geschichtsunterricht würde für einfache Gemüter langweilig ohne diese Bildersammlung von »der Dicke«, »der Große«, »der Faule«, »der Schreckliche«. Solange man aber solchen romantischen Beinamen erzieherisch zu wirken gestattet, werden die beglückten Zöglinge nach dem Gesetz der Trägheit: groß, dick, faul oder schrecklich oder all das zusammen werden. Friedrich der Große irrte sich, als er behauptete, nur die Furcht vor den eigenen Offizieren mache seine Soldaten tapfer; es steckt in den meisten Menschen etwas von dem »vorsintflutlichen Tiere«, das der Freiherr vom Stein in den brandenburgischen und pommerschen Adligen entdeckte {Verw. auf Anmerkung}, und etwas von dem Raubtiere, dem Blutvergießen eine Lust ist. Wenn Friedrich der Große den Opfern eines Brandunglückes ein Geldgeschenk machte, antwortete er dem überquellenden Danke der Beschenkten mit seinem einfachen »Ich tue nur meine Pflicht«. Das Schauspiel unendlicher Bescheidenheit, welches die Beglückten in diesen königlichen Worten verehrten, machte den Augenblick der königlichen Nähe zum feierlichsten ihres Lebens. Wenn den Abgebrannten die zehnfache Summe, ja wenn ihnen der gesamte Brandschaden von einem langweiligen Feuerversicherungs-Vertreter, der noch nie einen Menschen totschlug, vergütet worden wäre, hätte ihnen das vielleicht nicht soviel Freude gemacht, als zum Trost für ihren Feuerschaden einen Almosen von einem Könige zu erhalten, der selbst bereits viele große Feuersbrünste angestiftet hatte.
»Stiefkinder des Glücks leiden oft an jenem Durst nach Romantik, der sich, wenn »große« Könige mangeln, an den Taten der »Räuber« oder des Schinderhannes labt. Dieser unpraktische Durst der Kleinen nach romantischer »Größe« läßt aber unter den vielen Abarten volkstümlicher Hanswurste diejenigen als die Volkstümlichsten gelten, die von Friedrich dem Großen »Hanswurste im Furchtbaren« {Verw. auf Anmerkung} genannt wurden. Oder, um Bismarcks Worte zu wiederholen: »Diejenigen Könige gelten als die volkstümlichsten und beliebtesten, welche ihrem Lande die blutigsten Lorbeeren gewonnen, zuweilen auch wieder verscherzt haben«.«