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»Keine der Folgen von Friedrichs II. schöpferischer Unfähigkeit aber hat Goethe härter betroffen, keine hat der Verfasser des ›Literarischen Sanscülottismus‹ schärfer gegeißelt als die Nichterfüllung des friderizianischen Versprechens, eine geistige Hauptstadt zu schaffen, ›Berlin zum Tempel der großen Männer zu machen‹, wie es im blumigen Stil Friedrichs II. verheißen worden war. Wie klar Goethe wußte, was ihm in Weimar fehlte, kann man aus den Schilderungen ersehen, die er von geistigen Weltstädten, von Rom und besonders von Paris gemacht hat, ›wo die vorzüglichsten Köpfe eines großen Reichs auf einem Fleck beisammen sind und in täglichem Verkehr, Kampf und Wetteifer sich gegenseitig belehren und steigern‹ usw., von dem ›Paris des neunzehnten Jahrhunderts, in welchem seit drei Menschenaltern durch Männer wie Molière, Voltaire, Diderot eine solche Fülle von Geist in Kurs gesetzt ist, wie sich auf der ganzen Erde auf einem einzigen Fleck nicht zum zweiten Male findet‹. Man bemerkt hier auch bei Goethe die Überschätzung von Paris und die Unterschätzung Londons, die dem Bewohner des festländischen Europa, nicht aber einem Angelsachsen begreiflich sein kann, nachdem Voltaire und selbst Goethe doch viele ihrer wichtigsten Anregungen auf dem Gebiete der Dichtung, Politik und Philosophie aus London geholt und dann im übrigen Europa ›in Kurs gesetzt‹ haben. Aber für Goethe handelte es sich ja nicht um eine Wahl zwischen Paris oder London; nein, er hätte dankbar mit Wien und später gar mit Berlin vorlieb genommen, wenigstens lassen manche Briefe an Zelter erkennen, daß er sich von der nicht abzumessenden Öde seiner Kleinstadt manchmal sogar in Berlin – das ja nach Friedrichs Tode romantisch auflebte – erholen zu können glaubte, obgleich er es weislich nie auf einen Versuch ankommen ließ.«
Manfred ließ seine Augen auf den scharfen Felsenumrissen des tiefblauen Capri ruhen und fuhr fort: »Ja, es ist begreiflich, wenn Goethe hier in Neapel mit einer eigentümlichen Mischung von Mitleid und Neid, von Neugier und beinahe Ehrfurcht dem Marquis Lucchesini lauschte, der sechs Jahre lang täglicher Tischgenosse Friedrichs des Großen gewesen war.«
Hegemann: »Ob wohl dieser Marquis Lucchesini, den Goethe so bewunderte, wirklich ein Weltmensch im Sinne Goethes gewesen ist?«
Manfred: »Wenn man will und – ein Körnchen Salz zugibt. Zur selben Zeit wie den Marquis Lucchesini bewunderte Goethe auch die Lazaroni Neapels und rühmt ihnen nach: ›Eine ausgezeichnete Fröhlichkeit erblickt man überall mit dem größten teilnehmenden Vergnügen.‹ Könnte man einen der wichtigsten Wesenszüge des Weltmannes besser kennzeichnen? Gerade diese Lazaroni haben für Goethe viel vom Weltmenschen im besten Sinne des Wortes – besonders den guten moralischen Magen – und ich glaube, der bewunderte Marquis Lucchesini hatte auch viel vom Lazarone im schlechtesten Sinne des Wortes. Als Goethe diesen italienischen Marquis so warm lobte, hatte er ihn nur als Gesellschaftsmenschen kennengelernt. Als er ihn während der Kampagne in Frankreich als preußischen Politiker kennenlernte, hat er sich herzlich über ihn geärgert: »Die Anmut und Freundlichkeit, mit der er mich empfing, war wohltätig; nicht so die Beantwortung meiner Fragen und Erfüllung meiner Wünsche; er entließ mich, wie er mich aufgenommen hatte, ohne mich im mindesten zu fördern, und man wird mir zutrauen, daß ich darauf vorbereitet gewesen.« Noch viele Jahre später (1815) macht sich Goethes Unwillen Luft gegen die »trefflichen Lucchesinis und Haugwitze«, die ihn »ebenso höflich und ebenso schlecht traktiert haben«.
»Goethes gewandeltes Urteil stimmt zu der Ablehnung, die dem Politiker Lucchesini seitens des würdigen Lords Malmesbury – der ihn einmal »Italiener und schäbig« und ein andermal »käuflich« nannte – oder des Herzogs Ferdinand von Braunschweig und auch seitens Napoleons zuteil wurde. Lucchesini war 1802-1806 preußischer Gesandter am Hofe Napoleons. Obgleich Lucchesini ebenso franzosenfreundlich war wie Friedrich II., wurde er von Napoleon »Hanswurst« und »Wucherer« genannt; vielleicht sah Napoleon in Friedrichs Schüler einen allzu aufgeklärten Landsmann.«
»Es ist überraschend, daß noch niemand eine Arbeit über Lucchesini geschrieben zu haben scheint. Wer könnte mehr zum Nachdenken anregen als Lucchesini? Friedrich II., Goethe, Napoleon! Gibt es einen anderen Mann, der allen dreien so nahe gekommen wäre wie Lucchesini?
»Wenn Goethe erlebt hätte, was Lucchesini erlebte, dann hätte er sich auch von Napoleon nicht verblüffen lassen. Er wäre »Weltmann« und diese Entwicklung von unsagbarer Bedeutung für deutsches Wesen geworden. Und ich sehe nichts, das Goethe verhindert hätte, sehr viel besser abzuschneiden als Lucchesini, wenn Goethe dieselben Gelegenheiten geboten worden wären wie Lucchesini. Aber kein einsichtiger König und kein gewaltiges volkstümliches Leben (wie etwa das englische Hof- und Verfassungsleben) stellten Goethe in den »Strom der Welt«, wo zum Beispiel Shakespeare, Milton, Moliere, Racine und Voltaire gestanden haben. Lucchesini war sechs Jahre lang Friedrichs täglicher Tischgenosse. Lucchesini war zwei Jahre jünger als Goethe, und er war in sein Amt bei Friedrich II. etwa damals eingetreten, als Lessing starb, welchen Oberst Guichard-Icilius (der durfte sich allerlei erlauben 1) dem König zweimal vergebens als Bibliothekar aufzudrängen versucht hatte. Friedrich II. zog vor, statt Lessings sich einen unbedeutenden französischen Benediktinermönch zu verschreiben, und triumphierte: »Sehen Sie, ich komme auch ohne Deutsche aus!« Was würde es für den Ruhm Friedrichs bedeuten, wenn man heute sagen könnte, daß Lessing sein Bibliothekar, und daß Goethe dessen Nachfolger und Friedrichs letzter Vertrauter gewesen sei! Soll man sich darüber freuen, daß Goethe die Enttäuschung erspart blieb, die ihm sicher zuteil geworden wäre, wenn ihn der Gott der Deutschen, oder der Böse oder eine Laune des großen Friedrich nach Sanssouci berufen hätte anstatt des jüngeren Lucchesini?«
Hegemann: »Warum sicher? Vielleicht im Gegenteil!«
Manfred: »Wie heißt es im »Götz«?: »weil bei näherer Bekanntschaft mit den Herren der Nimbus von Ehrwürdigkeit und Heiligkeit wegschwindet, den uns eine neblichte Ferne um sie herumlügt‹. Und doch! ist es nicht ein berückender Gedanke, sich Goethe als Nachfolger Voltaires und Lessings in Sanssouci vorzustellen?! Was das für die von den Grazien gemiedene Mark hätte bedeuten können! Man hat nicht den Mut gehabt, an Friedrichs II. Denkmal in der Berliner Siegesallee Voltaires Büste aufzustellen, und mangels eines namhaften Preußen muß da jetzt Sebastian Bach die Stirne runzeln, weil er einmal aus Leipzig nach Berlin zu Besuch kam und weil statt seiner Friedrich II. sein Leben lang Graun und Hassen verehrte. 2 – Armes Preußen! Bei dem Denkmal Friedrich Wilhelms II., gleich daneben, ist herzhafter zugegriffen worden: obgleich Kant von Friedrich Wilhelm II., wenn möglich, noch schlechter behandelt wurde als Voltaire von Friedrich II., muß trotzdem Kant das Denkmal des Königs zieren, der viel weniger von ihm gelernt hat als Friedrich II. von Voltaire.
»Welche gewaltige künstlerische Auswirkung wäre denkbar, und welche mephistophelischen Auftritte würden dem zweiten Faust beschert worden sein, wenn Goethe statt Lucchesinis den Lebensabend des »großen« Königs geteilt hätte, vor dessen » Capricen« Europa zitterte! » Capricen des großen Friedrich‹, so mußten noch Schiller und Goethe euphemistisch 1 sprechen; heute ist die Lust am Deutschen schon so weit gediehen, daß selbst ich als Ausländer in einem guten deutschen Worte den lebendigen Atem der großen Sprache genießen kann, die Luther – Gottsched – Goethe trotz Friedrichs II. »Kutscher«-Gestammel gerettet und geschaffen haben. Ausdrucksvoller als die italienisch-französischen caprices erscheint mir: »Bockssprünge des großen Friedrich«. Eine Goethesche Schilderung dieser königlichen »Bockssprünge« hätte auf aristophanischen Höhen dahinschreiten können, denn Goethe hat uns ja erklärt: »das sogenannte Lustspiel ist das eigentliche Trauerspiel«, und »daß Aristophanes sich über die Menschen moquiert, ist ein Ernst, aber nicht lächerlich«. Die Schilderung der »Bockssprünge« des großen Friedrich wäre in Anbetracht der Hunderttausende von blutigen und noch furchtbareren Opfern, die sie gefordert haben, der furchtbarste dionysische Opfergesang, recht eigentlich der größte ›Bocksgesang‹, die τραγῳδία κατ' ἐξοχήν, der Deutschen. Bei der Musik zu Friedrichs Bocksprüngen ist zum Entzücken preußischer Professoren der Gedanke deutscher Weltmacht geschlachtet worden. Als Friedrich II. 1766 (25. III.) sagte: » Si je res;te uni avec la Russie, tout le monde me laissera intact et je conserve la paix«, so war das genau für hundert Jahre und eigentlich für ganz Deutschland gültig. Mit der »deutschen Macht« Österreich wollte Friedrich durchaus nicht einig sein. Vereint mit Rußland? »Preußen war 1815 bis 1850 fast ein russischer Vasallenstaat«, sagt selbst der borussenfrohe Gustav Schmoller, {Verw. auf Anmerkung} der Preußen für Deutschland hält. Satyrspiel? Trauerspiel.
»Denn es ist nicht nur etwas Albernes, nein, es ist etwas Grauenhaftes um den vereinsamten alten Friedrich II.! Er erscheint grauenhaft selbst in der rosigsten Beleuchtung, die nachsichtige Augenzeugen, wie der liebenswürdige Fürst von Ligne oder der anschlußsuchende General Bouillé für den »Sieger der dreizehn Schlachten« versucht haben. Alles, was sie von ihren wenige Tage dauernden Besuchen melden, bestätigt in erstaunlichem Maße die Zuverlässigkeit des Lucchesinischen Tagebuches und des ungünstigen Urteiles über Friedrich II., das sich aus diesem Tagebuche ergibt. – In dem flandrischen Fürsten von Ligne, dessen Vater die Schlacht von Kolin gegen Friedrich entschied und dessen Enkel 1830 die belgische Königskrone ablehnte, sehe ich den letzten Edelmann des heiligen römischen Reiches, die letzte lebendige Verkörperung dieses großen europäischen Gedankens. Er ist ein treuer Diener seiner Kaiserin, der großen Maria Theresia, gewesen, er war ein aufrichtiger Verehrer Kaiser Josephs II. und hat trotzdem Friedrich II. bewundert; er wurde später österreichischer Feldmarschall; er hat Goethe begeistert besungen; er war befreundet mit Voltaire, beliebt am Hofe Maria Antoinettes und wurde zum russischen Feldmarschall ernannt. An seinem Grabe, 1814, hat Goethe ein unvergängliches »Requiem« gesungen, »dem frohesten Manne des Jahrhunderts, dem Fürsten von Ligne«; in diesem Klagelied der Geister schildert der »Genius« den Verstorbenen:
In seinem Wesen ist ein ander Wesen,
Ihn hab' ich mir zum Beispiel auserlesen.
Unglück, das sinket, Glück, es steigt;
In beiden sei er froh und leicht!
Verse, die vollkommen wären, wenn sie nicht dem hochdeutschen Ohre die süddeutsche Gebundenheit der Goetheschen Mundart verrieten. – Der frohe Fürst von Ligne (»Holder Knabe, froh gesinnet, alles sei dein Eigentum«, singt Goethes »Genius« von ihm) hat auch für Lucchesini ein gutes Wort gefunden: »Herr von Lucchesini brachte ohne die geringste Schmeichelei die Unterhaltung des Königs zur Geltung, weil er zuhörte und verstand, weil er vorzüglich gebildet ist und weil seine bonnêteté und sein Geist dem König und jedermann gleichermaßen gefielen«. De Ligne berichtet auch ein bezeichnendes Wort Friedrichs II. über Lucchesini: »Oberst Pinto empfahl einmal dem König, den Marquis von Lucchesini als auswärtigen Gesandten zu verwenden, weil Lucchesini ein Mann von Geist sei. Gerade deswegen, antwortete der König, will ich Lucchesini behalten; ich sende lieber einen Dummkopf, wie Sie zum Beispiel, oder den Grafen Goertz. Und der König ernannte diesen unverzüglich zum Gesandten nach St. Petersburg«. Die Namen: Goertz und St. Petersburg sind allerdings im Berichte des Fürsten von Ligne durch Sterne ersetzt; aber es wäre lustig, wenn ich richtig vermutet,und es wäre noch lustiger für Goethe gewesen, wenn ihm Lucchesini diese Begründung für die Wahl des Weimarer Goertz-Antonio zum preußischen Gesandten erzählt hätte, von dem Malmesbury berichtet, daß er gelegentlich scharfe Zurechtweisungen von Friedrich II. erhalten hat. Denn Friedrich sah in seinen Gesandten hauptsächlich »Briefträger«.
»Als de Ligne den bewunderten großen König im Gespräche mit bengalischen Schmeicheleien beleuchtete, zeigte Friedrich Selbsterkenntnis und seine oft gerühmte Bescheidenheit, die General Bouillé »etwas gemacht« nannte; Friedrich II. sagte zu de Ligne: »Vous me voyez trop en beau; demandez à ces Messieurs et mes humeurs et mes caprices; ils vous en diront des belles sur mon compte.« – »Ces Messieurs«, das sind Pinto und der Bruder des Grafen von Goertz und Lucchesini; der König, ohne das Tagebuch Lucchesinis zu kennen, hat richtig vermutet, daß es »schöne Geschichten« von seinen caprices erzählen würde. Der Fürst von Ligne war ein geistvoller, weil überzeugter Schmeichler; aber er war nicht blind. Aus seinem Bericht über ein früheres Gespräch mit Friedrich II. (1770) geht hervor, daß er den guten Willen des Königs wegen einer de Ligneschen Grafschaft, die in preußischem Machtbereich lag, brauchte und fand; aber sein Lob ist deshalb nicht befangen. Sein Bericht wurde gleich nach dem Tode Friedrichs geschrieben, unter dem Zeichen: de mortuis nihil nisi bene und von einem deutschen Edelmanne, der Österreich und Preußen einig wissen wollte. De Ligne schrieb mit der Gewandtheit eines Staatsmannes, der auch scharfe Dinge in liebenswürdige Formen zu kleiden weiß, und das Ergebnis ist so, daß sich preußische Geschichtschreiber mit Freuden darauf berufen, während verständige Menschen die Wahrheit darin lesen können. De Ligne entschuldigt höflich die Religionsspötterei des großen Friedrich: »Er hatte sie sich angewöhnt im Verkehr mit den Leuten von schlechtem Geschmack, die ihn umgaben, wie Jordan, d'Argens, Maupertuis, La Baumelle, La Mettrie, Abbé de Prades oder einige von den langweiligen Skeptikern seiner Akademie; so sprach er über Dogma, Spinozismus, den römischen Hof und ähnliche Dinge. Ich gab schließlich auf, ihm zu antworten.« Thiebault, der zwanzig Jahre lang Professor an Friedrichs »Ritterakademie« war und dessen Erinnerungen den preußischen Professoren ein Dorn im Auge sind, hat ähnlich geschwiegen, als der König ihn mit endlosen theologischen Geschmacklosigkeiten notzüchtigte. Thiebault berichtet (Seite 35 der deutschen Ausgabe, die sich der preußische Kronprinz widmen ließ): »Als ich durchaus nichts darauf erwiderte, hielt der König plötzlich inne, faßte mich bei einem Rockknopf und sprach, mich scharf ansehend, indem er sich stellte, als deute er mein Schweigen als Mißbilligung: ›Ich hoffe doch, mein Herr, daß Sie mir erlauben werden, in meinem Zimmer zu denken und zu reden, was ich will!‹ – ›Ew. Majestät haben sogar das Recht, dies bei anderen zu tun‹, entgegnete ich. Er schwieg, blickte mich an und begann ein anderes Gespräch.« So Thiebault; fast wie der alte Ziethen! {Verw. auf Anmerkung}
»Der weltgewandte Fürst von Ligne verstand es, in besserer Form den losgelassen plappernden König zum Wechsel des Gesprächsgegenstandes zu zwingen; v. Ligne berichtet weiter: »Als er einmal sein Taschentuch benutzen mußte, gab es eine kleine Pause, in der es mir gelang, über meine Geschäfte zu sprechen«. Ligne erwähnt weiter, wie der Versuch des jungen Kaisers Joseph, mit dem bewunderten großen König Freundschaft anzuknüpfen, zu »Verbindlichkeiten und Erklärungen guter Absichten führte, daß alles mit größter Höflichkeit verhandelt wurde und daß nach Höflichkeit über Höflichkeit der König einen Einfall in Böhmen machte …; Das Ergebnis war, wie man weiß: beiderseits große Opfer an Menschen, Pferden und Geld, wenig Ehre im Felde der Kriegs- oder Staatskunst und viel Verbitterung«. Ja, der König hatte sich 1778-79 wieder einmal in Böhmen ausgetobt. Er hatte seinen Soldaten den Befehl gegeben: »wenn sie da weggingen, so müßte auch nicht ein Halm von Fourage dorten in der Gegend übrig bleiben« (Preuß, Urk. IV, 224). Friedrich II. hatte nicht nur in fünf Wochen durch Fahnenflucht und Krankheit 7000 Mann seiner sich beispiellos schlecht aufführenden Soldateska verloren, sondern – so berichtet der berühmte Scharnhorst {Verw. auf Anmerkung} – »beinahe die Hälfte der Pferde« seiner Artillerie. Aber der König hatte während dieses Krieges seine Eloge de Voltaire verfaßt und war höchlichst mit sich zufrieden. Wenigstens sagte er in dem Gespräch mit Fromme, das aus dem Nachlasse des schwindelnden »Vater Gleim « 1811 veröffentlicht wurde und von preußischen Professoren gern zitiert wird, über seinen Kartoffelkrieg: »Wir haben nicht gegen Menschen, sondern gegen Kanonen gefochten. Ich hätte können was ausrichten; allein ich hätte mehr als die Hälfte meiner Armee aufgeopfert und unschuldig Menschenblut vergossen. Aber dann wär' ich wert gewesen, daß man mich vor die Fähndel-Wache gelegt und mir einen öffentlichen Produkt gegeben hätte!« Ähnlich menschenfreundlich, wenn die Trauben zu sauer wurden, hatte sich Friedrich schon während seiner siebenjährigen Verwüstungen gezeigt, als er Voltaire um Friedensverhandlungen bat und ihm plötzlich poetisch versicherte: »Ich will künftig meine schwachen Verdienste der Sorge um Witwen und Waisen widmen.« De Catt erzählt (Ausgabe von Reinhold Koser, Seite 301), Voltaire habe seinen Gästen diese lammfrommen Verse des großen Kriegshelden vorgelesen und hinzugefügt: »Pouf, pouf, er macht so viele Witwen und Waisen, als er kann; nette Fürsorge!« Voltaire war den Reineke-Fuchs-Späßen des Königs durchaus gewachsen. Schon im Juli 1742 hat Voltaire den dankbar dafür quittierenden Friedrich nicht mit Seigneur, sondern mit Saigneur de toutes les nations, als den großen Blutsauger, angeredet.
»Der liebenswürdige Fürst von Ligne war weniger scharf. Er »brannte vor Bewunderung« für den »Sieger in dreizehn Schlachten«, und dieser Sieger, so berichtet Lucchesini, »übertraf sich selbst« im Gespräch mit dem gewandten Bewunderer. De Ligne schreibt: »Gewohnt mit Herrn Lucchesini zu plaudern, nur vor vier oder fünf Generalen, die nicht recht französisch sprechen konnten« …; »hat mich der König fünf Stunden lang jeden Tag durch seine enzyklopädische Unterhaltung vollends bezaubert. Schöne Künste, Krieg, Heilkunst, Literatur, Religion, Philosophie, Moral, Geschichte und Gesetzgebung ließ er, eine nach der anderen, vorüberpassieren; die schönen Jahrhunderte des Augustus und Ludwigs XIV., die gute Gesellschaft der Römer, Griechen und Franzosen …;« usw. Ähnlich berichtete im folgenden Jahre (1784) der französische General Bouillé: »Der König gab seine Meinung ab über beinahe alles, z.B. die Heilkunst, und was er sagte, war immer vorzüglich. Er hält die französische Literatur für besser als die der Alten. Er urteilt ungünstig über die englische Literatur, spricht von der Lächerlichkeit Shakespeares und macht scharfe Witze über die deutschen Schriftsteller, sie hätten kein Genie und ihre Sprache sei barbarisch …;« und anderes, was geeignet ist, einen französischen General anzuregen und aufzuklären. De Ligne meinte: »Der König ist etwas geschwätzig, aber erhaben – un peu babillard, mais sublime.« De Ligne hörte ihn nur dreimal fünf Stunden lang; Lucchesini mußte jahrelang täglich zweimal dabei sein.«
Hegemann: »Goethe bewunderte Lucchesinis gesunden moralischen Magen, und Sie bedauerten, daß Goethe nicht an Lucchesinis Stelle nach Sanssouci berufen worden sei. Ich sehe gar nicht, wie ein derartiger Aufenthalt bei dem einsamen alten König mehr zur Stärkung des moralischen Magens beizutragen vermocht hätte als das Leben der »Lustigen von Weimar«.«
Manfred: »Gewiß, es war grauenhaft! Friedrich gichtbrüchig, sich oft überessend, {Verw. auf Anmerkung} »erhaben geschwätzig« und besessen von der Leidenschaft, sich despotisch in alle Angelegenheiten eines Volkes zu mischen, mit dem er kaum irgendwelche geistige Verbindung hatte. Sein: »Ich bin müde, über Sklaven zu herrschen« klingt wie der Ausspruch des weißen Gouverneurs eines Negerstaates, dessen verachtete Sprache zu beherrschen er nie der Mühe wert hielt.«
Hegemann: »Wie Sie übertreiben!«
Manfred lachte etwas verlegen: »Verzeihen Sie! ich drücke mich nur nicht richtig aus. Friedrich zum Ruhme dachte ich an Goethes Bemerkung über Cortez' Eroberung von Mexiko: »Ähnliches Verhältnis seiner zu den Wilden wie Napoleons zu uns; ein Minimum ist's, was bei gleichen Schalen den Ausschlag gibt«, sagte 1809 Goethe zu Riemer. Aber Sie haben wohl recht: Friedrich II. stand wahrscheinlich seinen »Sklaven« näher. Er war ihnen zum mumienhaften Kobold geworden, der unablässig auf französisch zu plaudern liebte und der für deutsche Ohren recht oft höchst vernehmlich polterte – »das königliche Gespenst ist wieder erschienen«, sagte Prinz August von Gotha, als Friedrichs »De la littérature allemande« veröffentlicht wurde. Solche Galvanisierungen ereigneten sich namentlich, wenn ausländische Gäste, Gäste aus der Berlin – ach! – so fernen großen Welt, ihre Aufwartung machten und das königliche Gemüt von den Windhunden abzulenken verstanden. Dann verschwand der alte »böse Mann« (wie ihn Maria Theresia nannte), der seine verdienten höchsten Beamten im deutschen Stil seines Vaters mit »Halt er das Maul« anfuhr oder mit »einem Sprung nach Spandau« bedrohte, und der seine geliebten Flöten den Kammerdienern auf dem Kopfe zerschlug. Dann erschien der bei Voltaire erzogene, alte französelnde Edelmann, der (sagt de Ligne) »eine Art hatte, die Hände zu falten und mon Dieu zu sagen, die ihn durchaus wie einen guten Mann und äußerst milde aussehen ließ«; der eine Anspielung auf seine »dreizehn gewonnenen Schlachten« bescheiden überhörte, und der nur gierig den Lebenshauch einsog, der mit diesen Fremdlingen in die Potsdamer Gruft hereinwehte; hereinwehte aus jener großen Welt, die ihm, dem sehnsüchtigst danach Verlangenden, verschlossen geblieben war; ihm, dessen »schönster Traum, König von Frankreich zu sein«, oder wenigstens König und Führer einer französisch gebildeten Nation zu sein, unerfüllt geblieben war. Ja, er dürstete nach jedem Hauche aus jener großen Welt, in der Voltaire gelebt hatte, der (wie Friedrich versichert) »den Abschluß des schönen Jahrhunderts Ludwigs XIV. darstellt«, jener Welt, deren Bürger sich am Freimaurerzeichen eines zuversichtlich gesprochenen Französisch erkannten, jener Welt, in der noch das Gedächtnis der verwegenen Unterhaltungen und Sitten der Regentschaft lebte, der Welt, deren Geheimnisse Friedrich aus den gepfefferten Briefen der Liselotte kennen gelernt und mit der er selbst durch seine persönlichen Beziehungen zu Voltaire und Prinz Eugen noch verbunden war, der großen Welt – …; aus der Lucchesini einen Hauch auch nach Neapel zum Flüchtling aus Weimar, zum Schüler der Entsagung lehrenden Frau von Stein gebracht hat.«
Manfred Ellis blieb eine Weile nachdenklich; dann lachte er und sagte: »Vielleicht sollte einmal neben der »kritisch festgestellten Auswahl« eine ungekürzte deutsche Ausgabe der Tagebücher Lucchesinis veranstaltet werden. Aber auch die »Auswahl« bietet fast zuviel des Guten.«
Und Ellis nahm noch einmal Lucchesinis Aufzeichnungen zur Hand. Dann sagte er:
»Hier berichtet der treue Lucchesini wieder von einem der Gebiete, die als Sondergebiete des Königs gelten könnten; am 19. April 1781 heißt es: »Gespräche über Befestigungswesen, worin der König nach Aussage der Sachverständigen sich irrt.« So sieht man den Grafen Pinto, der als Sachverständiger des Befestigungswesens galt, zusammen mit den preußischen Generalen der Tafelrunde hinter dem Rücken des Königs die Achseln zucken und hört »über den großen Menschen seine eigenen Lumpenhunde raisonnieren«. Gelegentlich scheint sich Lucchesini auch ein wenig geärgert zu haben; zum Beispiel, wenn Friedrich II. ihn, den Italiener, über italienische Dinge belehren wollte: »5. Dezember 1780. Von den italienischen Dörfern und noch mehr von dem Glücke der freien Stellung der italienischen Bauern hat der König recht unvollkommene Vorstellungen. Ich hatte einen kleinen Streit mit ihm.« Lucchesini legt Wert darauf, festzustellen, daß solche Streitigkeiten nicht zu seinen Unehren ausliefen; auch wenn ein verletzender Witz des Königs gefallen war: »Abends war der König verbindlich, einschmeichelnd, leutselig. Er sprach über die Unmöglichkeit, die augenblicklichen Einfälle zu unterdrücken.««
Hegemann: »Zeigt das nicht die überlegene Güte des alten Königs im besten Lichte? Ich kann mich immer noch nicht überzeugen, daß Lucchesini nicht ein verständnisloser junger Geck und der königlichen Tischgemeinschaft unwürdig war. In allem, was Sie bisher vorlasen, zeigt Lucchesini mehr Bereitschaft zu schnellem Aburteilen als Fähigkeit, des Königs »getreues Echo« zu sein, was der Herausgeber ihm doch nachrühmen möchte.«
Manfred: »Mir scheint, es war eher der siebenzigjährige König, der eigentümlich schnell zu urteilen bereit war. Lassen Sie mich Ihnen einige Proben von »getreuem Echo« vorlesen. Der König entwickelte seine Auffassung der Geschichte, Religion, er sprach über Voltaire, über Kronprinzenerziehung, über deutsche Literatur, über Feldherrnkunst und vieles andere; alles ist gleich überraschend. Und das von Lucchesini Mitgeteilte gewinnt noch besonders, wenn man es zusammenhält mit den ausführlicheren Aufzeichnungen, die gleichzeitig der König selbst in seinen für die Öffentlichkeit bestimmten Schriften oder in seinen bis auf den heutigen Tag geheimgehaltenen Testamenten gemacht hat, die nur selten von glücklichen Auserwählten gesehen worden sind, als deren Unwürdigster ich mich selbst zu rühmen die Ehre habe. {Verw. auf Anmerkung}
»Aus diesen verschiedenen Quellen läßt sich ein lebendiges Ganzes zusammenstellen, die Lösung der friderizianischen Frage aus dem Munde des Königs und ein Überblick über deutsche Geschicke von alter Zeit bis auf den heutigen Tag. Hören Sie Lucchesini als Echo Friedrichs über deutsche Vergangenheit: »28. April 1782. Vorzeiten herrschte in Deutschland unter den reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen folgender Brauch. Wenn sie sich bei Tafel versammelt hatten vor den rheinweingefüllten Bechern, pflegten sie Brüderschaftsverträge einzugehen, kraft deren sie sich gegenseitig zu Erben ihrer Staaten machten.« Derartige heilige Verträge führten manchmal allerdings zu blutigen, aber gerechten Kriegen. Lucchesini gibt ausführlich Friedrichs II. Schilderung wieder: »3. April 1782. Abends hörte ich, daß der in Wien residierende englische Minister beim Einmarsche des Königs in Schlesien, im Jahre 1740, die Behauptung aussprach, der König verdiene politisch exkommuniziert zu werden. Nachher begab sich derselbe Mann im Auftrage seiner Regierung an den Hof des Königs und wollte ihn überreden, von dem begonnenen Unternehmen abzustehen, und zwar tat er das mit einer Rede in der Art, wie sie im englischen Parlament gehalten zu werden pflegen. Um sich einen Spaß zu machen, bediente sich der König in der Antwort, die er ihm gab, derselben Vortragsform und schloß nach Anführung vieler Gründe seine Rede mit folgendem Schwulst: Er habe die Anrechte auf den Besitz eines Teiles von Schlesien als Erbteil von den Ahnen erhalten; noch auf dem Sterbebette habe ihm sein Vater empfohlen, sie geltend zu machen, wenn sich ihm eine günstige Gelegenheit böte; wenn er also auf dieses Unternehmen verzichtete, so würde er den Großen Kurfürsten und seinen eigenen Vater aus dem Grabe aufsteigen zu sehen glauben, um ihm so niedrige Gesinnung vorzuwerfen, ihn anzuklagen, daß er des Namens und der Krone, die er trage, unwert sei, und ihm zu gebieten, das Unternehmen mit Nachdruck und Standhaftigkeit weiterzuführen, auf daß er ihnen nicht noch im Grabe die Schamröte in das Antlitz treibe über einen so entarteten Nachfolger in dem Reiche, welches sie mit ihrer Tugend geschmückt, mit ihrer Tapferkeit verteidigt und gemehrt hätten.«
»Trotz dieses Scherzes hielt Friedrich II. es nicht für nötig, in seinen Geschichtswerken seinem Vater oder dem Kurfürsten, den man in Preußen »groß« nennt (vielleicht, weil er den Franzosen zu Straßburg verhalf?), einen Anspruch auf Schlesien anzudichten, den sie je erhoben hätten. Aber in seinen Werken ( Oeuvres 4, 25) sagt der böse Friedrich mit dreister Deutlichkeit, wie derartige blutige Ansprüche gefingert werden: »Wenn Alleinherrscher Streit suchen, kümmern sie sich nicht um Verträge; sie tun, was sie wollen, führen Krieg und überlassen irgendeinem arbeitsamen Rechtsgelehrten die Sorge, sie zu rechtfertigen.«
»Nachdem Friedrich II. seine alten Erbrechte, die er selbst verhöhnte, durch zwei Bruderkriege und das Bündnis mit dem sogenannten Erbfeind gerettet hatte, bedurfte er politischer Klugheit, um sie nicht aufs neue zu verlieren.
»Lucchesini ließ sich von Friedrich II. folgende Vorgeschichte des Siebenjährigen Krieges erzählen: »Im Jahre 1756 kam der Herzog von Nivernois als außerordentlicher Gesandter nach Berlin. Seine Absicht war, mit dem König ein neues Bündnis für Frankreich zu schließen. Er bot ihm die Insel Tabago an, wollte aber, daß der König einen Brief an die Pompadour schriebe. Der König wollte nicht. «Der König wollte bekanntlich erst später; vorläufig zeigte er noch seine staatsmännische Klugheit, indem er als Dichter von Spottversen auf Frau von Pompadour mit dem Pariser Straßenpöbel wetteiferte, der sich damals von der Jesuitenpartei gegen den eben noch vergötterten »vielgeliebten« Ludwig XV. aufhetzen ließ. Nach seiner Niederlage bei Kolin hoffte Friedrich dann Frau von Pompadour zu bestechen; aber sie »wollte nicht«.
»Lucchesini fährt fort, als Echo Friedrichs in der Schilderung der Vorgeschichte zum Siebenjährigen Krieg: »Der König wollte nicht. Er schloß mit England ein Bündnis, da er glaubte, daß Rußland dann auf seiner Seite sein würde. Er täuschte sich aber.« Friedrich fand, daß der Staatskunst der Engländer und Russen weniger leicht beizukommen sei als der Goethes. {Verw. auf Anmerkung} Lucchesini fährt fort: »In Petersburg hatte er keinen Gesandten, weil die Österreicher es dahin gebracht hatten, daß der russische Minister einige Zeit vorher unter erfundenen Vorwänden von Berlin abberufen wurde. Dieser Minister (Groß) war ein Bruder des Erlanger Zeitungsschreibers, der im ersten Schlesischen Kriege auf Befehl des Königs durchgeprügelt worden war.««
Hegemann: »Wie soll denn der preußische König damals nach Erlangen gekommen sein?«
Manfred: »Ich weiß noch nichts Näheres darüber, wie Friedrich der Große die preußische Preßfreiheit handhabte, derenthalben er so viel Ruhm geerntet hat. Aus Friedrichs II. Briefwechsel mit seiner Bayreuther Schwester {Verw. auf Anmerkung} (13. XI. 1744 bis 28.I.1745) erfährt man, daß die vom Professor der Geschichte Groß herausgegebenen Zeitungen auf Friedrichs Drängen verschiedentlich verboten und schließlich konfisziert wurden. Aber als Groß nach dem ersten Verbot gefangengesetzt wurde, legte der große König persönlich Fürbitte für ihn ein: »Ich bitte den Erlanger Zeitungsschreiber freizulassen; meine Rache geht nicht so weit, wie Du annimmst.««
Hegemann: »Da sieht man doch Friedrichs Großmut.«
Manfred: »Auch die Bayreuther Schwester nannte ihn desdeshalb »hochherzig«. Der hochherzige König hat selbst viel gewagte politische Journalistik verfaßt; er wollte nicht, daß ein Bruder in Apoll, nur weil er kaisertreu war, der Unzugänglichkeit des Kerkers geopfert werde.«
Hegemann: »Ganz Friedrich der Große! ich würde mich nicht wundern, wenn er bei nächster Gelegenheit seinem unberühmten Kollegen aufs leutseligste begegnet wäre.«
Manfred: »Ich lese hier eine meiner Bleistiftbemerkungen, sie stammt allerdings nicht aus einem Berliner Geschichtswerke, sondern von dem Münchener Professor Karl Theodor von Heigel, immerhin doch bayrischen Akademiepräsidenten: »Als die ›Kölnische Zeitung‹ Friedrich II. angriff, wies er seinem Vertreter in Köln Hundert Dukaten an, um handfeste Leute zu dingen, die den mißliebigen Zeitungsschreiber prügeln sollten. Der Leiter der ›Erlangschen Zeitung‹ mußte sogar dem preußischen Obersten, der ihn auf königlichen Befehl hatte züchtigen lassen, für die empfangenen Hiebe noch eine Quittung ausstellen. {Verw. auf Anmerkung}«
»Aber lassen Sie uns noch einige Augenblicke bei Lucchesinis Tagebuch verweilen, in dem auch vieles von Friedrichs II. Einsicht als Feldherr und als Staatsmann zusammengedrängt ist. Sehr beachtenswert ist zum Beispiel Friedrichs Vergleich der großen Feldherren, von dem Lucchesini erzählt: »10. Juli 1783. Drei hat er unter den hervorragendsten ausgewählt, ihnen die ersten Plätze anzuweisen, Scipio Africanus den Jüngeren, den Überwinder von Karthago, Ämilius Paulus und Julius Cäsar. Lucullus wird zu den Größen zweiten Ranges verwiesen, zu ihnen zählen Gustav Adolf, Mercy, Turenne und Condé. Luxemburg und der Marschall von Sachsen zählen etwa noch zur ersten Stufe, durchaus aber gehört hierhin der Prinz Eugen. Dieser Vortrag verdiente gedruckt zu werden. Ein Mann, der elf Schlachten gewonnen hat, und der Beredsamkeit und Adel des Ausdrucks besitzt, darf die größten Feldherren für seinesgleichen ansehen.« – Sie sehen, Lucchesini versteht auch im dritten Jahre seines Potsdamer Aufenthaltes noch zu bewundern. Es ist übrigens überraschend, daß Karl XII. von Schweden, der doch durch Voltaires glänzendes Buch kurz vorher Lieblingsheld geworden war, von Friedrich bei seiner Rangverteilung ungenannt bleibt. Den Grund meldet Lucchesini an anderer Stelle:
»»4. Juli 1783. Ein Gespräch über Karl XII. ließ ersehen, daß er ihn als kühnen, freimütigen, unternehmenden Mann hochschätzt; in seinen Feldzugsplänen aber habe er wenig Feldherrngabe gezeigt. Da er immer mit den Russen gekämpft habe, die noch nicht im Kriege geübt waren, und mit den Sachsen, die für sich allein stets wenig ausgerichtet haben, so lasse sich kein Urteil darüber abgeben, wessen er unter anderen Verhältnissen fähig gewesen wäre.« Dieses Urteil überrascht, weil es doch insofern auf Friedrich II. selbst zutrifft, als dieser mit seinem durch jahrzehntelange Schulung und einheitliche Leitung unendlich überlegenen Heere niemals gegen einen völlig ebenbürtigen Gegner kämpfte. Das vom Alten Dessauer geschulte und auch später mit jedem denkbaren geistigen und wirtschaftlichen Opfer unterhaltene Heer setzte Friedrich II. beinahe in die Lage eines Mannes, der mit einem Schießgewehr gegen mit Knüppeln bewaffnete Wilde kämpft. Friedrich II. sagte selbst: »Ein General, so bei anderen Völkern vor verwegen passiret, tut bei uns nur, was nach den ordinären Regeln erfordert wird, er kann alles, was Menschen zu executiren möglich ist. Unsere Truppen sind so beweglich und agil …; Mit dergleichen Truppen würde man die ganze Welt bezwingen, wenn die Siege ihnen nicht ebenso fatal wären als ihren Feinden.«
»Es gehörte vielleicht das ganze hier in de Catts Kriegstagebuch geschilderte Maß poetisierender Zerfahrenheit des Königs dazu, um trotz seiner Überlegenheit so erstaunliche Mißerfolge wie Kolin, Hochkirch oder Kunersdorf oder so furchtbar verlustreiche und dennoch fruchtlose Siege wie die von Prag, Zorndorf oder Torgau möglich zu machen. Solche blutigen Scheinsiege gemahnen an die andere Äußerung Friedrichs über den damals noch so gefeierten Karl XII., die Lucchesini hier am Ende seiner Tagebücher mitteilt: »Der König brachte über Karl XII. das Urteil vor, er sei ein überständiger Wagehals oder ein Hanswurst im Furchtbaren gewesen …;«
»Auch scheint dem großen König seine Ähnlichkeit mit Karl XII. von Schweden peinlich gewesen zu sein. Wenigstens schrieb 1823 der preußische Beamte und Historiker Fr. Förster: »Seine ›Betrachtungen über die militärische Begabung und den Charakter Karls XII.‹ schrieb Friedrich 1760 …;, damit man, wenn er untergehe, ihn nicht mit jenem schwedischen Abenteurer verwechsele.« Aber der Tod der russischen Kaiserin rettete Friedrich vor dem Untergang, und er behielt scheinbar recht mit der Behauptung, die er 1749 in einem Brief an Voltaire gewagt hatte: »zum Glück der Menschheit sind Leute wie Karl XII. selten«. »Lucchesini fuhr am 4. Juli 1783 noch fort: »Von Peter I. sagte der König, er habe hohe Geisteskraft besessen, sei aber viehisch roh, grob und ungezogen gewesen. Derselbe sagte in Paris zu der Mutter des Regenten (Liselotte) sehr treffend: ›Signora, ich habe es verstanden, mein Volk ein wenig zu bessern, mich selbst zu bessern habe ich nicht verstanden.‹« So schmilzt auch die Größe Peters des Großen vor dem Sonnenauge friderizianischer Urteilskraft.«
Hegemann: »Dieses Urteil Friedrichs über Peter den Großen wenigstens wird niemand auf Friedrich den Großen anzuwenden wagen. Niemand wird Friedrich den Großen viehisch roh, grob und ungezogen nennen!«
Manfred: »Kaum! Bei seiner eigenen »Besserung« hatte er Erfolg. Wenigstens konnte Lucchesini am 23. Oktober 1780 von den Ergebnissen berichten: »Hauptsächlich wurde von Literatur gesprochen. Er ist fünf Jahre in Rheinsberg gewesen. Hier hat er studiert wie ein Vieh. Er besitzt vier Bände unveröffentlichter Werke.« Aber mit seinem Volke war Friedrich II. weniger zufrieden als Peter I. mit seinen Russen. Doch das preußische Volk war selber schuld. Im Testament von 1768 schreibt Friedrich selbst: »Diese Nation ist plump und faul und unwillig zu lernen« {Verw. auf Anmerkung}.
»Daß aber Friedrich der Große sich weniger Sorgen um die Verbesserung der Lage seines Volkes machte als Peter der Große, zeigt der sehr geringe Kummer, mit dem er über die Zertrümmerung des Deutschen Reiches sprach, an der er so viel mächtiger mitgewirkt hat, als seine Bewunderer wahr haben wollen {Verw. auf Anmerkung}. Lucchesini erzählt: »14. Mai 1783. Eine eigentümliche Bemerkung machte der König über die Reisen des Kaisers. Die erste, nach Italien, ließ ihn den Sitz des Reiches, der nicht in seinen Händen ist, und das ihm entrissene Königreich Neapel sehen. Die zweite, nach der Lausitz, und die dritte, nach Schlesien, führte ihm zwei Provinzen vor Augen, die ehedem sein waren und es heute nicht mehr sind. Auf der vierten ging er nach Lothringen und sah das abhandengekommene Erbe seiner Ahnen. Auf der fünften, nach Frankreich, sah er das verlorene Elsaß. Nun bleibt ihm noch eine Reise nach dem französischen Flandern übrig.« Aus Friedrichs politischem Testament von 1782 wissen die Eingeweihten, daß er, von der Unfähigkeit seines Nachfolgers überzeugt, zur Ansicht neigte, nach dessen Thronbesteigung werde Deutschland, nicht länger gehemmt durch die preußische Reichsfeindschaft, sich wieder erholen und die verlorenen Provinzen zurückerobern. Auch Lucchesini hat ihn darüber sprechen hören und berichtet am 8. Mai 1783: »Vor dem Jahre 1800 werde ein ehrgeiziger Fürst den Sitz des Reiches nach Rom verlegen, den Papst des Kirchenstaates berauben und ihn zum Patriarchen machen.«
»Daß es sich dabei nicht um das häufig widersinnige Gerede Friedrichs II., sondern fast um ernste Dinge handelte, geht aus dem Briefe hervor, den Goethe am 17. November 1787 aus Rom an Karl August schrieb: »Soviel ist gewiß, daß der Kirchenstaat und beide Sizilien (mit Neapel) ohne Schwertstreich wegzunehmen wären. Das Volk ist mißvergnügt, die Geistlichkeit, besonders die Mönche, sind kaiserlich gesinnt. Noch gestern sagte ein siebzigjähriger Mönch: ›Wenn ich nur noch in meinen alten Tagen erleben sollte, daß der Kaiser käme und uns alle aus den Klöstern jagte, selbst die Religion würde dabei gewinnen.‹« Der zankende Nationalismus des neunzehnten Jahrhunderts wirkt wie eine Folge des Zusammenbruchs des römischen Reiches, dessen erfolgreichen Wiederaufbau seit dem Dreißigjährigen Krieg Friedrich II. hemmte. Bis Friedrich II. die Vollendung des Reichsgedankens unmöglich machte, lebte die Sehnsucht Dantes:
O deutscher Kaiser, willst du ganz vergessen,
Dem Gaul Italien, der sich schäumend bäumt,
Den Schenkel kräftig um den Bug zu pressen?
Veröden soll des Reiches Garten?
Und Du, mein Fürst, läßt uns vergeblich warten?
»Die Stärkung des Deutschen Reiches, die unter der tüchtigen Regierung Maria Theresias und Josephs II. beständig zunahm, war für Friedrich II. ein Gegenstand steter Sorge. Am 7. November 1780 heißt es: »Mittagstafel wie gewöhnlich. Abends. Eine Bemerkung: Das Haus Österreich möchte aus den Fürsten des Reiches das machen, was Frankreich aus den Fürsten gemacht hat, die in seinen verschiedenen Provinzen herrschten.«
»Friedrich II. bewunderte unendlich Richelieu, Ludwig XIV. und die anderen Könige, die (wie in England) die Fürsten ihres Landes und die Fronde unterdrückt und so Frankreich einig und stark gemacht hatten. Doch Friedrich II. sah auch die Hauptaufgabe seines eigenen Lebens darin, zu verhindern, daß Deutschland zu ähnlicher Einheit und Macht gelange. In seinem Testament von 1782 begründete Friedrich dann ausführlich, warum er glaubte, daß sein Tod dem Kaiser endlich diese Einigung Deutschlands ermöglichen werde und daß das Reich dann wieder mächtig, ja daß dann der deutsche Kaiser »mächtiger sein wird als irgendein europäischer Fürst seit den schönen Zeiten Ludwigs XIV.« Daß Friedrich so unbefangen mit Lucchesini gesprochen hat, könnte in Erstaunen setzen, und die Selbstverleugnung und einsichtsvolle, ja verwegene Selbstverurteilung, die in seinen Worten liegt, könnte Bewunderung erregen, wenn man nicht vorsichtig festhalten müßte, daß er in der Wiedererstarkung des Deutschen Reiches durchaus nichts Erfreuliches, sondern nur eine Gefährdung des preußischen Partikularismus zu sehen vermochte. Friedrich II. hatte zwar lebhaftes Verständnis dafür, wie lächerlich der preußische Partikularismus sei – am 29. Mai 1781 schreibt Lucchesini: »Der König schlug eine Neugestaltung des Ordenswesens vor. Für das Haus Österreich einen donnernden Jupiter; für England den Piratenkapitän Merkur; für Frankreich den Stern der Venus; und für ›uns einen Affen; denn wir äffen die Großmächte nach, ohne eine zu sein‹«. Aber gegen die Gefahren, welche diese preußische Nachäfferei und die daraus erwachsenen inneren Kriege und Zersplitterung Deutschlands brachten, war Friedrich gleichgültig; daß er damit auch Preußen an den Rand des Verderbens geführt hatte, darüber macht er in seinem Testament von 1782 zwar einige Bemerkungen; er kündigt gleichsam die Ereignisse von 1795 und 1806 und vielleicht noch größere an: bei der verschwenderischen Sorglosigkeit seines Nachfolgers sei zu erwarten, daß »in dreißig Jahren weder von Preußen noch von Brandenburg die Rede sein werde«. Aber da er ja glaubte, daß in Politik und Kriegführung der Erfolg hauptsächlich vom unberechenbarsten Zufall bestimmt werde – das ist der Inhalt des mehr als zwanzig Seiten langen königlichen Lehrgedichtes »über den Zufall«, das Lucchesini dreimal zu hören bekam – machte sich Friedrich über den bevorstehenden Zerfall Preußens ebensowenig Sorge wie über den Untergang Englands, von dem er Lucchesini unterhielt. Am 8.Mai 1783 schrieb Lucchesini: »England betrachtet der König als ein zugrundegerichtetes und erschöpftes Land.« In dem ein Jahr vorher verfaßten Testament sprach Friedrich II. ausführlich von dem in naher Zukunft zu erwartenden Bankerott Englands und versuchte dann dieser Kannegießerei dadurch den Anstrich eines streng sachlichen Urteils zu geben, daß er mit der Bescheidenheit Falstaffs (der mit einer Träne über die Erschlagenen antwortete, als man ihn fragte, ob seine Flunkerei, sie erschlagen zu haben, wahr sei) hinzufügt: ›Für mich, der ich niemals in England gewesen bin, ist es unmöglich, vorauszusehen, was dieser Bankerott dort für Folgen haben wird. Die Minister sind zu beklagen, die zur Zeit des Ereignisses am Ruder stehen.‹
»Friedrichs Prophezeiung wirkt um so friderizianisch widerspruchsvoller, wenn man sich erinnert, daß er als Verfasser von › l'Histoire de mon temps‹ ›den übermäßigen Reichtum und die fast unerschöpflichen Hilfsquellen‹ rühmt, über die ›das reichste Volk Europas‹ schon vor dem Siebenjährigen Kriege verfügte, und daß diese selben Engländer sich seitdem noch Canada und das reiche Indien dank dem dienstbereiten ›großen König‹ hinzuerobern konnten. Dieses bescheidene: ›der ich nie in England gewesen bin‹ ist ebenso rührend wie die andere Tatsache, daß Friedrich nie gereist oder eine große Stadt gesehen hat. Wieviel Einwohner hatte Berlin zur Zeit Friedrichs II.?«
Hegemann: »Das ganze Königreich hatte vor dem Siebenjährigen Krieg etwa so viel Einwohner wie heute Groß-Berlin, etwa 4 Millionen. Bei Friedrichs Tode hatte Berlin aber doch schon 114 000 Einwohner; dazu (mit ihrem Troß) 33 600 Soldaten.«
Manfred: »Und London?«
Hegemann: »Zur selben Zeit etwa 800 000; Paris 600 000; Wien etwa 220 000.«
Manfred: »In seiner Jugend wollte Friedrich ja mit Katt nach London fahren. Aber auf Reisen ins Ausland stand Todesstrafe, wenigstens für Katt. Friedrich hat als König die Strafe gemildert, hat aber das Reiseverbot für seine Preußen aufrechterhalten. Sollten die Untertanen mehr sehen als der König? Von seiner Reise nach Paris hat er gern und oft erzählt, Lucchesini und anderen, daß sie nicht über Strasbourg gedieh. Kaiser Joseph II. hatte bei der Befriedigung seiner Lernbegier mehr Erfolg als Friedrich II. Dem Berliner von Ranke scheint das peinlich zu sein, wenigstens spricht er von den › touristischen Neigungen‹ Josephs II. Friedrich II. dagegen verglich den Kaiser – so berichtet Lucchesini – mit Kaiser Karl V. Friedrichs II. Neugier scheint, verglichen mit seiner Bereitfertigkeit, Urteile zu fällen, schwach entwickelt gewesen zu sein. In seinem Testament von 1768 hat er seinen Nachfolger ausführlich unterwiesen, mit wie großer Vorsicht Urteile in politischen Dingen abgewogen werden müssen: ›nicht mit Übereilung oder Leichtsinn, sondern nach tiefem Nachdenken und auf Grund genauer Sachkenntnis‹. Wie Friedrich selbst dann zu so vorschnellen Urteilen in Fragen von größter politischer Bedeutung kommen konnte wie mit seiner Ankündigung des englischen Bankerotts, darüber kann man wieder bei Lucchesini wertvollen Aufschluß finden. Der König hatte ihm wiederholt und beredt die Tugenden der Spanier gerühmt. Lucchesini erläutert die königliche ›Lobeserhebung der Spanier‹ folgendermaßen: ›31. Mai 1783. Seine hohe Meinung von diesem Volke ist ihm, denke ich, zum Teil von Mylord Marshall beigebracht worden, der nach dem unglücklichen Ausgange des Feldzuges in Schottland im Jahre 1715 dasselbe lieb gewonnen hatte.‹
»Es gibt eine bekannte Art alter Herren, die gerne ungestört gewisse Anschauungen festhalten und vortragen mögen, die sie sich vor vielen Jahren einmal selbst gebildet oder von anderen vermitteln ließen, sei es über Canitz, Quandt und die deutsche Literatur, sei es über Spanien oder England. So lächerlich es klingen mag; Friedrichs Urteil über englische Dinge scheint kaum besser gegründet gewesen zu sein als seine Schlösser in Spanien. Am 12. September 1783 schreibt Lucchesini: ›Der König betrachtete es als ein großes Glück, daß er von dem diplomatischen Korps verschont geblieben ist, indem er sagte, es sei sehr schwierig, mit ihnen zu sprechen, ohne etwas zu sagen.‹ Das ist mehr als ein neues rührendes Geständnis Friedrichs, daß er seine Zunge nicht im Zaume habe; diese Worte verraten etwas wie Abneigung, mit unterrichteten Leuten sprechen zu müssen, die es wagen durften, die königlichen Anschauungen nicht zu teilen. Wenn Friedrich doch gelegentlich einmal gezwungen war, die auswärtigen Gesandten zu empfangen, ergaben sich manchmal so lächerliche Auftritte, wie sie die englischen Gesandten erlebten, als sie Friedrich über das Abenteuerliche seiner Vorstellungen vom englischen Steuer- und Finanzwesen aufzuklären versuchten. Friedrich feierte zwar in seinem Antimachiavel die englische Verfassung ›als das Muster der Weisheit, das er seiner Zeit vorschlagen könne‹, aber er hat sich nie Zeit nehmen wollen, die englische Verfassung kennen zu lernen. Er beurteilte englische Verhältnisse nach preußischen Maßstäben und zögerte nicht, seine verdrehten Schlußfolgerungen auch schriftstellerisch zu verbreiten. Voltaire hatte ihm zwar die eben angeführte Stelle aus dem (erst kürzlich veröffentlichten) Urmanuskripte des Machiavel gestrichen, aber Lord Malmesburys Tagebuch enthält im Jahre 1767 folgende Erwähnung von Friedrichs › Mémoires pour servir à l'Histoire de la maison de Brandebourg‹:
»›Ich stoße auf einen besonders auffallenden Irrtum, der mich beinahe geneigt macht, an der Zuverlässigkeit der anderen Angaben des Buches zu zweifeln. Der König sagt: » George II. avoit formé le projet de se rendre entièrement souverain dans la Grande Bretagne.« Zu diesem Zwecke habe Georg II. die Accise einführen wollen: » Introduire l'accise c'étoit enchainer la nation.« Die Verschrobenheit und Unmöglichkeit dieser Auffassung ist so offenkundig für jeden, der die geringste Kenntnis unserer Verfassung hat, daß es sich nicht lohnt, dabei zu verweilen. Ich habe Sir Joseph Yorke (den englischen Gesandten im Haag) und Sir Andrew Mitchel (den englischen Gesandten in Berlin) beide erzählen hören, daß sie verschiedentlich versucht haben, den König über seinen Irrtum aufzuklären, aber daß Seine Majestät nie aufmerksam zuhören noch sich überreden lassen wollte, die Sätze in späteren Ausgaben zu streichen. Er scheint diese Angabe, die er für wahr hält, von seinem Vater mitgeteilt bekommen zu haben …; Es mag auch sein, daß er sich aus Stolz nicht gerne vom Gegenteil überzeugen ließ, weil es seine Unwissenheit aufdecken würde, wenn er irgend etwas von dem striche, was er einmal veröffentlicht hatte.‹ Soweit Lord Malmesbury.
»So ist denn bis auf den heutigen Tag in Friedrichs Werken der Beweis dafür zu finden, daß der angeblich wohlunterrichtete König eine ganz unklare Vorstellung von der Regierung des Landes hatte, dessen Verfassung er als Muster aufgestellt und von dem man politisch lernen mußte, wenn man wirklich ›müde war über Sklaven zu herrschen‹. Er konnte nicht verstehen, daß in dem Lande, dessen Freiheit er ›in sehnsüchtigen Versen besungen‹ hatte, die Verwendung auch der indirekten Steuern der Aufsicht durch die Volksvertretung unterliegt.
»Als Friedrich 1783 im Gespräch mit Lucchesini den englischen Niedergang ankündigte, wiederholte er nur, was er 1768 in sein Testament geschrieben hatte; damals war er noch sehr unwillig darüber, daß die Engländer 1760 aufgehört hatten, ihm jährlich die fünf Millionen Taler zu zahlen, die er sich als ›Eroberer‹ Amerikas und Indiens – damit war er der erfolgreichste Parteigänger geworden, den England je gehabt hat – doch wahrlich verdient und aus denen er jährlich an die zehn bis fünfzehn Millionen seiner friderizianischen ›Blechklappen‹-Taler zu machen verstanden hatte. Kein Wunder, daß ihm Englands Bankerott nahe bevorzustehen schien. Aber als er ihn Lucchesini im Jahre 1783 ankündigte, hatte er vergessen, daß bereits im vorigen Jahre, also 1782, ein englischer Ministerwechsel stattgefunden und in dem umsichtigen Könige von Preußen die Hoffnung eines neuen Bündnisses mit dem reichen England wachgerufen hatte. So hatte denn Friedrich, während er noch 1783 den Bankerott Englands prophezeite, bereits 1782 in seinem Testament der (ihm so schrecklichen) Aussicht eines Erstarkens des deutschen Kaisers die Aufforderung entgegengesetzt, sein Nachfolger möge »den Hoffnungen auf Frankreich entsagen und auf einen Dreibund zwischen Preußen, den Türken und England hinarbeiten!«« »»Den Hoffnungen auf Frankreich entsagen!«, ach, wie ungern hat er den geliebten Franzosen entsagt, in deren Gesellschaft er sich so gern und stolz gefühlt hätte! Noch 1778, als er wieder gegen den deutschen Kaiser kämpfte, hatte er seinem Bruder Heinrich fast wehklagend das Herz ausgeschüttet; am 5. März schrieb er ihm: »Ich habe alle Mittel erschöpft, um die Franzosen (zum Kämpfen gegen den deutschen Kaiser) zu gewinnen; ich hielt ihnen vor, daß ihr Ruhm es verlangt, daß ihr gegebenes Wort sie dazu verpflichtet, daß sie ihren Vorteil dabei finden und daß nur leichte Operationen ihrerseits erforderlich sein würden. Ich möchte den sehen, der mehr vorzubringen vermocht hätte als ich.« Mehr konnte man nicht tun; aber diese hartherzigen Franzosen verweigerten 1778 dem treuen Friedrich die Gelegenheit zu neuem siebenjährigen Blutvergießen. Dem enttäuschten Preußenkönige blieb also nichts übrig als die Hoffnung, wenigstens die Türken gegen den deutschen Kaiser in Bewegung zu setzen.«
Alle diese schrecklichen Dinge, für die Manfred Ellis in den späteren Gesprächen neue peinliche Belege anführte, machten mir, dem sie damals ganz neu und überraschend kamen, den Verstand wirbeln. Ich war unvorsichtig genug, über diese Erwähnung der Türken Verwunderung zu äußern.
Manfred entgegnete mir: »Für die lebenslängliche Hoffnung Friedrichs II., durch seine Bestechungskünste in Konstantinopel die Türken zu neuen Einfällen ins Reich zu bewegen oder wenigstens dem deutschen Kaiser Schwierigkeiten zu machen, gibt es viele Belege; das klingt allerdings heute so unerhört, so verbrecherisch – wie ja für jeden, der sich nicht auf Friedrichs II. eigenen engpreußischen Standpunkt stellen kann, Friedrichs ganzes Leben wie eine beständige Verschwörung gegen Deutschland als Großmacht erscheinen muß – daß ich nie von dieser Türkensehnsucht reden mag, ohne einen der vielen Beweise dafür im Kopfe zu haben. Da ich mich nun im Augenblick gerade auf keinen besseren besinne, lassen Sie mich Ihnen einige Zitate vorlesen, die ich mir hier an den Rand schrieb: In seinem Testamente von 1752 hat Friedrich II. im Kapitel »Über die auswärtige Politik« seine damalige Tätigkeit unter anderem mit folgenden Worten geschildert: »J'avertis la France des desseins de la maison d'Autriche; je la presse d'éveiller le Turc.« Das war mitten im Frieden. Im Siebenjährigen Kriege hielt es Friedrich dann für sicherer, selbst für »das Aufwecken der Türken« zu sorgen. Am 29. August 1757 erzählte er dem englischen Gesandten, daß ein preußischer Unterhändler in Konstantinopel mit 50 000 Pfund die türkische Kriegslust anstachelte. Den folgenden Satz Georg Küntzels notierte ich mir einmal aus den preußischerseits approbierten »Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte«: »Noch im Januar 1762 sieht Friedrich Rettung nur im Losbruch der Tartaren; er harrte mit ungeminderter Sehnsucht des türkischen Anmarsches.« Falls man etwa diese »ungeminderte Türkensehnsucht« Friedrichs des Großen während des Bürgerkrieges zu entschuldigen geneigt wäre, so muß man sich doch mindestens darüber wundern, sie auch noch bei dem »abgeklärten« Friedrich von 1782 lebendig zu finden. Aber hier kommt noch etwas echt Friderizianisches: der brandenburgische Forscher Küntzel erklärt, daß Friedrich schon 1762 – wie dann wieder 1782 – seine Hoffnung auf einen Bund zwischen Preußen, Türken und – diesmal Dänemark setzte, und fährt dann fort: »Bliebe indessen in Konstantinopel alles ruhig, so war Friedrich bereit, sich Peters Gunst durch Preisgabe Dänemarks an Rußland zu erkaufen. Er wollte sich alsdann, obwohl bewußtermaßen gegen das Interesse Preußens, dazu verstehen, dem Zaren den Besitz Holsteins, allenfalls sogar Schleswigs …; zu gewährleisten.« Was könnte schärfer die unbefangene Verantwortungslosigkeit Friedrichs in deutschen Fragen kennzeichnen, die ihn so abstechen läßt von Goethe, dessen politischer Blick Nord und Süd, Elsaß und Österreich mit gleicher Liebe umfaßte? Aber einen echten Verehrer Friedrichs des Großen ficht so etwas nicht an; für ihn mußte Friedrich aller dieser Ketzereien am deutschen Gedanken schuldig werden, um damit Preußen groß zu machen. Ein durch preußische Willkür verkleinertes und klein gewolltes Deutschland sollte als bürokratisch exerziertes Groß-Preußen glänzen; so wollte es der große König. Daß damit Deutschlands (damals selbstverständlich kommende) Herrschaft über den Balkan, daß Österreich, Ungarn, Flandern, Elsaß, Lothringen, Schleswig, mit einem Worte die Vorbedingungen für den Gedanken einer mitteleuropäischen Großmacht verloren gingen, welchen »Historiker« könnte das stören, solange der große Friedrich der deutschfeindlichen, schlitzäugigen Tartarenkaiserin Maria Theresia Schlesien ab-»gewonnen« hat?
»Auf manchen Gebieten hat Lucchesini Friedrichs II. Werk treu fortgeführt. Friedrich II. hat immer wieder auseinandergesetzt, daß Frankreich nur durch Preußen gegen den deutschen Kaiser beschützt werde, und daß Frankreich vor allem nur durch Preußen vor der deutschen Rückeroberung von Elsaß und Lothringen gesichert werde, und Friedrich hat in einem seiner Testamente seine Befürchtung ausgesprochen, daß »wenn je die königliche Familie in Frankreich aussterben sollte, die Rückeroberung Elsaß-Lothringens durch niemanden verhindert werden könnte«; durch niemanden, selbst nicht durch Preußen. Er hatte seinen jungen Schüler Lucchesini unterschätzt. Bei den Vorverhandlungen zu dem Frieden von 1795, in dem Österreich mitten im Kriege gegen Frankreich von Preußen verlassen wurde, schrieb Bischoffswerder an Meyerinck: »Der König wird dem historischen System des brandenburgischen Hauses und den politischen Zielen Friedrichs II. nicht auf die Dauer fernbleiben; er wird sich bereit finden lassen, mit Frankreich gegen den Erbfeind Österreich Hand in Hand zu gehen.« Bischoffswerder, der dies schrieb, war beim König allmächtig, denn er machte in Mystik und ließ den abergläubischen Nachfolger des abergläubischen Friedrich {Verw. auf Anmerkung} auf besonders zugerichteter Bühne Geister sehen; obendrein war er der Schwager Lucchesinis.
»Die friderizianische Politik ergänzte ihre reichsfeindliche Anlehnung an Frankreich durch Schadloshaltung im polnischen Osten; Maria Theresia hat die Teilung Polens, gegen die sie sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sträubte, »einen Schandfleck auf meiner ganzen Regierung« genannt. {Verw. auf Anmerkung} Lucchesini dagegen folgte blindlings dieser Politik Friedrichs und folgte ihr mit der friderizianischen Unbekümmertheit in der Art des mißverstandenen Il Principe, gegen den zu schreiben Politiker vom Schlage der Bolingbroke, Friedrich II. und Lucchesini sich besonders berufen zu fühlen scheinen. Ganz im Geiste des antimachiavelschen Friedrich schloß Lucchesini 1790 den polnischen Allianzvertrag, der den Polen die Hilfe Preußens gegen jede fremde Einmischung zusicherte und der 1792 durch den Einmarsch preußischer Truppen und die zweite Teilung Polens gebrochen wurde. 1791 und 1793 führte Lucchesini Preußens Verträge mit Österreich und England herbei, Verträge, die Preußen im Jahre 1795 im Stiche ließ, etwa in der Art, wie Friedrich II. im Jahre 1741 seinen französischen Bundesgenossen einmal vorübergehend im Stiche ließ oder wie er im »Siebenjährigen« Krieg von den Engländern zu den Franzosen überzugehen versuchte. {Verw. auf Anmerkung}
»In den »eigenhändigen Memoiren des Staatskanzlers von Hardenberg« (herausgegeben von Ranke) findet man, daß Lucchesini auch privatim die friderizianische Politik der Schadloshaltung im Osten verfolgte und sich große Güter in »Südpreußen« sicherte. Von diesen östlichen Erwerbungen glaubte man, werde seine Franzosenfreundschaft und Reichsfeindschaft befördert. Darauf bezieht sich vielleicht, daß Napoleon – wie Hardenberg berichtet – den Lucchesini pantalon und usurier nannte.
»1797 verschaffte Lucchesini sich eine Audienz bei Napoleon und riet ihm – dem »émule et même supérieur« Friedrichs – Österreich zu demütigen und die deutsche Kaiserwürde aufzuheben. Napoleon verstand diesen preußischen Besuch gut auszunutzen; er spielte mit Lucchesini, wie ein Löwe mit einer Ratte spielt, und er machte sich einen Spaß, der rückwirkend auch dem Alten Fritz noch eine Nase dreht. Napoleon führte damals in Italien mit dem Deutschen Reiche Krieg, und des preußischen Gesandten Lucchesini hochverräterischer Besuch bei Napoleon war ganz dem ähnlich, den Friedrichs II. Gesandter Schmettau dem König Ludwig XV. machte, als der französische König die deutsche Stadt Freiburg belagerte. {Verw. auf Anmerkung} In beiden Fällen bot der preußische Gesandte dem französischen Herrscher preußische Hilfe und das Schiedsrichteramt über Deutschland an. Dienstfertige preußische Geschichtschreiber mögen da wohl die Feinheit und das génie des großen Friedrich bewundern. Bismarck, einsichtiger, hat in seinen »Gedanken« die »Auflehnung des preußischen Partikularismus gegen das gesamtdeutsche Gemeinwesen« getadelt. Hören Sie, wie Napoleon das preußische génie zu würdigen verstand. Nachdem ihn Lucchesinis heimlicher Besuch der preußischen Fahnenflucht versichert hatte, wußte Napoleon sich bei den Verhandlungen mit dem Gesandten des deutschen Kaisers in überlegener Stellung, und er behandelte die deutschen Ansprüche dementsprechend. Es traf sich, daß der Gesandte des Kaisers, ebenso wie Lucchesini (und Napoleon!), auch Italiener war, was ja bei einem italienischen Kriege des römischen Kaisers, des »Herren der Welt« und vieler italienischer Besitzungen (vor kurzem noch Neapels), etwas anderes bedeutete, als wenn Friedrich von Preußen oder sein Nachfolger keine gebildeten Preußen finden konnten {Verw. auf Anmerkung} und deshalb Italiener und Franzosen in einflußreiche Stellungen beriefen. Als nun der italienische Botschafter des Kaisers gegen Napoleon die Unantastbarkeit des Deutschen Reiches vertrat, herrschte Napoleon ihn an: »Sind Sie denn ein Deutscher? Ihr Name klingt gar nicht deutsch!« ›Ich bin Neapolitaner, Herr General.‹ »Ja seit wann unterhandle ich denn mit Neapel? Hat denn der Kaiser keinen deutschen Edelmann, mit dem ich über deutsche Dinge verhandeln kann?« – So nutzte Napoleon den preußischen Verrat; und der feile stiletto der Marquis de Brandebourg et de Lucchesini traf den deutschen Kaiser wieder in den Rücken.
»Andere Staatsmänner, die – wie der von Napoleon abgelehnte Neapolitaner – treu für die deutsche Sache kämpften, waren Freiherr von Stein und Benningsen – im Dienste Rußlands. Napoleon schrieb an den Zaren: »Haben Sie nicht genug russische Edelleute, daß Sie sich mit Söldnern umgeben wie diesem Stein, der als Taugenichts und Übeltäter aus Preußen verbannt wurde, oder Benningsen, der militärische Talente haben soll, die ich nicht kenne, der aber seine Hände in Blut getaucht hat,« – was eine Anspielung auf die Ermordung Kaiser Pauls I. war.« (Vgl. oben S. 9.)
»Bis 1806 hat dann Lucchesini in Paris als Vertreter Preußens am allgemeinen Wettrennen um Napoleons Gunst teilgenommen und hat so geholfen, Napoleons Rheinbundbestrebungen den Weg zu ebnen. Später hat er ein großes Werk über den Rheinbund geschrieben. 1806 hat er aufs neue nach friderizianischer Vorschrift ein Bündnis mit Frankreich betrieben, und die Verehrer Friedrichs würden kaum irregehen, wenn sie annehmen wollten, daß Lucchesini, hätte ihm die preußische Regierung freie Hand gelassen, mit der Befolgung seiner franzosenfreundlichen Politik die Niederlage von Jena würde vermieden haben. Aber damals, als es zu spät war, zeigte sich in Preußen das von Friedrich II. verachtete deutsche Gewissen plötzlich so romantisch geschärft, {Verw. auf Anmerkung} daß man derartige Bündnisse nicht mehr dulden wollte. Man wählte lieber den »Sieg von Jena«, der in jenem Bayern, das Friedrich II. und Lucchesini vor dem deutschen Kaiser gerettet hatten, durch Viktoriaschießen gefeiert wurde; auch in Württemberg wurde damals Viktoria geschossen! denn auch dort, wie in Bayern und Preußen, war der Landesfürst König und »groß« geworden, weil er »mit Frankreich Schulter an Schulter kämpfte«, wie »der große König« es in seinem Testament empfahl. {Verw. auf Anmerkung} Als dann nach dem Siege von Jena der von der deutschen Bewegung willenlos mitgenommene König von Preußen, sehr unfriderizianisch, Lucchesinis neuen Vertrag mit Napoleon verwarf, tat Lucchesini als Schüler Friedrichs II. nicht mehr mit, er nahm seinen Abschied, ward in Italien Kammerherr der ausschweifenden Schwester Napoleons und arbeitete an seinem Buche über den Rheinbund, dieser großartigen Fortsetzung des friderizianischen Fürstenbundes, aus dem Preußen, sehr gegen die Absichten seines Gründers Friedrichs II. und Lucchesinis hatte ausscheiden müssen, weil es »dem historischen System des brandenburgischen Hauses und den politischen Zielen Friedrichs II.« untreu geworden und »mit dem Erbfeinde Österreich Hand in Hand zu gehen« endlich anfing.« (S. 150.)
»Das ist das wenige, was ich über diesen beneidenswerten Lucchesini weiß, den Friedrich im Jahre 1780 allen Deutschen vorgezogen hat, um »ihm Vertrauen und Gunst zu schenken« und »ihn an seiner Seite vor anderen zu erheben.« Mit diesen Worten hat ja wohl Goethe-Antonio ausgesprochen, wie sehr er ein solches Glück zu verehren geneigt war.«
Manfred Ellis fuhr fort: »Und dieses Glück hätte verehrungswürdig sein sollen! Ist doch alles verehrungswürdig, was einen charaktervollen Mann aus der Stille in den Strom der Welt führt; denn nur wo »sich die Geister gar gewaltig regen«, können große Talente »eben die Beschränkung lieben«, in der erst die zur Meisterschaft bestimmten Geister »nach der Vollendung reiner Höhe streben«. Sich vom Strome der Welt umbrausen zu lassen oder sich ihm wenigstens zu nähern, ist nun einmal vieler bildungsfähiger Menschen innigster Wunsch; gleichviel ob sie ihn eingestehen oder nicht. Und was immer man von Friedrich II. denken mag, in Berlin – so mußte es wenigstens scheinen – lagen größere Möglichkeiten als in dem kleinen Landstädtchen Weimar mit seinen 6000 Einwohnern.«